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Alt 30.06.2008, 21:55
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bergmädel bergmädel ist offline
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Standard AW: Recht auf Produktzugang zur evtl. Selbsterlösung?

Hallo Biba und Mimulus

Roger Kusch hat nachträglich erklärt, dass der "Tötungsautomat" deshalb nicht zum Einsatz kam, weil sich kein Arzt fand, der den Venenzugang legen wollte. Der hätte auch anonym bleiben müssen, denn das hätte sich nicht mit seinem ärztlichen Eid vertragen, Leben zu schützen. Kusch selbst wäre durch das zur Verfügung stellen des Automaten wohl ohne Folgen davongekommen, da Beihilfe zum Selbstmord als straffrei gilt.

Noch eine Bemerkung zu der Frau, die sich dann durch Medikamente tötete:
Ihr Grund für's Sterbenwollen war, daß sie nicht mehr selbständig leben konnte und die Pflege in einer Einrichtung als "langes Siechtum" verstand. Dabei ist ihr Wille zu respektieren, dennoch ist es wichtig für die ethische Diskussion darüber, ob diese Einstellung eine "Sterbehilfe" rechtfertigt.

Das unwohle Gefühl dem ganzen gegenüber stellt sich bei mir denn auch nicht über den Automaten oder die Beihilfe zum Selbstmord ein, sondern darüber:

Das Problem mit Kusch besteht darin, dass er keine Sterbehilfe im Sinne einer Begleitung eines Todkranken sieht. Weiterhin zieht er keine ethische Grenze, nur Menschen mit einer tödlichen Erkrankung Hilfe zur Selbsttötung zu leisten, also wirkliche Sterbehilfe zu leisten.

Sein "Sterbehilfe-Verein" hat kein Konzept, keine Aussagen zu ethischen Grundlagen oder Leitlinien zur Sterbehilfe.
Er beruft sich allein auf zwei Dinge:

Artikel 1, Absatz 1, Grundgesetz:

"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."

Weiterhin auf Artikel 8, Absatz 1 der europäischen Menschenrechtskonvention:

"Jeder Mensch hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs."

Das ist alles. Darauf bezieht Kusch die Richtigkeit seines Tuns. Und die Durchsetzung dieser Rechte wird als Vereinszweck deklariert, wobei dieser Verein nichts als die Beihilfe zum Selbstmord dazu als Methode anbietet.

Wie sehr er dadurch die Aufklärung über und die ethisch verantwortungsvolle Sterbehilfe selbst erschwert, liegt auf der Hand.
Der wirkliche Nutzen für Kusch und seinen Verein liegt meines Erachtens in der eigenen Bevorteilung.

Auf einer Internetseite eines Nachrichtenanbieters (nicht die Blöd-Zeitung) ist der aktuelle Artikel über Kusch durch eine Werbeanzeige geteilt. Dabei wirbt ein Online-Broker-Dienst für die eigenen Angebote mit dem großgedruckten Slogan:

"Service genießen"

Mein Fazit: Fürsorgliche, ethisch reflektierte Sterbehilfe wird durch unsere Gestzgebung abgelehnt. Menschen wie Kusch wird dadurch ein Weg geebnet. Um den alltäglichen Zynismus kümmert sich die Politik eher weniger.

Sandra
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Unsere größten Ängste sind die Drachen,
die unsere tiefsten Schätze bewahren.

Rilke

Geändert von bergmädel (01.07.2008 um 06:56 Uhr)
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