Einzelnen Beitrag anzeigen
  #3  
Alt 26.06.2008, 22:02
teich1 teich1 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.06.2008
Beiträge: 160
Standard AW: Glioblastom IV - Inoperabel

Hallo Daggi,

vielen Dank für Deine lieben Worte. Ja, ich glaube wirklich dass ich stark geworden bin und ich sage auch häufig zu meiner Mama, dass schaffen wir auch noch... So war es, als sie vor der Trauerfeier fürchterlich weinte und meinte, nicht hingehen zu können, oder als die Verwandten noch zu Besuch zur Trauerfeier bei meiner Mama übernachteten (da sie von weiter her kamen) und schon am nächsten Morgen beim Frühstück wieder "normal" weiterlebten und plauderten, als wäre nichts gewesen, und meine Mama die Krise bekommen hat, und sich ins Bad eingeschlossen hat.
Ich wohne woanders -nur 6 km entfernt -aber ich bin sofort zu ihr gefahren undwir sind spazierengegangen, während die anderen Verwandten das nicht einmal mitbekommen haben. Wir haben zusammen geweint, denn wir haben die letztendlich die gleichen Erinnerungen und Gefühle. Die meisten Mitmenschen können wahrscheinlich nicht nachempfinden, was man so erlebt hat, so auch nicht unsere Verwandten. Trotzdem waren sie ja zur Besuch,
weil jemand gestorben ist und nicht, weil ein runder Geburtstag war...
Sie waren nicht dabei und haben nichts von dem Leid miterlebt und saßen jetzt praktisch an der Stelle im Esszimmer, wo über 5 Wochen vorher das Pflegebett stand. Wir hatten dieses Bild noch vor Augen, sie natürlich überhaupt nicht. Man konnte ihnen nicht einmal einen Vorwurf machen, aber sie wußten das eine Woche vorher mein Papa hier gestorben war und hätten sich vielleicht ein bißchen zurückhalten können. Nun ja, es ist schwer - auch für Außenstehende - mit der Situation umzugehen. Wahrscheinlich haben sie Angst davor, dass sie einen wieder zum Weinen bringen, wenn sie vielleicht etwas fragen würden oder über den Toten sprechen würden und versuchen daher, normal oder lustig zu sein....Bloß das funktioniert auch nicht.

Ich habe während der ganzen Zeit eine Art "Buch" geschrieben - es sind an die 58 Seiten geworden, und ich habe schon ernsthaft überlegt, es irgendwie zu veröffentlichen. Es hilft mir sehr, die Geschichte meines Papas anderen zu erzählen, denn dadurch bleibt er für mich lebendig. Außerdem wissen so auch andere Menschen, was vielleicht auf sie zukommt. Ich habe selber bei vielen betroffenen Glioblastom Patienten den selben Krankheitsverlauf gelesen und obwohl es sich gemein anhört, tröstet es einen, dass man nicht alleine so etwas erlebt...

Irgendwie kann ich das alles immer noch nicht realisieren, obwohl wir gestern auch einen Grabstein ausgesucht haben. Immer, wenn ich Fotos von meinem Papa sehe, ist es so, als wenn er ja irgendwann wieder zur Tür hereinkommen müßte. Heute nacht habe ich sogar geträumt, dass er in seinem Pflegebett gelegen hat - als er schon nicht mehr gesprochen hat - und meine Mama hat irgendetwas gesagt, was ihn aufgeregt hat, und er ist aufgestanden und hat mit ihr gemeckert. Er war auf einmal so lebendig, dass ich noch heute morgen fix und fertig von diesem Traum war.

Es wird noch vieles geben, was einem zu schaffen macht,
aber wie gesagt, man hat mehr Kraft und Stärke, als einem bewußt ist. Und diese Kraft und Stärke trägt -meiner Meinung nach - jeder in sich, und wenn es darauf ankommt, kann wahrscheinlich jeder Mensch sehr schlimme Sachen durchstehen, wenn er es versucht und sich halt sagt: "Wir schaffen das..."

Liebe Grüße
Petra (38 Jahre alt)
Mit Zitat antworten