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Alt 30.11.2005, 10:30
Barbara 64 Barbara 64 ist offline
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Standard AW: Zwei Jahre danach...

Ich habe Dich abgeholt, als Du aus dem KKH entlassen wurdest. Du warst guter Dinge doch sehr schwach.

Endlich zu Hause... Und Du wolltest nie wieder in ein Krankenhaus.

Du warst voller Zuversicht, hast Dir selbst gekocht und mit einer Bekannten kurze Spaziergänge geplant und gemacht. Schließlich wolltest Du wieder zu Kräften kommen. Und in der ganzen Zeit keine Klagen, kein Genörgel... ach, Mama...

In der ersten Nacht nach Deiner KKH-Entlassung habe ich bei Dir geschlafen, danach wolltest Du das nicht mehr, es ging Dir 'gut', und ich hatte die Notrufanlage vom ASB besorgt, alles ok. Und es ging tatsächlich 'aufwärts'.
Du hast Dir Gedanken gemacht, was wohl wird. Und Du hast mir gesagt, daß Du keinesfalls in einem Krankenhaus sterben wolltest, wenn es soweit sein würde, dann wolltest Du in ein Hospiz. Ich habe dann mit zunehmender Verzweiflung nach einem gesucht, habe jeden gefragt... Kaum einer hatte Verständnis dafür, daß ich das mit Hochdruck betrieben habe, schließlich ging es Dir soweit gut. Mir ging es nicht gut, denn ich wollte Dir Deinen Wunsch erfüllen und sah keine Möglichkeit. Das einzige Hospiz in der Nähe hatte eine Warteliste, zwei bis drei Monate im Voraus... Wie sollte ich denn festlegen, ob und wann Du sterben würdest ? Das hat mich ziemlich fertig gemacht damals.

Con hat mich sehr unterstützt in dieser Zeit, und auch unser Kleiner, der mit seinen damals zehn Jahren fast schon ein Großer war, hat mir viel geholfen allein dadurch, daß ich mit ihm auch mal auf andere Gedanken kommen konnte. Und Du, die meine zwei Lieben jahrelang abgelehnt hat, warst mit einemmal offener. Wir hatten Dich im KKH besucht, und Du warst vollkommen überrascht, daß der Junge mitwollte; doch, Mama, er wollte... er hat Dich sehr gemocht die ganzen Jahre, wollte Dich immer wieder besuchen und hat nicht verstanden, daß ich das nicht wollte - ich habe ihm nie gesagt, daß Du nicht wolltest, daß sie mitkommen... An Deinem Geburtstag durften sie auch nicht kommen, beim letzten hat er gefragt, und ich habe gesagt, daß wir zu Dir gehen, wenn wir in Ruhe zusammen sein können ohne viele Leute... Ich habe Dir das sehr übel genommen, Mama, und ich bin auch nicht zu Deiner Feier gekommen - und das ist das einzige, was ich tatsächlich bereue...

Deine erste Chemo... Ich bin mit Dir zum Onkologen gegangen, Du warst sehr gefaßt, ich war sehr nervös... Wieder zu hause war die ersten Stunden alles ok, dann haben Dich die Nebenwirkungen doch erwischt. Zum Glück war Dein Hausarzt jederzeit bereit, zu Dir zu kommen, und er konnte auch mich ein wenig beruhigen. Ich bin dann die Nacht über bei Dir geblieben, und am nächsten Tag, ein Samstag - ich werde nie verstehen, warum man eine erste Chemo an einem Freitag macht - war wieder alles im Lot. Es ging Dir gut, Du hattest Hunger, also haben wir gefrühstückt. Und danach hast Du mich nach hause geschickt, alles ok, es geht Dir gut, Du hast Besuch eingeladen zum Kaffee...

Mama, ich fand ganz erstaunlich, wie Du Dich verhalten hast... Ich weiß schon, Du hattest Angst, Du hast Dir Sorgen gemacht... Doch bei all dem warst Du so optimistisch und energisch... Ich war wirklich beeindruckt von Dir.



Ein Traum, ein Traum ist unser Leben
Auf Erden hier.
Wie Schatten auf den Wolken schweben
Und schwinden wir.
Und messen unsre trägen Tritte
Nach Raum und Zeit;
Und sind (und wissen's nicht) in Mitte
Der Ewigkeit...

Johann Gottfried Herder

Geändert von Barbara 64 (05.12.2005 um 19:20 Uhr)
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