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Alt 26.02.2010, 23:37
Songbird78 Songbird78 ist offline
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Standard AW: Zuhause verstorben

Guten Abend!

Meine liebe Schwiegermama ist nun bereits seit etwas mehr als einem Jahr nicht mehr bei uns. Auch sie durfte zu Hause sterben.
Es war die härteste Zeit in unserem Leben, aber ich würde es immer wieder so machen.
Wir bekamen die Diagnose im April 2008, sie war während ihrer Erkrankung nur 1 Woche im KH, anschließend zu Hause bei ambulanter Chemotherapie.
Anfangs ging es ihr damit noch gut, sie hat noch einen Hund angeschafft und an guten Tagen sogar im Garten herumgewühlt.
Leider schlug keine der Chemos wirklich an, so dass wir ab September darauf gefasst waren, dass sie es nicht schaffen wird. Ein herber Schlag, trotzdem blieb bis zum letzten Tag die Hoffnung, dass vielleicht ein Wunder geschieht.
Vielleicht muss man sich diese Hoffnung bewahren, um nicht völlig verückt zu werden. Mir kam es oft so vor!
Ende Januar 2009 galt sie dann als austherapiert. Man bot uns an, sie in einem Hospiz unterzubringen, oder auch im KH, damit sie künstlich ernährt werden könnte, etc. Doch sie selbst wünschte sich, zu Hause bleiben zu können. Wir hatten ein sehr offenes Gespräch, in dem sie Wünsche zu ihrer Beerdigung äußerte - ein sehr schöner Abend trotz der Dinge, die uns bevorstanden.
Dann begannen ihre letzten drei Wochen. Was uns da bevorstehen sollte, war mir nicht mal in meinen kühnsten Vorstellungen klar! Es war furchtbar, mitanzusehen, wie sie von Tag zu Tag weniger wurde, weniger konnte und vorallem verzweifelter wurde. Sie wollte nicht sterben - und wir wollten es auch nicht. Ein Pflegedienst war längst beauftragt, ein Rollstuhl bestellt und die ambulante Hospizhilfe informiert. Sie war auch einmal da.. aber viel gebracht hat es nicht.
Wir hatten Angst vor dem Moment, in dem sie geht. Haben jeden Morgen damit gerechnet, dass sie einfach nicht mehr aufwacht. In diesen 3 Wochen sind wir durch die Hölle gegangen. Vorher auch.. aber besonders diese Zeit war schlimm. Trotzdem, wir konnten ihr ihren letzten Wunsch erfüllen, zu Hause sterben. Am schlimmsten waren die letzten zwei Tage vor ihrem Tod. Am Samstag vormittag hat sie das letzte Mal mit mir gesprochen - wir haben zusammen geweint. Sie hat noch versucht mich zu trösten. Dieses letzte Gespräch ist mir fest ins Herz eingewachsen. Ich werde und will es nie vergessen. Ab Mittags war sie nicht mehr ansprechbar. Ihr Todeskampf dauerte bis in die Nacht von Sonntag auf Montag. Um 2.00 Uhr war sie endlich erlöst.

Wir haben besonders diese letzte Zeit sehr intensiv erlebt. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn sie im KH gestorben wäre. Auch, dass sie nach ihrem Tod noch 12 Stunden bei uns war, zwar tot in ihrem Bett lag - aber wir eben diese Zeit hatten, um immer wieder bei ihr zu sein, uns zu verabschieden, wäre im KH soooo sicherlich nicht möglich gewesen.

Ich werde sie nie vergessen, sie war das Beste, was ich an "Mutterfiguren" hatte und hat vieles wieder gut gemacht, was andere "Damen" dieser Gattung verbockt haben. Durch ihr Heimgehen zu Hause habe ich den Tod direkt erlebt, es war hart, aber ich würde für jeden anderen, der sich das wünscht, wieder tun.

An diesem Punkt habe ich festgestellt, dass auch ich zu Hause sterben möchte, egal, wann und wie das sein wird. Sie war im Kreise ihrer Familie und das nicht nur vor, sondern auch über ihren Tod hinaus.
Es gab eine wunderschöne, sehr persönliche Überführung. Die Kirche und der Friedhof sind schräg gegenüber unseres Hauses, so ist sie immer noch ein wenig da. Wenn ich heute in unser Ankleidezimmer gehe und dort aus dem Fenster sehe, kann ich ihr Grab sehen. Oft stehe ich dort, wünsche ihr einen guten Morgen oder eine Gute Nacht...immer mit Tränen in den Augen!
Sie war ein ganz besonderer Mensch und sie hatte es verdient, dass ihr ihr Wunsch, zu Hause zu sterben ermöglicht wurde! Egal wie hart es war, egal wie anstrengend, egal wie nah und unumstößlich.. sie war es wert!!!

Es tut mir leid, nun ist mein Text viel länger geworden, als er sollte. Es geht mir immer noch sehr nah, wird wohl auch noch lange so sein.. vielleicht für immer. Wenn ich dann anfange darüber zu schreiben, finde ich oft kein Ende. Nehmt es mir bitte nicht übel.

Leise Grüße,
Songbird
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Meine liebe Schwiegermama 19.01.1952 - 23.02.2009
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