Thema: Chemo nötig?
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Alt 08.09.2007, 15:46
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Linnea Linnea ist offline
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Standard AW: Chemo nötig?

Lieber Rasy,

auch von mir ein herzliches Willkommen hier!

Ich glaube, es gibt keine Frau mit einer solchen Diagnose, die nicht früher oder später mit mehr und minder schweren Depressionen zu kämpfen hat.

Außerdem gibt es auch bestimmte "Hochphasen" für diese Depressionen: Eine fällt sicherlich in die Zeit nach der OP, wenn man in der Klinik liegt und erstmals Zeit hat, diesen ganzen Horror zu realisieren (wie gesagt, die Seele hinkt nach). Gleichzeitig liegt man eben da, fühlt sich mies und kann keines der Probleme in Angriff nehmen. Vor wenigen Wochen war ich in dieser Situation und habe mir viele, viele Gedanken gemacht, wie nun alles weitergehen soll mit Kind und Kegel und wie wir das alles bewältigen sollen. Vieles ist mir da als schlichtweg unschaffbar durch den Kopf gegeistert, wofür es im praktischen Alltag dann doch irgendeine Lösung gab. Aber das Dumme ist eben: in dieser Zeit erschlägt es einen regelrecht und man fühlt sich so hilflos dieser Erkrankung ausgeliefert.

Mir haben in dieser Zeit vor allem zwei Dinge geholfen: zum einen die bedingslose Unterstützung meines Mannes, der mir immer wieder gezeigt hat, wie sehr ich mich auf ihn in jeglicher Hinsicht verlassen kann. Und zum zweiten der Gedanke an die Frauen dieses Forums (ich hatte den KrebsKompass bereits vor der OP entdeckt und viel hier gelesen). Einfach zu wissen, daß es schaffbar ist, daß man aus diesem Loch wieder herauskommt, hat mir sehr viel Auftrieb gegeben.

Oft reichen aber auch die besten Gedanken und liebsten Menschen mit ihrer Unterstützung nicht aus. Anne und Stefanie haben ja schon von Antidepressiva bzw. anderen unterstützenden Medikamenten geschrieben. Ich denke, gerade in so einer Ausnahmesituation braucht man diese Mittel nicht zu scheuen, denn gerade weil es eine Ausnahmesituation ist, wird man diese Medikamente vermutlich nur übergangsweise benötigen. Und man hat in dieser Zeit wirklich genug Leiden zu bewältigen, da kann so eine Pille schon eine Entlastung bedeuten.

Außerdem können natürlich Gespräche mit Psychoonkologen (oder Psychologen/Psychotherapeuten) sehr hilfreich sein, wie Nena ja schon angedeutet hat. Nachdem ich in der Klinik an eine mir eher unsympathische Psychologin geraten war, habe ich inzwischen sehr gute Erfahrung mit einem Psychotherapeuten gemacht. Ich habe dabei gemerkt, wie gut es mir tut, meine Sorgen, Ängste, Probleme auch mal einem nicht direkt betroffenen Menschen erzählen zu können. Denn so sehr auch mein Mann und ich gemeinsam dieses Problem zu bewältigen versuchen, so schwer tue ich mich gleichzeitig damit, ihn immer wieder mit demselben Seelenmist zu überhäufen und ihn, der jetzt in der Familie die Hauptlast zu tragen hat, damit permanent herunterzuziehen. Denn schließlich ist es oft schwerer, damit umzugehen, daß es einem geliebten Menschen nicht gutgeht. Natürlich sprechen wir nach wie vor über alles, aber es entlastet uns beide, daß er nicht immer und immer wieder in denselben Punkten mitleiden muß.

Normalerweise sind Psychoonkologen hier die kompetenten Ansprechpartner. Bei mir hat es sich zufällig anders ergeben, aber mein Psychotherapeut betreut schon jahrelang Krebspatienten und ist gewissermaßen auf diesem Gebiet spezialisiert. In vielen Kliniken gibt es solche Psychoonkologen oder andere Seelenhelfer. Falls die betreuenden Ärzte bisher nicht alleine auf die Idee gekommen sein sollten, kannst Du da auch einfach mal nachhaken...

Was die Chemo anbetrifft, so kann ich nur sagen, daß ich mich wohl auch mit 1a für eine solche Therapie entschieden hätte (wie ja auch viele meiner Vorschreiberinnen). Allerdings kann dies letztlich nur Deine Frau entscheiden, weil sie mit dieser Entscheidung leben und die Konsequenzen tragen muß. Ganz, ganz großartig wäre es, wenn Du ihr das Gefühl geben könntest, daß Du ihre Entscheidung mitträgst, egal wie sie ausfallen mag. Die Unterstützung liebender Menschen ist das Wichtigste überhaupt bei der Bewältigung einer solch schlimmen Zeit.

Euch beiden alles erdenklich Gute, vor allem viel Kraft für die nächste Zeit
wünscht Linnea
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Einen Menschen zu lieben heißt:
Ihn zu sehen wie Gott ihn gemeint hat.
Liebe ist das Geheimnis der Brotvermehrung.
- Christine Busta -

Geändert von Linnea (09.09.2007 um 07:17 Uhr)