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Alt 14.03.2002, 10:37
Gast
 
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Standard Wer kann mir helfen?

Gestern Abend entdeckte das Forum zu ersten Mal. 2 Stunden lang las ich über die Schicksale und seelischen Schmerzen anderer Betroffener welche sich in ähnlicher Situation befinden. Bin im Internet ziemlicher Neuling und habe noch nie an einem Forum teilgenommen. Jetzt will ich es versuchen, vielleicht gibt es ja doch jemanden der mir antwortet. Habe leider keine Kinder, keine Familie, nicht mal wirklich gute Freunde, nur mein kleiner Hund ist bei mir. Nächsten Monat werde ich 50Jahre alt und habe seit 6 Jahren Leukämie. Seit dieser Zeit bin ich immer davon ausgegangen, daß ich meinen Mann eines Tages allein zurücklassen muß. Mein Mann wäre am 21.2.02 63 Jahre alt geworden. Während unserer 18jährigen Ehe war er niemals krank.Im November vorigen Jahres wurde bei einer Routineuntersuchung Magenkrebs in fortgeschrittenem Stadium festgestellt. Für uns brach eine Welt zusammen. Wir hatten noch 4 Tage Zeit, dann wurde er operiert. Trotz der schweren OP am 3.12.01 erholte er sich wider erwarten der Ärzte so gut, daß er am 21.12. über Weihnachten und Silvester nach Hause entlassen wurde. Obwohl er fast keinen Magen mehr hatte und ein Stück Speiseröhre fehlte, konnte er fast alles essen.Ich hatte von den Ärzten erfahren, daß die OP ein halbes Jahr zu spät war, denn die Lymphknoten um seinen Magen waren schon fast alle von Krebszellen befallen. Es war eine Frage der Zeit, wann die ersten Metastasen auftreten.Auch mein Mann wußte es, aber trotzdem hofften wir. Am 7.1.01 mußte er zur 1.Chemotherapie. Am 17.1.01 sollte er bis zur 2.Chemo nach Hause kommen. Als er mit dem Krankenwagen nach Hause gefahren werden sollte, bekam er im Auto einen Krampfanfall. Die Stationsärztin sagte mir, es bestehe der Verdacht auf eine Hirnmetastase. Es wurde ein Schädel-MRT gemacht, wobei sich der Verdacht bestätigte. Nun sollte er bestrahlt werden. Mein Mann, der bisher vor jeder Grippespritze Angst hatte, hat vor und nach der OP nie gejammert. Als er jedoch von der Stationsärztin ziemlich unsensibel von der Metastase erfuhr kam ich gerade dazu. Noch nie hatte ich meinen geliebten Mann so bitterlich weinen sehen und konnte ihm doch nicht helfen. Ich durfte von früh bis abends,solange ich wollte bei ihm bleiben.Vom Chefarzt der Klinik wußte ich, daß die Bestrahlung einen maximalen Aufschub von 4-6 Monaten bedeuten würde. Aber ich hoffte ihn dann noch mal mit nach Hause nehmen zu können und er den Frühling vielleicht noch auf seiner geliebten Terrasse verbringen könnte.
3Tage vor der ersten Bestrahlung, am 25.01.02, rief ich ihn wie jeden Morgen an und sagte ihm, daß ich seine Zeitung hole und dann zu ihm komme.
Er klang ganz normal und sagte ich soll mich doch ein bisschen beeilen, denn er sei gleich mit dem Frühstück fertig. Tschüssi, bis gleich, daß waren seine letzten Worte. Was dann mit ihm passierte weiß ich nicht. Ich war während der ganzen Zeit in einem Gästezimmer des Krankenhauses untergebracht. 15 Minuten nach unserem Telefonat war ich auf seiner Station. Ich durfte nicht in sein Zimmer und die Ärztin sagte mir, eine Schwester hätte ihn am Boden liegend gefunden. Er hätte wieder einen Krampfanfall erlitten. Zehn Minuten später ließ man mich in sein Zimmer. Da lag mein geliebter
Mann tot mit halboffenen Augen in seinem Bett. Man nahm ihm noch die Infusion ab. Ich war wie versteinert, konnte nicht mal weinen. Solange ich wollte durfte ich an seinem Bett bleiben.Ich habe mit ihm gesprochen, ihm seinen Bart gegrault und seine schönen, braunen Augen zugeküßt. Wielange ich dort war, weiß ich nicht. Irgendwann hat mich jemand in mein Gästezimmer gebracht. Am 1.2.02 war die Beerdigung. Es war alles so unwirklich. Die Sonne schien wunderschön als sein Sarg in das dunkle Loch gesenkt wurde. Es waren viele Leute da, aber ich weiß nicht wer. Aus Angst, allein in unser leeres Haus zurückzugehen, blieb ich noch 3 Wochen in dem Gästezimmer. Jetzt bin ich allein in unserem Haus von dem ich mich jetzt trenne.
Alles erinnert mich an meinen Mann. Ich vermisse ihn jede Stunde, mag nicht mehr essen. Ich habe das Gefühl, mein Körper ist eine einzige große Wunde. Alle Versuche mich abzulenken scheitern, denn die Gedanken ihn nie wieder zu sehen, sein Lachen nie wieder zu hören, ist unerträglich. Ich lasse mich wirklich nicht gehen, aber ich kann einfach nicht mehr. Das Alleinsein, mit niemandem reden zu können ist furchtbar.
Gibt es Jemanden der mir antwortet?
Vielleicht würde es mir helfen.

Christiane
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