Einzelnen Beitrag anzeigen
  #27  
Alt 13.01.2007, 09:43
MMaria MMaria ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 26.03.2006
Ort: Hamburg
Beiträge: 170
Standard AW: Lieber Paps, liebe Mama

13.1.06

Liebe Mama,
wir waren auf dem Weg zu meiner ersten Chemo und schon in Sichtweite zur Klinik, als der Anruf aufs Handy vom Heim kam, du wärst soeben verstorben.
Was nun? Ich ging, ohne jemandem etwas zu sagen zu meiner Chemo und mein Mann fuhr zu dir. Nahm Abschied, und organisierte alles Weitere. Ich saß da, und versuchte zu trauern und zu weinen, aber es ging nicht, ich war einfach völlig durcheinander.
Am Nachmittag dann das Gespräch mit dem Bestatter. Ich musste doch deine Beerdigung planen. Da konnte ich mir gar keine Gedanken über die Chemo machen und hatte auch keine Beschwerden.

Mama, du bist geboren und aufgewachsen in einen kleinen Dorf in Schlesien. Bei Kriegsende bist du mit deinen Eltern in einen Ort in Brandenburg geflohen. Deine drei älteren Geschwister waren da schon außer Haus. Du bliebst einige Jahre dort und machtest eine Ausbildung zur Schneiderin. Mit 22 Jahren kamst du über Berlin nach Hamburg. Bald lerntest du Papa kennen und ein paar Jahre später war unsere Familie komplett. Du hast nicht gearbeitet bis ich 13 Jahre alt war, warst nur für mich da. Dann fingst du an als Verkäuferin im Kaufhaus. Die Arbeit machte dir Spaß, und half dir später auch über Papas Tod hinweg. Als meine Kinder kamen warst du die beste Oma. Hast dich viel um die Beiden gekümmert. Nachdem deine Schwester 1995 plötzlich in deinem Wohnzimmer verstorben war, warst du nicht mehr die Alte. Langsam begannst du dich zu verändern. Es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis ich begriff, dass du krank warst und schließlich die Diagnose Alzheimer gestellt wurde.
2002 ging es nicht mehr anders, du musstest ins Heim. Dort hattest du noch zwei schöne Jahre, bis du fast alles verlorst, was dich mal ausgemacht hatte.
Irgendwie bist du da schon für mich gestorben, obwohl ich mich natürlich weiterhin um dich kümmerte. Aber trotzdem konnte ich am Ende nicht trauern.

Deine Moni
Mit Zitat antworten