Thema: Und nun?
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Alt 13.10.2005, 08:56
Benutzerbild von AndreaS
AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Und nun?

Hallo Ihr Lieben,

hatte schon geantwortet, aber irgendwie ist es abhanden gekommen :-(

Vier Kinder, dieselbe Erbmasse, vier eigene Innenleben.

Mir ist es wichtig, dass meine Kinder wissen, dass sie immer und zu jeder Zeit und mit all ihren Gefühlen zu mir kommen können. Dass ich sie ernst nehme in ihrem Schmerz und in ihrem Glück.

Mein ältester redet überhaupt nicht. Ich hatte ihn angsprochen, ihm gesagt, dass er hoffentlich weiß, dass er immer zu mir kommen kann. Er meinte, es sei alles ok. Er braucht mit mir nicht zu sprechen, er hat Kumpels, die ebenfalls ihren Papa an Krebs verloren haben und es "bringt ihm mehr" sich mit denen zu unterhalten. Das ist ok. Hauptsache, er weiß es. Ich merke an seinen Texten (er macht mit ein paar Jungs Musik), dass er sich mit dem Tod seines Vaters auseinandersetzt, es auf diese Weise verarbeitet. Zu Hause macht er auch den Eindruck, als ließe ihn alles kalt, als würde es ihn nicht betreffen. Aber das ist halt seine Art (sein Vater war auch so)

Die älteste Tochter ist "mein Ebenbild". Sie muss "etwas tun" aktive Trauerarbeit. Konzerte organisieren zu Gunsten der ambulanten Hospiz, Bücher lesen, stundenlang mit mir reden und weinen. Sie ist ein offenes Buch für mich.

Die Mittlere hat "negativ" reagiert. Sie kam in falsche Gesellschaft, fing an zu rauchen, die Schule blieb auf der Strecke. Im Urlaub habe ich dann ganz bewusst sehr viel Zeit mit ihr verbracht - sie ist wohl in der Anfangszeit schlicht und ergreifend "übersehen" worden. Wir haben ganz lange miteinander geredet, von unseren Gefühlen und Ängsten und Hoffnugen. Und wir haben zum Glück wieder zueinander gefunden. Mittlerweile kann auch sie weinen, jetzt erst lässt sie es raus. Mit dem rauchen hat sie wieder aufgehört, in der Schule gibt sie jetzt auch wieder Gas und außerdem hat sie sich im Urlaub in einen Griechen verliebt, den sie in den Herbstferien besuchen wird. Ich würde sagen, wir haben gerade nochmal die Kurve gekriegt. Auch ihr habe ich gesagt, dass sie bitte mit mir reden soll, wenn sie etwas belastet, dass sie es nicht mit sich selbst ausmachen braucht, dass ich für sie da bin, wann immer sie mich braucht. Ich habe ihr auch gesagt, dass ich selbst in einer Ausnahmesituation stecke und vielleicht das Feeling nicht mehr so stark da ist im Augenblick, dass sie deshalb auf mich zugehen soll. wenn ich vielleicht nicht merke, dass sie mich braucht. Das funktioniert.

Tja und der Kleine? Tagebuch hat er geführt. Zwei Eintragungen hat es. Die erste am Todesabend, wo er schreibt, dass sein Papa eben gestorben ist und er nun unbedingt Fußballprofi werden muss, damit er sich um mich kümmern kann. Die zweite Eintragung war EINEN TAG später. Da schreibt er: Über den Tod meines Papas bin ich schon ein wenig hinweg.... Auch ihm habe ich gesagt, wenn er irgendwelche Fragen hat, wenn er reden will, wenn er weinen will, alles ist ok, nichts ist falsch und ich bin immer für ihn da. Er hatte einen großen Kummer und das war die Angst. sein Papa könnte noch gelebt haben, als man ihn verbrannt hat. Ich war sehr froh, dass er mir das gesagt hat, stellt euch vor, welch Fantasien dieses Kind belastet haben. Ich habe ihm nochmal erzählt, wie es an dem Abend war, als Claus gestorben ist, habe ihn daran erinnert, dass unser Arzt sehr lange da war und sogar nach 1 Stund nochmals kam. Und dass Papas Körper definitiv nicht mehr gelebt hat. Dass seine Seele Zeit hatte aus der Hülle zu kommen und Papa seinen Körper nicht mehr gebraucht hat. Auch das Angebot, den Hausarzt aufzusuchen, um sich von ihm nochmal alles erklären zu lassen, habe ich ihm gemacht. Er weiß, dass er alles fragen kann, dass man ihm antwortet und das ist ok für ihn.

Liebe Susanne, ich glaube - ich hoffe - dass unsere spürbare Liebe zu unseren Kindern und die Liebe zu unseren Männern, das wichtigste ist, was wir beitragen können. Sie wissen zu lassen, ich respektiere und verstehe eure Trauer, auch wenn sie anders ist als meine. Ich liebe euch, wir lieben uns und alles ist ok. Ich denke, das Wissen, dass sie ihre Trauer so leben dürfen, wie es für sie richtig ist, ist die größte Hilfe, die wir geben können. Ganz unbeschadet kommt keiner über solch einen schweren Verlust hinweg, das tun auch wir nicht.

So Susanne, du hast es wieder geschafft, mich endlos "quasseln" zu machen...

LG
Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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