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Alt 22.08.2006, 17:05
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Tränen Tränen ist offline
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Standard AW: In Gedenken an dich Günter

Lieber Günter

Mir geht so viel durch den Kopf, alles Sätze wie: Ich will nicht mehr kämpfen müssen, ich will nicht mehr weinen müssen, ich will nicht mehr traurig sein müssen, ich will nicht mehr meine geliebten verstorbenen Menschen missen müssen, ich will nicht mehr die Krebstherapie machen müssen, ich nicht nicht mehr krank sein, ich will nicht mehr nicht so unbelastbar sein können, ich möchte nicht mehr nach 4 bis 6 Stunden Arbeit ausgepowert sein als hätte ich 12 Stunden gearbeitet, ich will nicht mehr ... ich will nicht mehr ... ich will nicht mehr ...

Ich lese derzeit all die Briefe die ich von Miro und Dirk bekommen habe. In fast allen Briefen steht, das sie mich lieben und das ich ihre beste Freundin bin, in allen Briefen steht, das ich mir um sie keine Sorgen machen muß und nun sind beide tot. Ich weine, wenn ich nur an die Briefe denke. All die Telefongespräche gehen mir durch den Kopf. Ich mache mir so meine Gedanken wie viel wertvolle Zeit eigentlich vergangen ist, in der wir traurig waren in der wir uns gegenseitig Sorgen gemacht haben in den letzten 3 Jahren, viel viele Tränen wir gemeinsam vergossen haben, aber auch wie viele schöne Jahre (seit ich 7 bin und bis vor 3 Jahren) wir kummerlos hatten in der wir die glücklichsten Menschen waren wo wir uns vor lachen und Spaß manchmal fast in die Hose gemacht haben. Wir haben so viel gemeinsam gemacht, wenn ich da an das schwimmen mit Delfinen denke vor 4 Jahren wo die Welt noch in Ordnung war. Wir haben jahrelang Sommer für Sommer die Seen unsicher gemacht mir unseren Kajaks und unseren eigenen Schwimmmeisterschaften wo es nie einen Verlieren gab weil wir meist händchenhaltend ins Ziel am anderen Ufer ankamen, wir waren Freunde fürs Leben, doch nun bin ich allein, all meine Freunde die ich mit 7 kennenlernte und lieben lernte sind im anderen Reich, was mir geblieben sind, das sind neue Freunde die noch keine große Vergangenheit mit mir haben. Wir können noch nicht sagen "weißt du noch vor ein paar Jahren" vor allem haben die mich nicht so kennengelernt wie ich einmal war, lachend, Spaß am Leben habend, aufgeschlossen, mutig, gesund und kraftvoll, nein sie haben mich kennengelert wie ich weinend bin wie ich kraftlos bin und wie ich verzweifelt bin, aber trotzdem bin ich ihnen so wichtig, das sie nicht wollen das ich sterbe oder aufgebe. Sie haben mich noch nie echt lachen hören, das Lachen bei dem ich kaum Luft bekomme und Bauchschmerzen bekam. Mein Lache ist weg, ich habe es verloren, meine Mundwinkel sind eingefallen, meine Haut Leichenblass und meine Augenringe bis zu den Mundwinkeln.

Lieber Günter, ich bräuchte dich jetzt, du würdest mir jetzt in den Arsch treten und sagen, es bringt nichts sich hängen zu lassen, du würdest mit Gefühl auf mich trotzdem eingehen, du würdest mich in den Arm nehmen und mir Mut machen. Wenn ich dich immer sah, da dachte ich immer "man bist du ein starker Mann und ich hänge ab, dabei hatte ich doch eine wunderschöne Vergangenheit" du bist mit uns Kindern immer so lieb umgegangen und warst immer für uns da, du hast deine Frau zur glücklichsten auf der Welt gemacht, du hast eine wundervolle Tochter erzogen und dein ganzer Stolz waren deine Enkelkinder. Du hast durch deinen Tod eine verdammt große Lücke hinterlassen die niemand schliesen kann. Dein Papa ist noch mehr verzweifelt wie ich, ich habe Angst das er deinen Tod nicht verkraftet. Deine Beerdigung steht nun im Raum am Montag werden deine sterblichen Überreste in die Erde eingelassen, aber ich bringe auch nicht die Kraft auf zudem muss ich Ende der Woche ins Krankenhaus, ich werde am Freitag um 9.30 operiert, dann wird endlich die tickende Zeitbombe von Metastase rausgeholt, wie es dann mit der Chemo aussieht weiß ich noch nicht. Selbst wenn ich es seelisch schafffen würde zu deiner Beerdigung zu kommen so werde ich körperlich nicht in der Lage sein. Ich weiß das du denkst das es fahrlässig ist, wenn ich mich auch gleich wieder auf eigene Verantwortung entlassen werde, aber du kennst meine Krankenhausphobie und wenn du auf mich aufpasst dann kann mir nichts passieren, am 14.7. habe ich mich ja auch noch am Tag der OP nach 6 Stunden entlassen, ich schlafe die Narkose soweit aus, das ich es heim schaffe und falle dort dann gleich ins Bett. Du musst dir keine Sorgen machen immerhin brauche ich nur meinen Chef anrufen und er kommt und der Notarzt ist in 2 Minuten da, da die Rettungsstelle ein Katzensprung von meinem Zuhause entfernt ist.

Mir schwirrt auch der Gedanke oder besser gesagt die Frage im Kopf herum, was Krebs eigentlich für ein Sinn hat? Die fachliche Begründnung was Krebs ist das weiß ich, aber welchen tieferen Sinn hat er? Warum bekommen so viele Menschen Krebs und warum trifft es auch immer mehr junge Menschen? Liegt es an der Umwelt, oder woran? Ich finde keine Antwort. Und welchen Sinn hat der Tod? Den Sinn die hinterbliebenen zu quälen? Ab einem gewissen Alter ist der Tod normal und den Menschen auch gegönnt, aber welchen Sinn hat der Tod eines 2-jährigen Kindes? Oder einer glücklichen Familie? Oder von 30-jährigen? Der Tod ist ... ich kann nicht mehr

deine Heulsuse