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Alt 09.01.2009, 15:46
Stefans Stefans ist offline
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Beiträge: 426
Standard AW: An alle Hinterbliebene...

Hallo Cindy,

Zitat:
Zitat von Cindy 69 Beitrag anzeigen
Aber möchten wir darüber öffentlich lesen wie ein verstorbener Körper beginnt sich zu... in sämtlichen Details ???
Ich möchte es nicht. Und wenn ich es wissen möchte, will ich dazu selber die Entscheidung treffen und nicht öffentlich hier damit konfrontiert werden.

Ich hoffe mein Anliegen ist richtig verstanden worden. Es soll hier doch in Würde und mit Achtung der Verstorbenen gedacht werden.
Falls ich nicht plötzlich an Paranoia leide, nehme ich mal an, du beziehst dich auf mich. Und selbst, wenn nicht, antworte ich dir trotzdem.

Was "wir" "öffentlich" lesen möchten, darüber gibt es keinen Konsens. Was du lesen möchtest oder nicht, ist dein Ding. Du musst nicht lesen, was andere schreiben. Wenn es deine "Würde" antastet, von Leichengeruch und posthumer Darmentleerung zu hören. OK, kein Problem. Dann tu halt für dich weiter so, als gäbe es sowas nicht, und verwechsle Würde mit Ignoranz gegenüber den unangenehmen Seiten von Pflege, Sterben und Tod.

Nichts hindert dich, selbst die Entscheidung zu treffen, was du lesen willst und was nicht. Die Teilnahme an den Krebs-Kompass-Foren ist auch für dich freiwillig.

Zitat:
Ich wollte dies öffentlich schreiben und nicht "versteckt" durch eine PN.
Eine PM wäre ehrlicher gewesen. Du tust in deinem posting genau das, was du angeblich nicht willst: du versteckst dich. Indem du Ross und Reiter nicht nennst. Aber für dieses Nicht-Benennen gleich noch einen neuen thread eröffnest. Sorry, aber du bist feige. Musst du wohl mit leben :-(

Zur Sache: Sterben und Tod sind nun mal rein physisch eklig, widerlich und unangenehm. Ich habe meine Frau sterben sehen, und die Zersetzung ihres Leichnams während der Aufbahrung. Das war für mich das erste mal. Und ich wäre froh gewesen, wenn mir jemand vorher gesagt hätte, wie das ist.

Ich habe längst nicht alle unangenehmen Details hier beschrieben. Es ist eklig, wenn der Mensch, den man mehr als alles in der Welt liebt, kurz vor Schluss hilflos in seiner eigenen Scheisse liegt, dauernd kotzt und sich selbst nicht mehr helfen kann. Ich habe da mit meiner Frau mitgekotzt (Erbrechen überschreitet meine Ekelschwelle, da kann ich nichts für), und es war schlimm und unangenehm, 6 mal täglich / nächtlich die Windeln zu wechseln.

Und das Sterben... klar, ich habe hier auch geschrieben, dass meine Frau friedlich eingeschlafen ist. Und das ebenso geschönt wie xxx Menschen hier vor mir. Nein, es war nicht friedlich. Und es war auch nicht schön. Ich war entsetzt, dass meine Frau ein paar Minuten vor ihrem Tod sich nochmal aufgebäumt und alle Glieder völlig verkrampft hat. Ich war in Panik, als der Atem zu rasseln fing, als die Lunge sich mit Wasser füllte. Ich war völlig schockiert, als mit den letzten Atemzügen das passiert ist, was beim Tod oft passiert: dass sich der Sterbende kurz vor knapp übergibt - und mit den letzten Atemzügen aus Mund und Nase ein großer Schwall von "Kaffeesatz" rausläuft. Dieses eklig dunkelbraune Zeug, das halt noch im Magen war.

Und ich war entsetzt, dass sie nicht friedlich die Augen geschlossen hat. Sondern mich mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund angestarrt hat. Und dass es mir unmöglich war, die Augenlider schnell zu schliessen, weil sie immer wieder aufgingen. Und meine Frau nach ihrem Tod noch länger mit Augenlidern und Lippen gezuckt hat. Und ich deswegen Dutzende von malen ihren Puls und Herzschlag kontrolliert habe, weil ich einfach nicht glauben konnte, dass sie tot ist - weil sich die Gesichtsmuskeln ja noch bewegten. Es ist mir auch extrem schwer gefallen, ihr ein zusammen gerolltes Handtuch zwischen Hals und Kinn zu zwängen, damit sie nicht noch in der Leichenstarre mit verzerrt offenem Mund daliegt.

Es war auch verdammt schwer, ihr beim Waschen und Einkleiden 6 Stunden nach ihrem Tod das T-Shirt mit der Schere vom Leib zu schneiden, weil das wegen einsetzender Leichenstarre anders nicht gegangen wäre, ohne ihr dabei mit Gewalt die Arme zu brechen. Und zu erleben, dass sich, als wir sie auf die Seite gelegt haben, um ihr den Hintern zu waschen, nochmal ein Rest besagter Flüssigkeit aus Mund und Nase auf das Bettlaken ergossen hat.

Nein, das war alles nicht schön, und es war schwer zu ertragen. Aber das passiert bei jedem Menschen, der stirbt. Und mir hätte es sehr geholfen, wenn ich vorher gewusst hätte, wie das ist. Schliesslich weiss das jede Krankenschwester, jeder Arzt, jeder Altenpfleger und jeder Bestatter. Aber darüber reden darf man scheinbar nicht.

Wenn es deine Würde berührt, von "anderen Beschreibungen, von anderen Details..." zu lesen. OK, dann ist das so. Aber in dem Fall kann ich dir nur dringend raten, niemals persönlich einen Menschen in den Stunden vor und nach seinem Tod zu begleiten. Delegiere das zu deinem eigenen Besten an Klinik, Hospiz, Pflegedienst, an wen auch immer.

Das erspart dir unangenehme Erfahrungen. Und du kannst auch künftig, unbelastet von persönlichen Erfahrungen, über "Würde" und "Achtung" der Verstorbenen theoretisieren. Und wirst dabei niemals begreifen müssen, dass du nicht Würde und Achtung der Sterbenden meinst. Sondern deine Unfähigkeit, sich Sterben und Tod in allen unschönen Details zu stellen.

Für mich heisst Würde und Achtung nicht, die Augen vor Dingen zu verschliessen, die nun wirklich kein Mensch wissen und erleben möchte. Ich weise mich meiner Frau würdig, indem ich auch das aushalte und es trotzdem tue / erlebe. Und Achtung vor ihr bewahre, obwohl ihr sterbender / toter Körper mir einiges an Überwindung abverlangt hat.

Viele Grüße,
Stefan
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