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Alt 26.06.2014, 16:02
Voluntas Voluntas ist offline
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Standard AW: Kein Erfolg der 1. Chemo - Erfahrungen

Hallo nasaido,

vor einem Jahr sahen wir uns leider mit einem ähnlichen Szenario konfrontiert.
Mein Vater bekam im Januar 2013 ebenfalls die Prognose DLBCL im Stadium IIb mit einem IPI-Score von 1.
Er bekam ebenfalls eine Chemotherapie nach dem R-CHOP-21 Schema. Nach Feststellung einer partiellen Remission nach dem dritten Zyklus wurde geplant, acht vollständige R-CHOP-Zyklen zu verabreichen. Nach dem sechsten Zyklus wurde dann im Mai ein fortschreitendes Wachstum der Lymphknoten festgestellt.

Du siehst, ich bin auf ähnlichem Wege wie du in diesem Forum gelandet und habe glücklicherweise viele liebe Worte, interessante Informationen und wichtige Tipps erhalten. Ich hoffe, ich kann dir im Folgenden mit dem was ich mittlerweile weiß helfen.

Als erstes sage ich dir das Allerwichtigste: Eure Situation ist nicht ausweglos, ihr könnt es schaffen und deine Mutter kann wieder ganz gesund werden. Die Chance darauf besteht definitiv. Deswegen: Kopf hoch!
Mein Vater befindet sich 13 Monate nach Therapieversagen in anhaltender vollständiger Remission!

Die Therapie, die mein Vater erhalten hat, bestand aus drei weiteren Chemotherapien. Im wurden zwei Zyklen nach dem R-DHAP Schema appliziert und darüber hinaus bekam er eine Hochdosischemotherapie nach dem R-BEAM Schema mit anschließender autologer Blutstammzelltransplantation. (Unsere gesamte 'Geschichte' findest du übrigens im Thread 'Wir holen Papa da raus!')

Unser Weg ist allerdings nur ein Weg, den man zur Behandlung von therapierefraktären DLBCL einschlagen kann. Ein paar andere Möglichkeiten wurden in den vorherigen Postings schon angerissen.

Am Anfang steht die Frage, ob die Therapie mit Absicht auf Heilung durchgeführt wird oder palliativen Charakter besitzt.
Wenn das Ziel die Heilung/dauerhafte Zurückdrängung des Lymphoms ist, so besteht der nächste Schritt aus der Durchführung mehrer Zyklen einer Induktionschemotherapie/Salvage-Therapie. Diese wird wie der Name schon sagt zur Remissionsinduktion durchgeführt, um eine möglichst günstige Ausgangslage für eine anschließende Stammzelltransplantation zu schaffen, ganz egal ob autolog oder allogen (eigene oder fremde Zellen).
Für die Induktionszyklen wird man stationär aufgenommen, da diese Therapieregimen wesentlich intensiver wirken als R-CHOP und das Immunsystem wesentlich stärker schädigen, d.h. die Leukozyten erreichen häufig einen Wert nahe null. Bis das Blutbild sich einigermaßen erholt hat dauert es oft einige Tage. Die Leukozytenbildung wird während dieser Zeit mit einer Injektion (Wachstumsfaktoren/G-CSF) angeregt/beschleunigt. Die Chemo selbst wird über mehrere Tage meist überwiegend intravenös verabreicht.

Als Salvageregimen stehen mehrere Therapieprotokolle zur Verfügung, die geläufigsten sind die R-DHAP/DHAX/DHAOx, R-ICE und R-ESHAP. Als ebenfalls wirksam haben sich auch R-ASHAP, R-Benda, R-GemOx u.a. erwiesen. Welche Therapie im Einzelfall durchgeführt wird, entscheiden die behandelnden Ärzte, denn diese können am besten beurteilen, welches Protokoll möglicherweise am wirksamsten ist. Warum ich so viele verschiedene Protokolle aufzähle? Weil ich dir damit zeigen will, dass es immer noch Therapiemöglichkeiten gibt, falls der erste Salvageversuch nicht (ausreichend) wirksam ist. Und dieses Wissen hat mir persönlich sehr geholfen, ein bisschen mehr die Ruhe zu bewahren. Auch wenn das mit der Ruhe in so einer Situation so eine Sache ist, ich weiß es leider..

Nach dem ersten Zyklus wird ein CT durchgeführt, um über das Ansprechen auf die Therapie urteilen zu können und das weitere Vorgehen zu planen.
In der Regel werden zwei oder drei Induktionszyklen durchgeführt. Währenddessen werden eigene Stammzellen gesammelt (Stammzellapherese) und/oder die Suche nach einem passenden Fremdspender eingeleitet.


Das ist - etwas umfangreicher beschrieben - der nächste Schritt, der auf euch zukommt. Warum ich so viele Fachbegriffe aufführe? Damit in den kommenden Wochen viele Begriffe nicht ganz unbekannt sind. Mir hat es sehr geholfen, wenn ich dank dieses Forums und eigener Recherche wusste worüber die Ärzte reden.
Für den Fall, dass du selbst noch recherchieren möchtest, helfen dir die Begriffe 'refractory DLBCL', 'salvage therapy', 'dlbcl relapse treatment'.

Mein Vater wurde übrigens in enger Abstimmung mit der Universitätsklinik Münster behandelt. Falls ihr sie noch nicht eingeholt habt, so ist vielleicht eine Einschätzung einer solchen Universitätsklinik nicht verkehrt; gerade im Hinblick auf die eventuelle allogene Stammzelltransplantation oder Studienteilnahme. In eurer Nähe befindet sich zum Beispiel das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).


Ich beende meinen Roman nun und hoffe, dir etwas geholfen zu haben. Du darfst mir sehr gerne private Nachrichten schreiben oder fragen hier stellen, wenn du magst. Es gibt hier sehr viele kompetente Foristen. Allerdings möchte ich auch noch einmal betonen, dass wir alle keine Ärzte sind und natürlich auch keine Empfehlungen abgeben können. Auch wenn viele von uns eine Menge gelesen haben, macht uns das noch längst nicht zum Arzt.

Ich wünsche euch und vor allem deiner Mutter alles Gute!
Und so wie Dirk (Sello) es hier schon oft gesagt hat, die Parole lautet: Niemals aufgeben!

Voluntas
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Papa - 56 Jahre - DLBCL 01/2013, R-IPI: 1 (LDH)
02/2013 - 05/2013 6 x R-CHOP 21 - Refractory/Progressive Disease
06/2013 - 07/2013 2 x R-DHAP - PR (90%)
09/2013 - 10/2013 HD R-EAM + ASCT - CR
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