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Alt 07.12.2012, 13:45
Irisa Irisa ist offline
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Beiträge: 60
Standard AW: Ich steh noch am Anfang

Liebe Maya,

Zitat:
Zitat von Maya60 Beitrag anzeigen
Mittlerweile hat auch eine zweite Freundin sehr merkwürdig reagiert, ich versteh es nicht,
<snip>
Vielleicht aus Hilflosigkeit, damit sie sich nicht mit mir befassen müssen?
"Vielleicht aus Hilflosigkeit": genau DAS ist es! Die Diagnose schockt in der Regel auch jeden Außenstehenden. Dazu kommt m.E. immer
die Angst, dass es jeden treffen kann, auch einen selbst.
Ich habe schon früh bemerkt, dass die Menschen aus meinem Umfeld nach "Fehlern" bei mir suchten, irgendetwas, das erkennen ließ,
ich hätte den Krebs zumindest teils selbst verschuldet. Das hat mit Selbstschutz zu tun. "Die hat immer soooo viel Kaffee getrunken!
ICH tue das nicht. Ich bleibe also gesund".
Es ist pure Angst, Maya, und hat überhaupt nichts mit Dir zu tun. Das macht es für Dich natürlich auch nicht unbedingt einfacher, aber
zumindest solltest Du den Grund für diese Reaktionen nicht bei Dir suchen.

Ich habe einige Kontakte einfach eine Weile ruhen lassen, und siehe da: mit etwas Abstand ging es dann wieder besser. Heute bemühe
ich mich, im Umgang mit Freunden den Krebs und alles was dazu gehört nicht allzu sehr zu thematisieren. Was natürlich nicht immer
klappt und gerade in der "Anfangszeit" kaum zu vermeiden ist, weil Dir ja kaum etwas anderes im Kopf umhergeht.
Aber irgendwann tut es auch DIR wieder gut, diesem verflixten Vieh einfach nicht mehr soviel Raum in Deinen Gedanken zu geben! Bis
dahin gehen aber leider noch einige Tage ins Land, denn derzeit musst Du Dich wirklich auf Deine Genesung konzentrieren und Dich
eben auch gedanklich mit dem Vieh beschäftigen.

Und JA, wir "Krebsmädels" werden nun einmal von Zeit zu Zeit überempfindlich. Mimosenhafte Sensibelchen, die ab und an jedes Wort
auf die Goldwaage legen. Und eine etwas harsche Bemerkung, die uns an einem Tag nicht sooo viel ausmacht, lässt vielleicht am
nächsten Tag unsere Welt einstürzen. Ist so. Krebs ist eben nicht mit Schnupfen zu vergleichen, Krebs geht auch an psychische Substanz.
Und diese Mimosentage sind auch mir, nach so vielen Jahren, leider erhalten geblieben. Doch heute weiß ich immerhin: die gehen vorüber.


Zitat:
Zitat von Maya60 Beitrag anzeigen
Das Tolle ist, das ich tatsächlich nur diese beiden Knoten habe links und alles nah beieinander, die andere Brust ist
frei und auch die Lymphknoten, das Ergebnis muss es wert gewesen sein, das durchgemacht zu haben.
Yesssss ... DAS ist die richtige Einstellung! Mit einer klitzekleinen Einschränkung: nicht "das Ergebnis muss es wert gewesen sein",
sondern "ist es wert"!



Zitat:
Zitat von Maya60 Beitrag anzeigen
Ich habe auch begriffen, auch mithilfe des Forums, das ich lebenslang krank bin/sein werde. Aber ist es nicht eine
Chance, das Leben genießen zu lernen?
Nunja, ich habe mir dafür meine eigene kleine Philosophie zurechtgelegt: Da nagt dieses Untier in mir, und dagegen muss ich nun definitiv
den Rest meines Lebens ankämpfen. Aber als "krank" verstehe ich mich nur zu Zeiten, in denen ich wirklich eingeschränkt bin. Also wenn
irgendetwas zwickt, oder kneift oder nervt. Soll heißen: An Tagen von Untersuchungen oder Therapien (z.B. Chemo): da bin ich "krank".
An beschwerdefreien Tagen bin ich "gesund".

Laut protestieren möchte ich jedoch gegen den zweiten Satz, den ich in diesem Forum für meine Begriffe schon viel zu oft gelesen habe.
Denn ICH habe mein Leben genossen, BEVOR ich Krebs bekam. Ich fand mein Leben gut, ich habe möglichst das Beste aus meiner
jeweiligen Lebenssituation herausgeholt, trotz einiger "Talfahrten". Und ich hätte diese schreckliche Krankheit wirklich nicht gebraucht,
um mir dessen bewusst zu werden.
Ich denke eher: Mein Leben ist immer noch gut, OBWOHL ich Krebs habe. Und das werde ich mir von dieser grauenhaften Krankheit
NICHT zerstören lassen!

Kopf hoch, Maya! Kehre die Krümelchen Deines Selbstbewusstseins zusammen und backe Dir daraus ein Neues. Ist vielleicht nicht so
elegant wie das alte, aber es reicht allemal, um dem Mistvieh Paroli zu bieten!
Und vielleicht sogar, um etwas Nachsicht gegenüber so einigen Mitmenschen zu üben, bei denen es mit der Empathie hapert ...

Iris
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