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Alt 18.12.2001, 14:02
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Standard Trauer - und kein Ende?!

Liebe Sandra,
ich kann Deine Angst Dein Leben nicht genutzt zu haben sehr gut verstehen.
Meine Familie gibt es nun nicht mehr, am 16.02.01 ist mein Vater an lymphatischer Leukämie innerhalb von 3 Wochen mit 59 Jahren gestorben und ich bin auch bis zum letzten Atemzug bei ihm geblieben. Es war mir wichtig, dass er nicht alleine von uns gehen muss (obwohl leider jeder doch allein stirbt, diesen Weg alleine geht, sobald er die Schwelle überschritten hat), die Geräusche und die gesamte Situation haben mich sehr lange verfolgt und manchmal habe ich gedacht, dass es vielleicht doch zuviel für mich gewesen ist, aber sein Wohl war mir wichtiger. (s. mein Beitrag unter. BRUSTKREBS---> TRAUERARBEIT)
Wir hatten eine ganz besondere Ausgangsbasis, da ich mein Leben lang (ich bin 37) auf der Suche nach seiner Liebe gewesen bin.Wenn ich an meinen Vater denke, dann steht das nun unweigerlich in direktem Zusammenhang mit seiner Erkrankung, da wir uns in den letzten 3 Wochen seines Lebens erst-und letztmalig so nah wie nie zuvor gekommen sind.Ich weiss mit dem Kopf, das es ein Geschenk war, dass wir doch zueinander gefunden haben, aber ich fühle mich vom Leben betrogen, weil dies "nur " 3 Wochen in unser beider Leben waren und mir bisher in meiner Familie alle Personen weggenommen wurden, die mir etwas bedeutet haben. Und immer war Krebs die Ursache...Ich habe lange versucht schwanger zu werden, aber ich denke meine unbewusste Angst , wie meine Mutter auch Brustkrebs zu bekommen (sie ist mit 50 Jahren gestorben und als es anfing war sie 35 Jahre) hat mich regelrecht "zu" gemacht.Ende letzten Jahres wollte ich es noch einmal mit intensiver medizinischer Unterstützung versuchen, denn viel Zeit bleibt mir ja nicht mehr, aber der Tod meines Vaters hat mich völlig aus der Bahn geworfen.
Ich fühle mich total entwurzelt!!!!
Es war mir wichtig, dass Papa bei mir in der Nähe auf dem Friedhof ist (wir wohnten in unterschiedlichen Bundesländern), aber ich erschrecke immer, weil ich mir einbilde, ich müsste mehr empfinden , wenn ich vor dem Grab stehe.Es ist mir sehr wichtig, dass dort alles in Ordnung ist und ich gehe auch jetzt noch 1x die Woche zum Friedhof, weil ich mich dazu auch irgendwie innerlich getrieben fühle, ich bin unruhig, wenn ich nicht dort gewesen bin. Aber wenn ich dann dort stehe, dann ist alles tot in mir.
Ich habe das ganz sichere Gefühl, dass Papa nicht dort unten ist, sondern mich umgibt und es gibt Momente, da fühle ich ganz intensiv, dass er um mich ist.Das tröstet aber nur kurzzeitig...
Noch immer stehen seine Sachen aus dem Krankenhaus in meinem Dachstudio und ich schaffe es einfach nicht, die Sachen auszuräumen...Ich habe das Gefühl, das ist eben das Letzte zu dem ich auch eine Verbindung herstellen kann, weil ich ihn in dem Bademantel dort gesehen habe, ihm in seine Hausschuhe geholfen habe...
Beim Tod meiner Mutter (1990) konnte ich 5 Jahre nicht darüber reden. Ich habe sehr viel von Elisabeth Kübler-Ross gelesen und das hat sehr geholfen, ich war auch in der Sterbebegleitung tätig, aber das habe ich dann doch aufgeben müssen, es war zuviel für mich.Das mein Vater so schnell und auch an Krebs sterben würde, hätte ich niemals gedacht und auch nicht, dass ich ihn in den letzten 3 Wochen mehr sehen würde , als in den letzten 9 Jahren... Und das erste Mal hat er Körperberührungen und meine Liebe zugelassen und hat auch mir gezeigt, dass auch er mich lieb hat. Hier liegt also das Schöne und das Schreckliche extrem dicht beieinander und das macht es mir so besonders schwer damit umzugehen, manchmal weiss ich nicht, ob ich das alleine schaffe, denn im Grunde ist man trotz Beistand von lieben Menschen mit der Trauer doch allein, man muss da seinen eigenen Weg finden, aber bis dahin ist bei mir noch ein langer Weg.
Besonders da sich so langsam (am 2. Feiertag) die Situation zum ersten Mal wieder jährt...
Ganz schlimm wird es ab 25.01. werden, da Papa da ins Krankenhaus eingeliefert wurde und ich dann von dort über seinen Gesundheitszustand informiert wurde und dann von null Kontakt auf 100 %Kontakt entstanden ist, weil ich dann sofort hingedüst bin...
Kannst Du Dir ein bisschen vorstellen, wie selig ich war, dass ich meinem Vater einen Wunsch erfüllen konnte, (er bat um kurzärmelige Schlafanzüge und ich bin voller Tatendrang losgedüst und habe ganz viele gekauft...)
Der Tod meines Vaters hat mich sehr verändert, die Entwicklung ist aber noch nicht abgeschlossen, ich bin irgendwie energischer geworden (vorher habe ich immer nach Führung gesucht, nun lasse ich mir nichts mehr sagen, ich bin nicht mehr bereit, andere für mich entscheiden zu lassen, auch wenn alles gutgemeint ist.Wer kann denn wissen, wie lange man auf dieser Welt sein wird ???
Das Leben kann so kurz sein...man muss das Schöne in den Vordergrund stellen, aber ich gebe zu, dass ich manchmal in ein sehr tiefes Loch falle, weil ich mich (voller Selbstmitleid ) frage, warum andere noch alle ihre Verwandten haben, mich frage, ob mein Leben anders gelaufen wäre, wenn wichtige Familienmitglieder noch leben würden, wenn man Antworten auf seine Fragen bekommen, etc...
Das wird natürlich auch durch entsprechende Artztermine verstärkt,weil seit diesem Jahr mein Gefährdungspotential einfach sehr gestiegen ist und die Ärzte sehr nachhaken. Zum Glück hat sich aber nach Hautentnahme nicht Böses herausgestellt (Hautkrebsbezogen).
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