[dickie]

Mein Liebes, ein ganzes Jahr liegt hinter uns. Ich weiß nicht, wie es vergehen konnte. Ich durchlebte es wie in einem Film, den man zu schnell abdreht. Am 22. August - an meinem Geburtstag - begann dein Sterben. Wir begleiteten dich durch die Nacht, bis du in den frühen Morgenstunden aufgegeben hast. Mein Leben und das der Kinder ist so anders. Es fühlt sich nicht echt an, obwohl wir uns große Mühe geben. Dich ersetzen kann ich niemals, aber ich habe nun gelernt, eigene Entscheidungen zu treffen. "Mach es so, wie du es für richtig hälst", meintest du. Seltsame Erfahrungen machte ich in diesem letzten Jahr, da gibt es Freunde, die sich kaum noch melden, da gibt es andere, die neu hinzu gekommen sind. Was hättest du von meiner "Trauergruppe" gehalten, so liebe Menschen, mir jetzt nahe wie sonst niemand. Wir versuchen gemeinsam, dem Leben wieder eine Chance zu geben. Ach, mein lieber, lieber Mann, du bester Freund, warum musstest du nur gehen? Ganz sicher bin ich, dass du an diesem 1. Jahrestag ganz bei uns warst. Die Tage vorher ging es mir sehr schlecht, hatte ich das Gefühl, einen hohen Berg bezwingen zu müssen, obwohl ich die Luft dazu nicht habe. Wir haben drei Ballons gekauft, drei Herzen, die unten zusammengebunden waren, um besser aufsteigen zu können. Sie sind zum Himmel aufgestiegen und nahmen unsere Briefe an dich mit. Wir hielten uns an den Händen und schauten ihnen nach, bis sie verschwanden. Danach sind wir essen gegangen, nur wir drei, ans Grab, um noch drei rote Rosen dazuzulegen. Eine Anzeige in der Zeitung gab es auch. Nun liegt der Berg hinter. ... Aber sicher baut sich schon der nächste vor mir auf.
Ich zünde eine Kerze an für dich, mein Liebes
Deine Dickie