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Alt 24.08.2006, 22:51
Ladina Ladina ist offline
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Lächeln AW: Krebskinder werden erwachsen

Lieber Rainer

Gerade wollte ich Dich auf den Thread
http://www.krebs-kompass.org/Forum/s...ht=Monsterkind
hinweisen, denke nun aber, es ist jener, den Du schon gelesen hast.
Trotzdem denke ich, ein wenig Zusammenführung kann hier nicht schaden.

Wie Du denke ich, dass das Übel, das uns so jung überrollt hat, trotz allem Schweren auch positive Spuren in unser Leben und Erleben gebahnt hat.
Ich mache mir das immer wieder bewusst, aber auch ich verfalle derweil in Schwermut und finde, ich habe einfach zu viel Negatives erleben müssen.
Meine Halbschwester ist so ein Mensch, ihr fällt alles Glück einfach in den Schoss. Nie muss sie für etwas kämpfen, sie ist blitzgescheit, auch manuell geschickt, was auch immer sie sich vornimmt, es klappt einfach.
Immerhin, da sie an mir so oft erlebt, dass es nicht selbstverständlich ist, wie es bei ihr läuft, ist sie wenigstens nicht auch noch versnobt und geht hochnäsig durchs Leben, sondern sie ist auch dankbar für ihr Glück.
Dennoch und trotz aller Schwesterliebe, manchmal verfluche ich meine Vergangenheit mitsamt ihren positiven Spuren und möchte einfach auch einmal diese Unbeschwertheit erleben.

Und dann ist da wieder so ein unbeschreibliches Glücksgefühl, manchmal aus dem Nichts, das mir bewusst macht, wie schön es doch ist, dass ich lebe.
Oder wenn ich sehe, mit welch unzufriedenen Gesichtern Gleichaltrige durch die Strassen hetzen, kein Blick nach rechts oder nach links, immer der Karriere nach - und ich denke, sie haben den wirklichen Sinn oder Wert des Lebens noch nicht erkannt. Ich bin ihnen voraus, auch wenn ich ihnen rein vom Tempo her nicht das Wasser reichen kann und hinter ihnen bleibe. Ich kann geistig nicht die Quadratur des Kreises ausrechnen, aber ich kann mir wesentliche Gedanken machen um Dinge, die sonst erst 80jährige denken (wenn sie es dann noch können)
Man sagt mir Feingefühl und Wachheit nach, auch wenn ich wegen der vergangenen Therapien oft müde bin und Gefühlsstörungen habe. Die Entwicklung ist einfach mehr innen wie aussen, tiefer als oberflächlich.

Du schreibst, dass Du dich schwer tust im Akzeptieren. Ich kann das gut verstehen. Auch ich habe mühsam lernen müssen, dass wir die eigene Geschichte nicht umschreiben können, egal wie beschi.. sie in der Vergangenheit war. Sie schönreden geht auch nicht, aber vielleicht findet man darin den Silberfaden, das was hübsch war darin, das, was den ganzen Mist verziert hat und ihm etwas von seinem Grausen abgerungen hat, das, was etwas Glanz gebracht hat. Und dann nimmt man diesen Silberfaden, der all die Strapazen der Vergangenheit überstanden hat mit in die Gegenwart, in die Zukunft im Wissen, dass alles, was wir jetzt erleben nicht selbstverständlich ist. Der Silberfaden ist die Brücke, die uns erinnert an das Tragische in unserer Geschichte, aber auch die Brücke, die es uns ermöglicht hat, überhaupt zu überleben (denn niemand, der NUR leidet kann den Krebs besiegen- es braucht dazu eine Hoffnung, Freude, inneren Halt und Liebe) Nur durch solche Gaben ist unser Lebensfaden silbrig geworden.
Und diesen silbernen Lebensfaden , den nehmen wir mit in jenes Leben, das wir zu einem Teil jetzt selber "schreiben" können.
Ich persönlich sage mir, mit dem Mist aus meiner Vergangenheit, dünge ich heute die Blumen meiner Gegenwart am Wegesrand, so klein sie in Wirklichkeit sind, sie wirken gross auf mich, sie werden gross in meiner Wahrnehmung, weil ich mir bewusst bin, welche grosses Wunder es eigentlich ist, dass ich überlebt habe in jener noch so Kinder-unfreundlichen Krankenhauswelt.

Lieber Rainer, jetzt ist unsere Zeit und es ist gut, dass wir da sind. Sehr gut sogar, denn wir sind die Hoffnung, heute sind wir die Silberfäden anderer, die jetzt am Kämpfen und im Mist sind.

Liebe Grüsse, bis zum nächsten Mal

Und natürlich auch Dir alles Gute im Leben

Ladina
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