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Alt 20.03.2009, 22:42
Thessa76 Thessa76 ist offline
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Standard AW: Meine Mama: nichts ist mehr wie es mal war. Und die Welt steht still.

Guten Abend Ihr drei Viertel und Ihr anderen,

Ich hatte heute einen blöden Tag. Ich weiss gar nicht so genau, warum er schon blöd anfing.
Sie fehlt mir. Drei Worte, das ist alles. Ich möchte so gerne bei ihr sein. Und manchmal hab ich es auch immer noch nicht ganz raus, dass sie weg sein soll.

Gestern habe ich lange mit der Krankenschwester telefoniert, eine ganz liebe Seele, die wir sehr mochten und die uns auch sehr mochte. Sie hatte Nachtschicht, war also nicht dabei, als Mama eingeschlafen ist. Aber sie hatte eben die Nächte davor Nachtdienst und sagte mir gestern, was sie sich für Vorwürfe macht, mich nicht angerufen zu haben in Mamas vorletzter Nacht, als sie so klar war. Das sagte sie gestern immerzu: sie war so liebevoll, so besorgt um das Pflegepersonal, hat sich tausendmal entschuldigt für ihre missliche Lage mit dem Toilettenstuhl und den Windeln.... die Schwester sagte, es war unglaublich.

Sie hat lange mit Mama gesprochen, dann ist sie wieder raus, aber die Tür auf. Und immer, wenn sie in die Nähe kam, dann hat Mama geredet. Sie sagte es kann auch sein, dass sie geträumt hat- und im Schlaf gesprochen hat. Aber sie hat immerzu geredet.
Am Morgen des Sterbetages, also eine Nacht später, hat diese liebe Seele sie zusammen mit Mamas absoluter Favoritenschwester, die eine Station weiter Nachtwache hatte und ganz oft extra zu Mama ins Zimmer gekommen ist, Mama gewaschen.
Da war meine Mutter vollkommen apathisch. Hat alles mit sich machen lassen, aber kein Wort mehr gesagt.
Das zerreisst mir das Herz.

Und dann, ich dachte, ich hab das nun kapiert: warum diese aufgerissenen Augen mit dem Blick nach oben in die Zimmerdeckenecke, warum das TROTZ Morphium. Hatte sie solche Angst? Nachdem ich da war, wurde es ja besser. Warum musste sie so lange Angst haben.

Ich versteh die Welt nicht mehr.

Heute kam dann noch ein Päckchen von meiner Patentante, die nicht viel älter als ich ist. Mama hat ihr am 14.12. eine Email geschrieben, die hat sie mir beigelegt. Und da schreibt sie, dass die Familie DURCH ihre Krankheit endlich wieder heile ist.
Das macht mich krank. Meine Eltern sind geschieden und meine Mutter ist damals diejenige gewesen, die die Trennung wollte. Alle Kinder sind beim Vater geblieben, weil wir mit Mamas neuem Lebensgefährten nicht zurecht kamen (war wirklich ein Idiot). Das hat sie nie verkraftet. Dass sie ihre Kinder zurücklassen musste.
Nun schreibt sie DURCH ihre Krankheit ist alles wieder gut. Wir sind im letzten Jahr zusammengerückt und ganz eng geworden, unser Papa inklusive. Aber dachte sie, das ist jetzt richtig so und darum ist sie krank geworden? Damit sie, die die Familie damals getrennt hat (was ja auch Blödsinn ist, denn dazu gehören immer mehr als eine Person) sie auch wieder zusammenführt?

Ich würde meines Lebens nicht mehr froh werden, wenn das ihre Gedanken gewesen sind. Oder auch die, dass sie eine schlechte Mutter gewesen sein soll.
Die Nachtschwester hat ja irgendwas von Rabenmutter gehört.... das beschäftigt uns alle noch jeden Tag.

So, verquer geschrieben, aber es tat gut, das mal rauszulassen.

Ich schick Euch liebe und schlaflose, heute aber mal wieder unendlich traurige Grüsse in den Freitagabend.

Eure Thessa
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Meine Mutter, ED 03/08 Adenokarzinom nicht operabel; T4N3M0.
Chemokonzept: seit 03/08 Carboplatin/ Vinorelbine, Umstellung aufgrund von Versagen von Carboplatin auf Taxotere am 22.07.08. Letzte Chemo am 27.11.08 - nun watch and wait.
14.01.: Lunge fast tumorfrei, multiple Hirnmetastasen, 10 Ganzhirnbestrahlungen ab dem 22.01.
am 09.02.2009 in unseren Armen eingeschlafen
1946 - 2009
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