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Alt 19.02.2005, 11:27
Gast
 
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Standard Russisch Roulette.......

Liebe Kerstin,

erstmal vielen Dank für Deinen langen Brief. Aber meiner Meinung nach hast Du wirklich alles getan, was Dir möglich war, und Du brauchst Dir in keinster Weise Vorwürfe zu machen. Schließlich dürfen wir nicht vergessen, dass wir Menschen sind, und keine ferngesteuerten Maschinen. In so einer Zeit befinden wir uns doch mehr oder weniger die ganze Zeit im Schockzustand, so dass in unserem Körper einfach ein Gefühlswirrwarr herrscht.
Ich kann mir vorstellen, dass man hinterher immer auf der Suche nach Gründen ist, sich irgendwie Vorwürfe zu machen. Weil diese Krankheit einfach unberechenbar ist, und wir Menschen so hilflos daneben stehen müssen. Egal was immer wir auch tun, wie sehr wir kämpfen, wir können nicht gewinnen, wenn das "Schicksal" es nicht zuläßt. Dein Vater, da bin ich mir sicher, weiß wie sehr Du ihn geliebt hast, und was Du für ihn getan hast. Das Du bei ihm warst und ihn begleitet hast.
Meine Mutter weiß auch, wie sehr ich sie liebe, wie stark ich mich für sie einsetze, aber ich denke immer, es ist nicht genug. Auch wenn es idiotisch klingen mag....solange der Krebs stärker ist, fühle ich mich als eine Verlierein, die sich nicht genug bemüht. Auch wenn mein Verstand weiß, wie blöd sowas ist.
Ich bin 25, meine Mutter 53. Und wie bei Dir, habe ich auch dasselbe Problem mit meinem 21-jährigen Bruder. Er drückt sich davor, Mama zu besuchen und bei ihr zu sein. Klar, er hat Angst, aber die habe ich genauso. Und ich denke, es wird sehr problematisch für ihn sein, wenn die Krankheit siegt. Dann hat er doch mit dem Tod zu kämpfen, und zusätzlich muß er sich immer sagen, dass er Mama "im Stich gelassen" hat, oder???? Es wäre schön, wenn er das ändern würde. Dann könnte er wenigstens dasein, wenn ich nicht kann. Aber ich kann ihn nicht zwingen.
Vor Büchern zum Thema Sterbebegleitung oder einer Therapie habe ich Angst. Ich bin feige, ich kann mich dem Thema Tod nicht stellen. Ich will, dass Mama überlebt. Und wenn ich an ihren Tod denken muß, fange ich an durchzudrehen. Was soll ich da machen? Ich wünsche Dir alles Liebe und Gute.
Saphir

P.S. Wie schaffst Du das, mit dem Tod umzugehen?
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