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Alt 05.10.2004, 11:49
Gast
 
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Standard kleinzelliger Tumor

Hallo, ich melde mich auch mal wieder.
Die letzten Wochen waren so mit Hochs und Tiefs durchwachsen, komme langsam etwas zur Ruhe...
Meine Mama hat ne Menge Stimmungsschwankungen hinter sich, wir natürlich auch. Verstehe das jetzt, weil ich versuche es mit anderen Augen zu sehen. Mir wurde folgendes ans Herz gelegt:
Schwer
Krebskranke müssen sich sehr schnell mit der Krankheit abfinden/anfreunden, da die verbleibende Zeit erstmal begrenzt scheint. Deshalb fallen sie von einem Loch ins nächste und versuchen alles ganz schnell und übereilt, manchmal unüberlegt, zu regeln. Das löst bei Ihnen und den Angehörigen Panik, Angst, Depressionen, Sorgen und Wut aus. Das scheint alles normal zu sein, so wurde es mir gesagt.
Wir als Angehörige sollen versuchen Verständnis zu haben und einfach mit zwei offenen Ohren zuhören. Wir müssen versuchen die Ängste und Sorgen zu teilen, gleichzeitig aber auch Kraft und Zuversicht bzw. Hoffnung spenden. Das ist so schwer, aber es klappt. Meine "Grenzen" erweitern sich jeden Tag etwas mehr.
Eine Psychologin hat mich gefragt:
Kann es sein das sie so traurig sind, weil sie solche Angst haben alleine zu sein oder trauern sie wirklich nur um ihre Mutter? Darüber musste ich erstmal nachdenken. Klar, ich bin 23 Jahre alt und meine Mutter ist der wichtigste
Mensch in meinem Leben, meine Vertraute, meine Freundin und meine Beschützerin und Ratschlaggeberin und einfach nur meine Zuhörerin.
Ich kann mir nicht vorstellen ohne sie leben zu sollen. Sie hat mich geboren und uns verbindet alles, mein ganzes Leben.
Aber, ich habe verstanden was ich ihr nun schenken kann, womit ich ihr ernsthaft helfen kann. Ich muss versuchen sie gehenlassen zu können. Ich lebe seit zwei Jahren in meiner eigenen Wohnung, plane und gestalte mein Leben wie es mir gefällt, aber meine Mama ist immer, wirklich immer da, wenn ich sie brauche. Sie ist mein Schutzengel, jetzt und wenn sie nicht mehr da ist.
Ich mache ihr den ganzen harten, schmerzhaften Krankheitsweg nur noch schwerer, wenn ich ihr das Gefühl gebe nicht ohne sie leben zu können.
Es zerreist sie förmlich, wenn sie sieht wie ich und der Rest der Familie leidet. Das will sie nicht! Das will keiner!
Wir versuchen zu Hause alles alleine so gut es geht zu organisieren, klappt natürlich nicht immer so 100%, aber es reicht. Das freut sie und entlastet sie psychisch unheimlich. Ich denke wir als Angehörige sollten uns ernsthaft fragen, was ist es, das uns so blockiert loszulassen? Natürlich: Liebe! Aber was noch? Haben wir Angst nichts leckeres zu Essen mehr zu bekommen, keine Seelsorgerin mehr zu haben oder solche Dinge?
Wir kriegen das sicher alles ohne die betroffene Person hin, dazu brauchen wir sie nicht. Sie als Mensch wird uns fehlen, in tausend Situationen sieht man sie lachen, tanzen, meckern und einfach nur da sein, das tut weh, weil man die Person vermisst. Aber Trauer ist auch nur ein Gefühl, davor muss man keine Angst haben, das tut einem eigentlich nichts.
Ich weiss es wird meiner Mama irgendwann besser gehen, wenn die Zeit gekommen ist und sie gehen möchte. Dann hat sie keine Schmerzen mehr und soll in Frieden einschlafen, ohne sich Sorgen machen zu müssen, ob zu Hause alles läuft.
Man sagt das immer so einfach... ich habe da auch so meine Probleme, ich versuche es aber, ihr zu Liebe. Denn dann ist die kranke Person von allen äußeren Gefühlen frei und kann sich auf sich konzentrieren, auf eine Besserung oder sogar Heilung. Wir müssen alle unsere Kräfte richtig einsetzen, um zu helfen, zu unterstützen und zu hoffen, nicht um ständig zu verzweifeln oder zu weinen. Das nimmt die Kraft so sehr weg.
Natürlich muss man auch weinen und seine Gefühle rauslassen, man muss nur wieder positiv denken.

Meine Mama hat auch schon versucht an Medikamente zu kommen um keinen Erstickungstod zu erleiden oder solche Dinge. Sie hat nur noch von morgen gesprochen, nicht mehr von nächster Woche. Jetzt redet sie vom Frühling. Sie denkt wieder positiv und das ist die halbe Miete.
Ihre Haare fallen und fallen... Habe ihr gestern den Rest Haare auf ca. 2 cm gekürzt, weil sie eh ausfallen und unter den Klamotten und im Bett jucken. Sie hat am Mittwoch 16 Bestrahlungen hinter sich, ihr Hals ist von innen ganz wund, sie kann nur Suppe schlürfen. Dadurch ist sie geschwächt und hat somit einen Karteter (?) , damit sie zum Pinkeln nicht aufstehen muss. Ihre Muskeln sind echt schlapp, kein Wunder nach wochenlanger Bettruhe. Sie bekommt jetzt wieder Krankengymnastik und "lernt" an einem Rollator wieder Gehen. Nächste oder übernächste Woche startet dann der zweite Chemozyklus. Wir und sie hoffen das sie vorher nochmal nach Hause kommt, nur dazu muss sie vom Tropf loskommen und sich in allem sicherer fühlen. Sie freut sich schon so auf zu Hause!!!
Wir sind alle positiv gestimmt und glauben nicht an einen schnellen Tod, sondern noch an ein paar Jährchen mit ihr und wenn ein Wunder geschehen sollte, kommen noch ein paar Jahre dazu. Wer weiß...

Liebe Natalie, ich verstehe dich so gut. Ich war wütend und zu tiefst enttäuscht, als meine Mutter über ihre Absicht sprach sich, wenn es soweit ist, mit Tabletten das Leben zu nehmen.
Vielleicht versuchst du ihr klar zu machen, das sie die Kraft die sie aufbringt ihre Beerdigung zu planen lieber dafür aufbringen sollte zu leben. Hmmm, sie fühlt sich auch im Krankenbett verantwortlich für alles was zu Hause passiert, aber das liegt momentan nicht in ihrer Hand. Das können und werden andere Personen erledigen. Versuch ihr das Gefühl zu geben, das du vieles alleine schaffen kannst und ihr einiges abnehmen kannst. Und du kannst es wirklich, glaub mir. Natürlich müssen wir uns mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass unsere Lieben vielleicht bald nicht mehr bei uns sind, aber solange sie die Chemos, Bestrahlungen usw. über sich ergehen lassen, sind sie im tiefen Inneren bereit beim "Kampf" gegen den Krebs mitzumachen. Habe auch gedacht meine Mutter würde nicht mehr leben wollen, Fehlanzeige!
Redet über alles, auch über den Tod, versucht es wenigsten. Wenn einige Dinge geregelt sind, fällt es einfacher mit dem Verlauf der Krankheit umzugehen. Wir reden viel und meine Mutter möchte einfach nur wissen, was man für Vorkehrungen im Fall der Fälle treffen kann. Das ist ihr gutes Recht.

Redet über alles was Euch bedrückt, das hilft wirklich allen Beteiligten, das bringt Euch einander näher als man für möglich gehalten hätte.

Seid tapfer und gebt die Hoffnung niemals auf.
Auch die Mediziner können sich täuschen bzw. es geschehen immer wieder Wunder. Daran glaube ich aus tiefstem Herzen!

Ich drücke Euch alle ganz fest!!!
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