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Alt 03.02.2002, 16:55
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Standard Trauer - und kein Ende?!

Liebe Katja,

nach recht langer Zeit habe ich mal wieder hier im Forum vorbeigeschaut und hoffe, daß Dich meine Antwort auf Dein Schreiben, das mich sehr berührt hat, noch erreicht.

Nach dem Tod meines Vaters habe ich auch viele Bücher gelesen. Kürzlich kam eine Freundin zu mir und fragte mich, ob ich nicht ein gutes Buch für sie hätte. Als ich dann nachschaute, was ich gelesen hatte, erkannte ich erstaunt, daß ich ihr nichts davon anbieten konnte bzw. wollte. Alles waren sehr traurige, düstere Krankengeschichten, oft ohne "Happy-End". Durch diese Bücher habe ich den Schmerz immer aufrecht erhalten, gerade verheilende Wunden wieder aufgerissen. Heute denke ich, daß ich Angst hatte, daß nach der Zeit der Trauer das Vergessen einsetzt und ich habe mich verzweifelt versucht dagegen zu wehren.

In der Zeit als mein Vater krank war, bin ich ihm auch sehr nahe gekommen. Ich habe es auf eine Art auch genossen, von ihm gebraucht zu werden und für ihn da sein zu können. Das Leuchten in seinen Augen, wenn ich ins Krankenhaus gekommen bin werde ich wohl nie vergessen. Ein Zeichen des "Erkennens" zu einer Zeit, wo er schon lange aufgehört hatte zu sprechen.

Ich glaube, daß sind auch die Momente, die man sich im Herzen aufheben muß - diese Momente unendlicher Liebe und Nähe, ja auch des Glück inmitten von Schmerz und Kummer. Von den anderen müssen wir uns wohl versuchen zu lösen und uns freimachen für unser eigenes Leben, sonst wird man selbst zu einer "Schattengestalt".

Wenn ich zum Friedhof gehe, habe ich noch heute ein komisches Gefühl, daß ich kaum beschreiben kann. Manchmal habe ich so große Sehnsucht nach ihm, daß ich kaum aushalten kann zu seinem Grab zu gehen, um ihm nahe sein zu können. Manchmal gehe ich hingegen zum Friedhof und empfinde gar nichts, danach geht es mir dann schlechter als vorher, weil ich mir bittere Vorwürfe mache und mich schrecklich schäme ...

Oft wünschte ich mir, daß mir mein Glauben mehr Halt gegeben hätte aber leider habe ich dort überhaupt keinen Halt gefunden. Auch wenn es ungerecht erscheinen mag - ich war zu wütend, um zu beten und bin es oft auch heute noch.

Liebe Katja, ich wünsche Dir, daß auch Du einen Weg aus der Trauer findest und Menschen hast, die Dich auf diesem Weg begleiten. Laß nicht zu, daß Angst und Traurigkeit Dein Leben auffressen - es hält viel zu viele schöne Überraschungen bereit -auch für Dich! Es gibt immer wieder Höhen und Tiefen, daß wichtigste ist wohl, daß man lernt darüber zu reden, Gefühle auszudrücken und sie zuzulassen. Das ist nicht immer einfach und tut auch oft weh aber es ist wohl die einzige Möglichkeit damit fertig zu werden.
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