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Alt 26.07.2012, 00:55
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HeikesFreundin HeikesFreundin ist offline
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Standard AW: Glioblastom - alles furchtbar

Hallo Chris ... schön von Dir zu lesen.

Hm, es kann sein dass Du das Gefühl hast, dass Deine/Eure Geschichte
nicht interessiert, aber ich denke, es steckt nicht Desinteresse dahinter, sondern eher das Unvermögen der Menschen, adäquat darauf einzugehen
und damit UMzugehen.

Weißt Du, viele haben Ängste von denen sie selbst nicht wissen und schieben das Thema, dem WIR ALLE irgendwann ausgesetzt sein werden, nämlich das Thema "Sterben und Tod" weeeeeeeeeeeeeit von sich weg, als würden sie ewig leben. Viele sind schlichtweg überfordert mit solchen Erlebnissen und ich bin mir manchmal selbst nicht sicher, ob sie auch nur annähernd nachvollziehen könnten (wenn sie wollten), was ein solcher Weg mit sich bringt und bedeutet und welche Einschnitte die Krankheit, das Sterben eines wichtigen geliebten Menschen und alles was daran hängt in einem hinterläßt.

Mir ist es auch schon ein paar Mal passiert, dass Menschen aus eigener Betroffenheit Abstand brauchen.

Als meine Mutter damals starb, dachte ich die Welt bleibt stehen und ich werde niemals mehr fröhlich sein können - eigentlich war für mich gefühlt mit ihrem Sterben auch MEIN Leben zuende. Ich war die ersten beiden Jahre völlig neben der Spur und nur die Existenz meiner Kinder haben mich "funktionieren" lassen - wie ein Aufziehmännchen, immer weiter und weiter. Auch meine Mutter hat meine Tochter nie gesehen. Sie war am Mittwoch operiert worden, am Donnerstag war ich bei ihr (sie lebte 400km entfernt). Am Freitag vormittag war sie so wach, dass ich ihr ein Foto meines Babys zeigen konnte, mittags Not-OP, bis sie dann starb, habe ich sie nicht mehr zu Gesicht bekommen.

Das ist nun fast 16 Jahre her. Heute habe ich nur gaaaaaanz selten mal einen "Kloß im Hals" und das auch nur kurz, ich kann lachen, fröhlich sein, auch wenn ich an sie denke. Wenn ich schreiben würde "sie fehlt mir nicht mehr" ist es zu 99% richtig, was aber nicht heißt, dass ich sie nicht lieber
lebendig hätte Wahrscheinlich habe ich mich damit abgefunden, womit ich mich abfinden musste - und viele andere auch.
Der Verlust ist eine große Wunde, die sich nur sehr sehr langsam verschließt,
aber sie tut es unmerklich, leis und langsam ... eine Narbe bleibt immer zurück.

Also lass Dir Zeit, lerne neue Menschen kennen. Manchmal igelt man sich so sehr ein (neben Job und Verpflichtungen), dass andere an einen auch gar nicht rankommen würden, selbst wenn sie wollten ... Eines Tages wird es auch Dir gelingen
Deinem Engel "Mama" seine verdienten Flügel zu verleihen.


Lillis großer Sohn war ja schon einige Wochen vor Lillis Tod ausgezogen, um sein Studium zu beginnen und Lillis kleinerer Sohn kam in eine liebevolle (hoffentlich!) Pflegefamilie - das hatte die Dame vom Hospizdienst alles gemeinsam mit Lilli noch auf den Weg gebracht.

Nach der Nachricht hier, dass Lilli es "geschafft" hat, erhielt ich noch eine liebe PN von ihrem Sohn. Wie es den beiden nun geht weiß ich leider auch nicht, aber ich kann mehr als verstehen, dass sie sich dem Forum noch fernhalten - wobei ich mir wünsche, dass Lillis Thema hier stehenbleiben darf - denn ich denke, dass es sie eines Tages hierher ziehen wird, um zu lesen, was ihre Mama geschrieben hat. Ich glaube, dass es wichtig ist für sie, um ihre Erlebnisse verarbeiten zu können und Antworten auf Fragen zu finden.

Heikes Kindern geht es soweit man das sagen kann einigermaßen gut - auch sie haben ihre Tage, an denen es schlimm ist und wo Heike mehr fehlt als an anderen Tagen. Aber sie versuchen in Heikes Sinne "das Beste aus der schrecklichen Situation" zu machen, wie wohl alle hier.
Es braucht halt Zeit.

Inzwischen melden sie sich kaum noch bei mir, sondern wohl sich gegenseitig irgendwie zu stützen. Ich glaube, dass sie auch von mir etwas Abstand brauchen denn ich bin ja irgendwie gemeinsam mit Heike "ihre Geschichte" ... Sie wissen aber, dass ich da bin und sie sich jederzeit melden können. Ich muss sie ja auch loslassen, sie in ihre Leben finden lassen, sich orientieren für ihre eigene Zukunft. Leicht ist das nicht, denn wie auch um meine leiblichen Kinder mache ich mir oft auch Gedanken um sie.

... ja, dieser scheiß Tumor ...

Aber ich kann sagen: man muss ihn nicht haben, um plötzlich nicht mehr da zu sein. Es kann einen auch anders treffen. ZB so, wie die Nichte einer Bekannten. Sie ging vor einigen Tagen ins Kino in Aurora, um sich die Premiere von "Batman" anzusehen .... sie ist unter den 12 Opfern ...

Versuch Deiner Trauer Raum zu geben, such Dir Menschen, die es aushalten können und wollen, wenn Du sprichst ... manchmal hat man die um sich, aber oft sind es NICHT die Personen, von denen man gedacht hat, sie würden für einen da sein, sondern andere.

Ich drück Dich in Gedanken mal fest
und bin froh, dass man wenigstens hier Menschen findet, mit denen man
sich austauschen kann.
Einen ganz lieben sanften Knuddler auch für Deine Kleine <3


Angie
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... meine Freundin Heike ist am 24. Mai 2010 mit 48 J ganz friedlich für immer eingeschlafen ...

... meine liebe Freundin Lilli44 - auch Du hast für immer Deinen Platz in meinem Herzen ...


... I`ll see you when the sun sets!!!

Geändert von HeikesFreundin (26.07.2012 um 00:59 Uhr)
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