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Alt 18.07.2011, 09:27
carla44 carla44 ist offline
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Standard Uns blieben ganze 17 Tage

Hallo,

vor genau 2 Wochen habe ich angefangen, im Angehörigen-Bereich unter "Schlimme Gewissheit - die Zeit läuft uns davon" von meinem Vati und seiner schweren Krebserkrankung zu berichten.

Gestern um 16.30 Uhr habe ich seine Augen für immer geschlossen. Er ist in meinen Armen friedlich und ruhig eingeschlafen.

Vor 17 Tagen hatte mir der Arzt, der meinen Vati im Pflegeheim betreute, die Wahrheit gesagt, dass mein Vati nur noch Wochen zu leben hat.
Letzten Montag habe ich den Arzt darauf angesprochen, dass ich denke, wir haben nur noch Tage und keine Wochen mehr Zeit. Das mußte er leider so bestätigen.

Am Samstag war mein Vati sehr unruhig. Mein Gefühl sagte mir, dass er nun auf dem letzten Weg ist. Er hat immer wieder versucht, sich bei mir und meinem Sohn festzuhalten. Ich war ganze 10 Stunden an seiner Seite, weil ich das Gefühl hatte, dass er mich da haben wollte.

Eine Stunde war ich ganz allein mit ihm. Ich konnte ihm da noch mal sagen, dass ich ihn sehr lieb habe, aber auch weiß, dass seine Zeit nun gekommen ist und ich ihn loslassen muss. Ich habe ihm gesagt, dass ich bis zum Schluss an seiner Seite sein werde, wenn ich merke, dass er das so möchte. Er hat immer wieder meine Hand gedrückt. Sagen konnte er nichts mehr.

Abends nach der Morphium-Tablette wurde er etwas ruhiger.

Am Sonntag hatten die Pflegerinnen sein Zimmer sehr liebvoll hergerichtet: eine Kerze brannte, kleine Engelsfiguren standen auf einem Seidentuch, ein paar Bücher und CDs lagen da, liebevoll dekoriert.

Mein Vati lag ruhig in seinem Bett, die Decke so, dass sie ihn nicht belastete.
Wir waren 2 Stunden mit dabei, als er seinen letzten Weg gegangen ist.

Mein Sohn und ich haben seine Hände gehalten, als er um 16.30 Uhr friedlich eingeschlafen ist. Ganz kurz vorher hat er noch einmal seinen Enkel kurz angelächelt und meine Hand ganz doll festgehalten.

Und dann war es plötzlich ganz still. Ruhe und Frieden waren in seinem Zimmer, nur unsere Tränen tropften aus seine Decke. Seine Hand hielt meine immer noch ganz fest.

Später fiel draußen ein leichter Regen, nur ein paar Minuten. Ich stand auf dem Balkon seines Zimmers. Der Regen war wie ein leichtes Streicheln meiner ausgestreckten Arme. Es fühlte sich gut an.

Ich weiß, dass ich in den letzten 17 Tagen alles richtig gemacht habe.
Wir konnten meinem Vati in der Zeit noch ein paar kleine Freuden bereiten: die Bilder an der Wand, seine neue Uhr, seine Enkel, die ihn noch besucht haben.
Trotzdem fühlt es sich falsch an.
Falsch, dass er so schnell gehen mußte,
falsch, dass ich nicht mehr in das Heim zu ihm fahren kann,
dass ich nichts mehr für ihn tun kann.
Und draußen Kinder spielen und lachen.

Ich kann meinen Schmerz gar nicht in Worte fassen. Es waren nur 17 Tage, in denen wir die Gewissheit hatten, dass seine Zeit hier zu Ende geht.
17 Tage, die mir wie eine Ewigkeit vorkommen und doch viel zu kurz waren.

Mein lieber Vati. Ich weiß, dass Du nun keine Schmerzen mehr hast und von Deinem Leid erlöst bist.
Aber ich vermisse Dich so sehr, dass es mir fast das Herz zerreißt und ich überhaupt nicht weiß, wohin ich mit all diesen Gefühlen soll. Ich kann fast nichts mehr sagen, weil mir die Tränen die Stimme ersticken.

Deshalb schreibe ich hier und ich werde Dich nie vergessen.

Carla
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Mein lieber Vati ist am 17.7.2011 um 16.30 Uhr in meinen Armen friedlich eingeschlafen.

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark
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