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Alt 02.01.2017, 07:51
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Ritterin Ritterin ist offline
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Standard AW: Ich möchte mich vorstellen

Hallo Ihr Lieben die uns alle 6 Jahre lang begleitet habt...

...heute muss ich Euch leider berichten daß wir uns nun dem Ende des Weges nähern.

Nachdem bei unserem Vater Anfang Mai Afinitor aufgrund des Nachlassens der Wirkung und aufgrund seines schlechten Allgemeinzustandes abgesetzt wurde, wurde er anschließend mit Nivolumab behandelt.
Nach aussen hin schien er aufzubauen, wahrscheinlich da die Nebenwirkungen von Afinitor langsam abebbten.
Er nahm etwas zu, Haare und Fingernägel kamen zurück und er hatte wieder mehr Energie. Die Sauerstoffbrille jedoch wurde zu seinem ständigen Begleiter, ohne ging es nicht mehr.

Er hat sich noch so gut gehalten, fuhr kurzfristig wieder Auto und war, wenn auch eingeschränkt durch das ständige Mitführen der Sauerstoffversorgung, wieder aktiver und die Wassereinlagerungen waren auch unter Kontrolle.

Ende Juni, nachdem er über Verdauungsprobleme geklagt hatte fing er an Blut zu erbrechen und im Krankenhaus erfuhren wir daß das Rezidiv weiter gewachsen war und nun in seinen Magen einblutet.
Die Blutung wurde im Zuge einer Magenspiegelung verschlossen, er erholte sich kurzweilig wieder und die Behandlung mit Nivolumab wurde weitergeführt.

Am 2. Dezember, von einer Minute zur nächsten, als ich gerade beim Abendessen mit ihm saß, konnte er urplötzlich eine Flasche die auf dem Tisch stand nicht mehr greifen, er griff daran vorbei und sagte mir er sähe doppelt. Alles ging blitzschnell, eine Minute später konnte er sich verbal nicht mehr ausdrücken, konnte keine Sätze mehr bilden.
Ich dachte an einen Schlaganfall und habe sofort den Notarzt gerufen.
Er wurde mit Verdacht auf einen Schlaganfall in eine neurologische Klinik in der Nähe eingeliefert.
Auf die erste Erleichterung daß er keinen Schlaganfall erlitten hat kam der Schock daß die Symptome, die zischenzeitlich wieder abklangen von Hirnmetastasen verursacht wurden um diese sich Ödeme gebildet hatten.

Wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt um so schnell wie nur möglich einen Termin bei Cyberknife zu bekommen nachdem Dr. ST uns umgehend dazu geraten hat.
Nach einem erneuten MRT kam dann die Enttäuschung daß es bereits zu viele Metastasen sind, mehr als erst diagnostiziert wurden.

Wir wurden auf eine andere Klinik in der Nähe verwiesen wo sofort Ganzkopfbestrahlungen geplant wurden und 2 Tage später fing er auch sofort mit der Einnahme vom Cabometix an.
Gleichzeitig erfuhren wir nach einem CT vom Abdomen daß nun auch die Leber komplett mit Metastasen übersäht war.

Nach 4 Bestrahlungssitzungen und wenige Tage nachdem er mit Cabometix anfing beklagte er sich am Heiligabend über große Müdigkeit und Schwäche.
1 Stunde später riefen wir die Ambulanz da er erneut anfing große Mengen Blut zu erbrechen.

Die Blutung konnte diesmal kaum noch gestoppt werden und uns wurde mitgeteilt daß es keine Hoffnung mehr gibt. Der Tumor nimmt nun einen großen Teil vom Magen ein, eine erneute Blutung nur noch eine Frage von Tagen oder höchstens Wochen.
Cabometix und die Bestrahlungen wurden eingestellt da beides nur noch zu zusätzlichem Leid beitragen würde ohne der Hoffnung daß es noch zu einer Verbesserung führen könne.

Nach drei Tagen auf der Onkologie wurde unser Vater nun auf die Palliativstation verlegt.

Er fing 2 Tage nach dem Vorfall wieder an zu essen, baut sonst aber täglich ab und ist zusehends mehr erschöpft und müde.
Selbst alleine Sitzen ist ihm nicht mehr möglich.

Die Palliativstation ist toll organisiert und bietet nicht nur medizinisch sondern auch menschlich große Unterstützung.

Da sind wir nun. Unendlich traurig, aber auch dankbar daß unserem Vater trotz der wirklich sehr schlechten Ausgangssituation in 2010 noch 6 Jahre geschenkt wurden.

Er ist gefasst, hat keine Schmerzen und auch seelisch fühlt er sich annehmbar, er hat keine Ängste oder Depressionen.

Für uns ist die Situation unheimlich schwer. Man wacht jeden Tag auf und fühlt sich angesichts des Wissens daß er bald gehen muss jeden Morgen wie ins Gesicht geschlagen.

Aber um uns geht es jetzt nicht, wir wollen zusammenhalten und durchstehen was jetzt kommt. Wichtig ist uns daß er sich so wohl wie nur möglich fühlt und nicht leiden muss. Er hat so lange so tapfer gekämpft und durchgehalten. Ich weiß besonders schwer war dies in den letzten 2 Jahren nachdem unsere Mutter vorausgegangen ist. Er soll ohne Sorgen um uns gehen können.

Das sind die schwersten Tage welchen ich mich in meinen Mittvierziger Jahren je stellen musste.
Ich hoffe so sehr daß er, wenn es so weit ist, einfach friedlich einschlafen darf.

Danke fürs lesen, fürs dasein, durch all die schweren und guten Zeiten in den letzten 6 Jahren.

Bettina

Geändert von Ritterin (02.01.2017 um 16:33 Uhr)
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