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Alt 15.05.2003, 23:04
Gast
 
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Standard Wie kann ich meiner Mutter helfen?

Hallo, Biggy44,
Du hast recht. Meine Ma war schon immer ein bißchen so wie jetzt. Sie ist 68 Jahre alt. Und sie war es in den vergangenen 45 Jahren gewöhnt, daß jemand ihre Freizeitgestaltung übernimmt - auch wenn sie das eigentlich genervt hat, weil sie ja lieber abends auf dem Sofa sitzen wollte, als etwas zu unternehmen. Jetzt ist er nicht mehr da. Und es gibt keine Unterhaltung mehr - zusätzlich zu dem völlig berechtigten Schmerz. Es ist auch sehr schwer für sie. Sie ist erstmals in ihrem Leben ganz allein. Auch wenn ich mit ihr - wie heute abend - einkaufen fahre - anschließend ist sie wieder allein. In ihrer Wohnung, wo keiner mit ihr spricht. Mir tut das so leid, daß ich darüber auch wieder heule. Wenn nicht darüber, dann weil mein Vater nicht mehr da ist.

Er war da bis zu seinen letzten Sekunden ganz anders. Er wollte nie stören, belästigen, sich beklagen - gar nichts. Er wollte absolut nicht sterben aber er wollte auch keinesfalls, daß andere leiden. Er war stärker und tapferer als ich es jemals sein werde. Er wird immer mein größter Schatz bleiben. Jetzt muß ich schon wieder heulen.

Für Dich ist das alles auch sehr sehr schlimm. Ich denke, daß Deine Mutter auch nicht sterben will. Sie findet das auch alles ungerecht. Und es geht ihr schlecht. Manchmal ist jeder von uns schon bei Lappalien ungerecht und merkt nicht, daß er andere fertigmacht. Manchmal will man vielleicht auch andere nerven, weil die hilflose Wut raus muß. Was soll ich sagen? Ich verstehe, wenn ihr - Du und Dein Vater - am Ende seid. War ich auch - obwohl mein kranker Vater nie geklagt hat. Das eigene Leben scheint ein wenig auf der Strecke zu bleiben. Ich habe meinen Vater mehr als alles andere geliebt - und selbst da fühlte ich mich manchmal so erschöpft, daß ich nur noch Ruhe haben wollte. Und deshalb habe ich jetzt manchmal ein schlechtes Gewissen. Außerdem denke ich, daß ich sowieso an irgendeinem Krebs sterben werde. Meine Oma hatte das. Meine Tante. Und jetzt mein Vater. Ich werde auch irgend so einen Mist kriegen. Mein Pa hat nicht geraucht und auch sonst gesund gelebt. Viel Gemüse aus dem Garten, viel frische Luft und Bewegung. Ich rauche und lebe auch ansonsten ungesund; jetzt noch mehr als früher.

Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hast Du Deine Mutter zu Hause? Gibt es denn nicht eine Möglichkeit, eine Pflegehilfe für ein paar Stunden zu bekommen? Entschuldige, ist vielleicht eine dumme Idee, ich kenne mich damit nicht aus. Mir fällt nur bei allen Menschen - auch bei mir selbst - auf, daß sie sich ein wenig mehr "zusammenreißen", wenn ein Fremder anwesend ist. Das wäre - soweit überhaupt möglich - vielleicht auch eine kleine Entlastung. Und sei es auch nur für eine Stunde.

Weine nicht soviel - wenn das überhaupt geht. Es ist für alle die schlimmste Situation, die es gibt. Es gibt da leider keine tollen Tips. Es ist alles große Sch...
Ich habe mir nach außen hin das bekannte dicke Fell angeschafft. Das hilft manchmal wirklich ein bißchen, weil blöde Bemerkungen von irgendwelchen Leuten ab und zu von mir ignoriert werden können. Irgendwie versuche ich in dem Moment zu denken, daß ich in einem Film bin - dann ist alles ein bißchen weiter weg. Natürlich holt mich alles wieder ein. Aber ab und zu bin ich mit den Gedanken woanders.

Liebe Biggy, es ist etwas wirr, was ich hier schreibe, ich weiß. Sei nicht böse. Mir geht nur so vieles durch den Kopf.
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