Thema: Denkfehler?
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Alt 18.06.2012, 21:00
Aquintos Aquintos ist offline
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Standard AW: Denkfehler?

Hallo Ihr Lieben,
hallo Michaela,

vielen lieben Dank für Eure lieben Worte und das Gedicht

Diese hinterhältige "Trauerkeule" hat mich noch nicht wirklich erwischt.

Ich gehe sowieso anders mit allem um, wie meine Mama.

Meine Mama "lernt" gerade sehr viel, weil mein Vater viel zu Hause gemacht hat. Meine Mama hat jetzt erstmal "grundlegende" Dinge gelernt, z.B: Wie tanke ich ein Auto und wie funktioniert die Waschanlage (war alles Papa´s Job). Sie macht das gut

Ich habe gelernt, Papa´s "Heiligen Rasen" zu mähen. Früher durfte ich noch nicht mal einen Gartenstuhl draufstellen, weil es einen Abdruck gegeben hätte. Er war sehr pingelig mit seinem Garten.

Also habe ich mit fast 42 Jahren das erste mal zu seinem Rasenmäher gegriffen (der ist picobello wie neu...ja, ja, das wurde alles gepflegt und gehegt) und losgemäht. Mama war verschwunden. Vorher hiess es natürlich "Der Papa hat das immer so und so gemacht...."

Ich: "Papa ist aber nicht mehr da...und nu lass mich mal versuchen...willste ein Muster oder nur Streifen?" Aber da war sie schon weg.

Als das Werk vollbracht war, habe ich sein Foto samt Rahmen mit in den Garten genommen und hin- und hergeschwenkt wie eine Kamera und gesagt "Guck mal, gar nicht schlecht für den Anfang, oder?".
Papa hat in meinem Gedanken gegrinst und Mama hat die Luft angehalten.

Meine Mutter und ich haben uns übrigens dazu entschieden, die Urne zu Hause zu halten (ja, das geht... ist ein anderes Thema). Also haben wir eine schöne Deko-Urne zu Hause (nicht so ne Blumenvase mit Deckel wie man sie aus den Schaufenstern der Bestatter kennt). Kein Mensch würde das als Urne erkennen. Davor steht ein Foto von ihm und die ganzen Trauerkarten liegen (noch) daneben. Ausserdem bekommt er jeden Tag ein frisches Blümchen aus seinem Garten daneben gestellt. Er findet es gut (da bin ich mir sicher).

Auch wenn ich zu meiner Mutter fahre, gehe ich als erstes zur der Urne und dem Foto....es ist ein schönes Foto und ich liebe es, ihn zu sehen, so blöd sich das auch anhört. Ich rede dann mit dem Bild, so als würde er vor mir sitzen...und habe immer sein Grinsen im Kopf.

Meine Mama hat nun auch "gelernt" mit ihm zu sprechen; naja, nichts Wirres. Aber wenn wir wegfahren, sagt sie der Urne und Foto "Tschö". Anfassen kann sie die Urne nur sehr schwer.

Hm, ich klopfe manchmal drauf und frage wie die Lage ist. Dann zuckt Mama immer zusammen...und wir lachen drüber. Sie hat damit noch Berührungsängste.

Aber sie meint, daß es immer besser "klappt". Anfangs hatte sie Zweifel, ob das der richtige Weg wäre; mittlerweile findet sie es toll. Sie hat sie ihn für sich alleine. Überhaupt geht es ihr sehr gut, soweit ich das beurteilen kann.
Sie ist sehr viel unterwegs, trifft sich mit Freundinnen zum Kaffee, geht einkaufen und macht (wie es eben gesundheitlich) Ihren Haushalt.
Sie lässt sich nicht gehen, pflegt sich und sieht immer gut aus. Ich weiss nicht ob es Ihre Stärke ist oder vielleicht auch der Wunsch, noch etwas aus ihrem Leben zu machen. Wenn ich sie als "Witwe" aus Spaß anspreche, verdreht sie die Augen und meint "Das hört sich so alt und böse an".

Auch hatte sie vor mindestens 6 Wochen in Schwarz rumzulaufen (andere Generation eben). Ich habe ihr versucht zu erklären, daß sich die Zeiten ändern und niemand es von ihr erwartet. Sie hat zwar die ersten Tage nach Papas Tod Schwarz getragen (ich unbewusst auch...aber es ist launenabhängig), mittlerweile pfeift sie drauf, was die Leute denken. Da kann man mal sehen.

Was sie auch gemacht hat: Ein Fotalbum angelegt.

Zur heutigen "digitalen" Zeit hat nicht jeder Papierfotos zu Hause.
Die, die ich auf meinem PC hatte, habe ich online entwickeln lassen und ihr geschenkt. Sie selber hatte noch "alte" zu Hause. Dieses Album liegt auch neben der Urne; wer zu Besuch kommt kann gerne darin stöbern (und das machen viele Bekannte/Freunde/Nachbarn gerne....und es ist auch sehr witzig; alte Schwarz-Weiss Aufnahmen mit seinem ersten Auto, ein alter Käfer). Wenn man bedenkt wie aufwändig und teuer solche Sachen damals waren. Heute wird nur auf den Knopf gedrückt....

Ausserdem kann meine Mutter gesundheitlich nicht mehr Friedhofsarbeit machen. Zudem haben wir noch 2 Gräber ( 1 x die Eltern meines Papas, 1 x die Eltern meiner Mutter)...und das ist eine ganze Menge, sowas in Schuss zu halten. Ich habe einmal mit meiner Mama einen "Ausflug" zum Friedhof gemacht (war auch immer Papa´s Job), bepackt mit 100 Litern Blumenerde und ner Pallette Blumen...wie soll man ein Grab dauerhaft Instand halten wenn man selber krank ist und 30 km entfernt wohnt?

Die Entscheidung für "zu Hause" ist auch dadurch gefallen, daß die Schwester meiner Mutter ebenfalls seit 2 Jahren bei Ihrer Tochter (meiner Cousine) zu Hause steht.

Meine Mutter konnste das nicht verstehen. Andere Generation.
Es muss ein Grab her. Wo sonst soll man seiner Schwester mal Blumen hinbringen?

Meine Cousine meinte: "Na hier, zu mir. Komm auf einen Kaffee, ich zeig Dir die Urne, habe schon Platz daneben gemacht für Deine Blumen..."

Mama hat es dann gesehen (ist ürigens die gleiche Urne, die mein Papa jetzt auch hat) und für "unüblich" aber "interessant" befunden.

Ich denke, daß die schweren Zeiten noch kommen, z.B. Weihnachten, sein Geburtstag oder ähnliche Anlässe.

Aber auch das werden wir schaffen.
Lieben Gruss
Aqui
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Man sieht die Sonne langsam untergehen; und erschrickt doch, wenn es plötzlich dunkel ist.

Papa: *31.01.1948 +19.05.2012
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