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Alt 14.05.2005, 20:13
Gast
 
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Standard Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Liebe Alina,

Du bist wirklich eine liebe Vorsichtige und eine vorsichtige Liebe, daß Du Dir bei der Frage "wie geht es euch" Gedanken machst.

In der Schulzeit werden einem literarische Werke mehr oder weniger aufgezwungen, ich hatte das Glück in den wirklich wichtigen Fächern gute Lehrer zu haben; eine sehr engagierte Deutschlehrerin ließ uns als 13-14jährige Parzifal lesen.Daß Parzifal dem leidenden König nicht die erlösende Frage stellte weil man so etwas nicht tut, die ganze Geschichte hat mich damals nicht nur unwahrscheinlich beeindruckt, das Thema ist ganz fest in mir drinnen.
Es ist für mich ein stetiges Abwägen wie sehr soll und will ich mich einlassen, ist ein Wegsehen, Nichtfragen vielleicht manchmal hilfreicher, inwieweit wird meine Anteilnahme, meine Hilfsbereitschaft erwartet, lästig empfunden, halt die ganze Palette von widersprüchlichen Gefühlen und Gedanken.
Heute denke ich mir,was ich ehrlich und liebevoll mache, kann nicht verkehrt sein und manchmal sag und frag ich ganz offen, daß ich nicht weiß, wie ich was machen soll.

Du fragst wie es uns geht und ich kann Dir sagen, es geht uns gut. Vielleicht sind wir zu blöd alles zu begreifen, ich weiß es nicht. Es gelingt mir nicht immer, aber nach Mamas und Papas Kranksein und Sterben, hab ich mir fest vorgenommen mich in Zukunft nicht schon vorher schrecklich zu sorgen was alles sein kann.Ich hatte bei Mama drei Jahre lang eine wahnsinnige Angst vor einem Darmverschluß und bei Papa vor anderen Dingen, auch, daß ihm ein Bein abgenommen wird.Ich meine, es waren ja schon viele begründete Sorgen und Kümmernisse, und dann noch all das was vielleicht sein kann.

Werner hat keine Schmerzen, ein Weh hat in seinem Alter wohl jeder mal, er sieht gut aus, die Ärzte sind zuversichtlich, unsere Lebensbedingungen sind gut UND (ich sage da immer WIR) wir sind alt, oder linder ausgedrückt, nicht mehr jung.
Das macht wirklich einen Unterschied! Ich hatte mit 28 eine Brustoperation (nicht bösartig), dieser Operation sind fast zwei Jahre mit ständigen Untersuchungen voran gegangen und ich war mürbe vor Sorge und Angst. Es war eine unglaubliche Zäsur in meinem Leben, ich habe danach mein Leben ziemlich geändert. Nicht mit Plan, oder bewußt, mehr so aus dem Bauch heraus, vieles ergab sich einfach. Dieses Thema wurde ja erst später in tausenden Büchern und Vorträgen behandelt.
Nun, einige Jahre habe ich weiter brav meine Untersuchungen gemacht und dann habe ich es viele Jahre schleifen lassen. Als ich vor ca. 10 Jahren (so Mitte, Ende 40) wieder bei einer Mammographie war und dann den Befund abholte,dachte ich, das ist jetzt ein großer Unterschied in meiner Empfindung. Ich habe Angst, aber keine Panik, es kann ziemlich gut sein, daß es jetzt heißt, ...es tut uns sehr leid, aber....Ich war 20 Jahre älter und nun bin ich noch älter. Wenn ich die Krebsstatistiken ansehe, dann ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, daß ich einmal Krebs bekomme. Vor dem Einschlafen denke ich manchmal,danke, bis jetzt ist alles gut gegangen und das ist eigentlich viel wenn man die Geschichte und das Weltgeschehen betrachtet.

Vielleicht fühl ich mich auch recht gut, weil mir dieses Forum ein Gefühl der Sicherheit, der Geborgenheit gibt. Oh ja, ich kann das, um Hilfe bitten, mich ausweinen, jemanden durchaus beanspruchen.

Zum Schluß will ich noch auf unsere lieben Mamas zurückkommen und auch meinen Papa. Ich könnte seitenlang all die Situationen aufschreiben bei denen ich sie rasend vermisse. Aber es gibt eine Sache, die ist wirklich schlimm. Daß ich nicht mit ihnen über ihr Sterben, ihren Tod reden kann. Daß wir uns nicht austauschen können darüber wie es für sie war und wie für mich. Das ist unglaublich.
Es gibt einen Satz, den ich nur sinngemaß zitieren kann:
der Tod der Mutter ist der erste Kummer den du ohne ihren Trost erleiden mußt.
Empfindest Du auch so?

Alles Liebe, erhol Dich und schlaf Dich richtig aus!
Briele