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Alt 07.12.2015, 20:09
mahalo92 mahalo92 ist offline
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Standard Mama, wie kann es ohne dich weitergehen?

Hallo in die Runde,

ich bin ganz neu hier und habe nach langem Überlegen gerade beschlossen, mich hier anzumelden.
Mir geht es momentan einfach nicht gut und schaden kann es bestimmt nicht.. Ich erhoffe mir, mich mit anderen austauschen zu können,
denen es vielleicht ähnlich ergangen ist. Ich versuche, mich kurz zu fassen..

Meine Mama ist sehr überraschend Anfang August an Brustkrebs gestorben.
Kurz nachdem eine gute Freundin von mir an Brustkrebs gestorben war bekam sie im Februar die Diagnose:
Brustkrebs, triple negativ (BRCA1-Mutation - keine Sorge, ich hab sie nicht) und Metastasen in den Lymphknoten. Die Ärzte entschieden,
zuerst 6x im Abstand von 3 Wochen mit einer sehr agressiven Chemo zu behandeln, dann sollten OP und Bestrahlung folgen.
Meine Mama war immer eine starke und sehr zähe Frau. Ich dachte, wenn jemand es schafft, dann sie.
Doch es kam alles anders.

Die Chemo war eine der agressivsten, die es gibt und sie hat sie erstaunlicherweise unheimlich gut verkraftet.
Von den unzähligen möglichen Nebenwirkungen hatte sie nur wenige/nicht so schwerwiegende und kam gut zurecht.
Der Tumor und die Metastasen sprachen enorm gut auf die Chemo an, sodass nach der 6. Sitzung im Ultraschall gar nichts mehr zu erkennen war!
Ein erstes Aufatmen.
Meine Mutter hatte seit ihrer frühen Jugend Migräne, die während der Chemos gänzlich verschwand. Allerdings kam dafür ein stetiger Kopfdruck,
gegen den kaum ein Schmerzmittel half. Um Metastasen auszuschließen, machte man ein MRT vom Schädel (09.07.15). Alles in Ordnung - was waren wir froh!
Dann kam die Operation (16.07.15). Durch die Diagnose der BRCA1-Mutation entschied man sich, nicht brusterhaltend zu operieren.
Die OP verlief ohne Komplikationen, allerdings hatte sie Schwierigkeiten mit den Augen, sie konnte nicht richtig scharf sehen. Ein Augenarzt untersuchte sie noch im Krankenhaus.
7 Tage nach der OP (23. oder 24.07.) wurde meine Mutter auf eigenen dringenden Wunsch - aber laut den Ärzten guten Gewissens - entlassen.
Das war typisch für sie, von ihrer Krebserkrankung wollte sie sich nicht einschränken lassen und wollte unbedingt einen wichtigen Termin wahrnehmen.
Als sie aber zuhause war, hatte sie immer wieder Probleme mit dem Gleichgewicht, war sehr schläfrig und dann teilweise auch etwas neben der Spur.
Am Ein paar Tage später (27.07.) fand mein kleiner Bruder (19) sie in ihrer Wohnung. Sie war im Flur gestürzt und konnte nicht mehr aufstehen.
Sie war verwirrt, wusste nicht, was passiert war. Er rief den Notarzt und sie wurde ins Krankenhaus eingeliefert.
Die Ärzte vermuteten zunächst Borreliose oder Epilepsie. Als dann am 29.07. endlich ein weiteres MRT vom Schädel gemacht wurde, konnten die Ärzte ihren Augen und wir unseren Ohren nicht trauen: Das ganze Gehirn sei diffus von Metastasen überzogen und auch im Nervenwasser im Rücken seien bereits Krebszellen zu finden.
Nur 20 Tage nach dem unauffälligen MRT!
Noch am selben Tag revidierten die Ärzte die Diagnose wieder - sie trauten der eigenen Diagnose nicht, es könne auch eine Hirnhautentzündung sein.
Doch am nächsten Tag bestätigte eine erneute Interpretation der Testergebnisse, was uns bereits am Vortag mitgeteilt wurde.
Das war ihr Todesurteil.
Zu dem Zeitpunkt war sie zwar noch ansprechbar und erkannte uns, aber sie wusste nicht mehr wo sie ist und was passiert war,
Vigilanz-Minderung nannten die Ärzte das. Wir hatten noch ein paar schöne Momente und haben auch manchmal zusammen gelacht,
aber sie baute von Tag zu Tag zusehends ab bis sie letztendlich am 07.08. starb.

Lange hatte ich vor lauter organisatorischen Aufgaben rund um Trauerfeier, Bestattung, Erbe (Streit mit dem unfähigen Nachlassgericht,
erst Nachlassverwaltung, dann nun Nachlassinsolvenz, ein Vermieter der das Vermieterpfandrecht ausübt
und uns persönliche Gegenstände nur gegen Geld überlassen will usw.) und der finanziellen Sicherung meines Bruders
(er hat eine geistige Behinderung und lebt in einer betreuten Wohngemeinschaft) so viel zu tun,
dass ich einfach keine Zeit hatte, zu trauern. Und nun kann ich es gerade einfach nicht.

Ich bin 23 Jahre jung, wohne aber bereits seit ein paar Jahren am anderen Ende Deutschlands und arbeite hier.
Zur Zeit habe ich absolut keine Lust, Kontakt mit "Zuhause" zu haben, weil dann alles wieder hochkommt.
Ich mache mir Sorgen um meinen Bruder, denn auch für ihn war es einfach zu viel: Umzug von Mama in die WG, Schulabschluss, Mutter gestorben,
Einstieg ins Arbeitsleben, Pubertät (er ist entwicklungsverzögert). In der WG fühlt er sich nicht wohl und unser Vater
und ich sind nicht zufrieden mit der Betreuung dort. Er bräuchte jemanden, der auf ihn aufpasst,
er ist gerade sehr, sehr verloren und weiß nicht wohin mit seiner Trauer, genau wie ich.

Ich weiß gerade einfach nicht, wie es ohne sie weitergehen soll. Sicher, ich war es gewohnt, sie nur ein paar Mal im Jahr zu sehen,
aber sie war die wichtigste Person in meinem Leben. Und jetzt ist sie nicht mehr da.
Ich fresse gerade alles in mich rein (Gefühle und Essen) und habe Angst, dass ich wieder depressiv werden.
Die Depressionen hatte ich eigentlich erst im letzten Jahr überwunden..
Ich hab jedenfalls das Gefühl, auf dem besten Weg dorthin zurück zu sein, wenn ich nicht etwas änderere..

Soweit erst einmal. Es hat schon mal gut getan, das ein bisschen aufzuschreiben. Danke fürs Lesen dieses Romans..

Geändert von mahalo92 (07.12.2015 um 20:16 Uhr)
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