Einzelnen Beitrag anzeigen
  #3  
Alt 01.01.2012, 09:57
Benutzerbild von sywal
sywal sywal ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 01.04.2006
Ort: Wien
Beiträge: 208
Standard AW: Myxoides Liposarkom - Rezidive

1991 / 1992

Ende 1991 bemerkte ich einen kleinen Dippel am Oberschenkel, knapp unter der Leiste. Wird mich wohl was gestochen haben dachte ich. Sollte sich das Ding nicht entzünden aber weiter bleiben wollte ich gleich 1992 zum Hausarzt gehen. Jetzt nicht. Ich war noch zu müde. Am Samstag vor Muttertag war meine jüngere Tochter gestorben, mit der größeren gab's auch Probleme und der Berufsalltag war nicht gerade leicht gewesen.
Jänner ging ich also zum Hausarzt. Es sollte eine Biopsie gemacht werden, Dr. M. wollte mir in ein paar Tagen einen Kollegen nennen, welcher die Biopsie durchführen sollte. Beim nächsten Arztbesuch erfuhr ich, dass kein Kollege gefunden wurde, Dr. M. am nächsten Tag die Biopsie selbst machen wollte.
Am Arbeitsplatz angelangt fragte ich meinen Chef ob er einen Chirurgen kennt. Sofort griff er zum Telefon und rief seinen Freund, einen Chirurgen, an. Ich sollte in 14 Tagen in die Privatordination von Dr. S. kommen. Doch als ich sagte, dass morgen eine Biopsie durchgeführt werden soll wurde mir mitgeteilt, dass man in einen Dippel nicht so einfach hinein sticht, der Termin wurde auf in 2 Tagen vorverlegt und die Biopsie abgesagt.
Als ich 3 Wochen später im KH ankam wartete man schon auf mich. Der 1. Patient war ausgefallen. Die Anmeldung war schnell erledigt, eine Schwester führte mich eilig zum Tagesbettenraum. Die dort diensthabende Schwester pflaumte mich gleich mal an, dass es von mir eine Frechheit sei, ein Tagesbett in Anspruch zu nehmen „so was macht man bei uns ambulant“ und sagte abschließend, „ziehen sie sich aus“. Wo fragte ich, sie antwortete ätzend „haben's keinen Platz?“ Na ja Platz war genügend, vor den Betten der anderen, anwesenden Patienten und den am Gang wartenden Patienten – die Türe stand weit offen. Mir war noch nicht mal ein Bett zugewiesen worden. Ich überlegte kurz, dachte, machst den alten Männern eine Freude und ziehst dich halt aus. Bei der Unterwäsche angelangt kam vom Gang eine Schwester gelaufen, zog mich zu einem freien Bett und schob einen Paravant vor. Noch nicht im Bett angelangt kam schon der OP-Lieferant, stolperte über meine noch nicht weggeräumte Reisetasche und schob mich letztendlich in den OP-Bereich.
Rechts neben mir war eine Türe offen. Ich konnte beobachten und hören wie eine Frau in KH-Kleidung privat telefonierte, dabei hatte sie ihre Füße in die unterste Schublade des Schreibtisches abgelegt. So etwas mochte ich nun mal gar nicht. Dann kam noch mein Chirurg, sagte zu dieser Frau „wir fangen an“, sie antwortete „siehst du nicht dass ich telefoniere“ und er lief mit „Frechheit“ und zu mir „ich schicke ihnen wen anderen“ davon. Dieser andere war sehr sehr jung, zittere am ganzen Körper und sollte mir Blutdruck messen. Pfff. Wo war ich da reingekommen? Sollte ich vom Bett springen und davon laufen? Ziemlich schnell gings aber dann ab in den OP.
Aufgewacht bin ich im Tagesbettenraum. Hatte Durst, wollte was zum trinken. Um 12 Uhr würde ich einen Kaffee bekommen. Dann fragte ich die grantige Schwester, ob ich eine Vorlage haben könnte, das Bett war von meiner Menstruation schon voll Blut, das fing zum jucken an. Die Antwort war nein, so was haben wir hier nicht. So verlangte ich eine Bettschüssel – die bekam ich wenigstens und lag bis 16:30 Uhr auf dieser Schüssel.
Es wurde 12 Uhr, ich bat um den versprochenen Kaffee, bekam eine alte Schnabeltasse in die Hand und machte einen Schluck von dem lauwarmen Gebräu. Kaffee? Das war ein übel schmeckender Tee. Vor der Zimmertüre stand ein Kaffeeautomat und so fragte ich die Schwester, ob sie mir einen Kaffee bringen würde. Nein. Jetzt reichte es. Schwester, Kellner, Fräulein, Bedienung, bitte wer bringt mir einen Kaffee von dem Automaten vor der Türe rief ich laut. Ich hatte die Schnautze voll. Genau diese böse Schwester brachte mir dann den Kaffee. Genüsslich wollte ich ihn trinken, mit Ohrstöpsel von meinem mitgebrachten Mini-Kassettenrekorder hören, doch da hatte ich vorerst die Rechnung ohne den Wirt – oder die Schwester – gemacht. Als ich mir das Gerät, welches unter dem Bett in der Reisetasche war greifen wollte – ohne meinen Oberkörper oder Bein zu bewegen – begann die Schwester handgreiflich zu werden, wollte mir das Gerät wegnehmen und schlug mich dabei auf die Hand. Ich sagte zu ihr ganz trocken „so was machen sie bei mir nie wieder“, gab die Stöpsel in die Ohren und hörte meine Musik.
Gegen 14 Uhr kam Dr. S., sah sich den Verband an, entfernte das Schläuchel sagte, um 16:30 Uhr könne ich nach Hause gebracht werden, wir vereinbarten einen Termin zur Nahtentfernung, und er gab mir einen Arztbrief (hochdifferenzierte Liposa möglich). Darüber regte sich wieder die Schwester auf. Nicht beim Arzt, bei mir. Sie hätte ein Kind und sieht überhaupt nicht ein, dass sie hier bis 16:30 warten müsse. Ich empfahl ihr den Beruf auf Häuslfrau (Toilettenfrau) zu wechseln, dafür wäre sie wohl besser geeignet.
Im Medizinlexikon fand ich kein Liposa, bei der Nahtentfernung würde ich ohnehin mehr erfahren. Vor der Nahtentfernung sagte Dr. S. am Telefon, dass ich das Ganze (den Dippel) vergessen könne. Mittlerweile ahnte ich, dass ein Krebsverdacht bestanden „hatte“, aber ich konnte ja das Ganze vergessen.
Voll Freude „ich könne das Ganze vergessen“ ging ich zum Hausarzt, überreichte der Sprechstundenhilfe ein Buch mit einem Dankebillett und verlangte den WC-Schlüssel. Als ich zurückkam sagte die Sprechstundenhilfe, Dr. M. wolle mit mir sprechen, ich soll warten. Ich stand also im Warteraum, Dr. M. fragte mich, vor allen anderen Patienten, was ich unter gutartig verstehe. Na ja, ich kann's vergessen. Er wieder holte seine Frage lauter werdend immer wieder so lange, bis ich kein Krebs sagte. Nein rief er, sie haben Krebs. Ich glaubte, mir nimmt wer die Luft zum atmen weg. Die anderen Patienten starrten mich an. Haltung bewahren war die Devise, so antwortete ich: „mein Chirurg hat gesagt ich kann's vergessen und heute Abend, bei der Nahtentfernung erfahre ich wer von euch lügt“ und ging zur Tür raus.
Bei einem befreundeten Buchhändler, dessen Laden in der Nähe war, bekam ich Trost und konnte mich etwas niederlegen und beruhigen. Am Abend erfuhr ich dann von Dr. S., dass Liposa Liposarkom heisst, es äusserst hoch differenziert war und keine Nachbehandlung notwendig sei. Auch bekam ich die Histo überreicht. Auf das Verhalten von Dr. M. angesprochen meinte Dr. S., dass sie wohl nicht die besten Freunde seien, obwohl Dr. M. seine Tante monatelang falsch behandelt hatte und er, der Chirurg, dieser Tante das Leben rettete. Sie hatte eine (nicht erkannte) Thrombose.

Jahre später, 1998, ich hatte mich in „das Liposarkom“ eingelesen, ersuchte ich die Pathologie dieses KH um Ergänzung der Histo. Es war weder das Ausmaß des chirurgischen Randes noch der Tumorgrad angegeben. Die Antwort kam zügig: Das Resektionspräparat war in mehreren Teilen übersandt, die Resektionsränder nicht markiert worden und daher war es unmöglich die chirurgischen Abtragungsränder nachzuvollziehen. Entsprechend der Fachliteratur (Kopie beiliegend) werden myxoide Liposarkomme immer als Grad I-Tumoren klassifiziert.

Im Sommer 1992 zeigte sich ein großer, rasch wachsender Dippel in der Brust. Ich rief Dr. S. an, der Dippel sollte nun in einem Privatkrankenhaus entfernt werden. Bei einem Krebs-Informationsdienst hinterfragte ich, wie lange ich Zeit hätte, nach Resektion, eine Entscheidung zu fällen. Längstens 1 Monat erfuhr ich. Dr. S. wollte meine Einwilligung zu einer weiterführenden OP. Die gab ich nicht, verweigerte im vorhinein den Gefrierschnitt zu bezahlen. Ich kann's vergessen hat's geheissen und ich habe 1 Monat Zeit. Wollte mich ganz einfach wegen etwas was gar nicht ist (sein kann) fertig machen lassen. Nun gut, dieser Dippel war gemäß Histo ein myxochondroides Syringom in einer mastopathischen Brust. Basta und tschüß ihr Dippel – dachte ich.
Mit Zitat antworten