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Alt 23.06.2003, 12:33
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Standard mutter mit 9 verloren

Hallo Christiane

wollte Dir schon die ganze Zeit etwas dazu schreiben. Muß aber zugeben, es fällt gar nicht so einfach. Denn ein Teil Deines Beitrages kenne ich nur zu gut...
Ich selber war zwar schon 19 Jahre alt !! als zuerst mein Bruder mit 20 Jahren und dann meine Mutter auf den Tag genau 1 Jahr später ( der Krebs brach wohl wegen der übergrossen Trauer über mein bruder aus) starb. Meine beiden jüngsten Geschwister aber waren erst 11 und 12 Jahre alt. Irgendwie mußte ich dann eben besonders stark sein, weil ich irgendwie versuchen wollte - meinen Geschwistern soviel Halt zu geben, wie es in so einer Situation halt nur möglich ist. Durch diese Geschehnisse brach aber alles, was man überhaupt noch Familie nennen konnte - komplett auseinander. Mein Vater fing einfach ein neues Leben an - mit neuer Frau ( was okay gewesen wäre, wenn er seine beiden jüngsten Kids nicht einfach im Regen hätte stehen lassen).
Die Zeit, wo sie noch bei ihm gewesen sind, waren mehr als hart für die beiden... Kurz nach dem Tod meines Bruders zog ich (ich war mit 18 ausgezogen ) auf Wunsch meiner Mutter wieder nach Hause zurück. Sie brauchte Hilfe - meine Geschwister brauchten Hilfe. Ich war die älteste - also gabs keine andere Entscheidung für mich.
Mit meinem Vater war einfach nicht zu rechnen - er rannte der Situation einfach weg, ohne sich einmal nach hinten umzudrehen und mal zu sehen, was seine Kinder machen.
Und ja, ihm bin ich böse - vor allen Dinge, weil er auch Jahre später auch nur einmal bereit gewesen ist, über diese Zeit zu sprechen.
Im Gegenteil, er wunderte sich, warum ihn seine "Kinder" in Stich gelassen haben - und seine Dritte Frau später war sauer, das keiner ihr bei der Pflege ( er starb vor 7 Jahren an Krebs und div. Schlaganfällen) meines Vaters helfen wollte. Warum auch? Hört sich böse an. Alle meine Versuche in 20 Jahren mit ihm zu reden wiegelte er mit wirklich bitterbösen Briefen an mich ab.
Heute kann ich ihn ruhen lassen. Habe aber auch überhaupt kein Bedürfnis irgendwann einmal sein Grab zu besuchen. Er soll seine Ruhe und seinen Abstand zu seinen Kids behalten - er hat es sich selbst so ausgesucht.

ich habe meine beiden Brüder so gut ich konnte dabei geholfen, erwachsen zu werden. Die Schule zu ermöglichen - sie sind bei mir aufgewachsen. Als ich 26 Jahre alt geworden bin, war der jüngste endlich 18 Jahre alt - und ich war am Ende. Hat sich kein Mensch für interessiert. Habe die Mitter gepflegt, bis zu ihrem Tod; habe versucht für die jüngsten geschwister grosse Schwester und ein bissle Muttererstaz zu sein ( was aber ja gar nicht geht) Beide haben später Jahre gebraucht - aber sie haben es geschafft. Haben irgendwann ihre eigenen kleinen Familien gegründet.
Ja, auch ich habe sicherlich vieles gesagt und getan, was ich nicht hätte tun sollen Christine. Es ist auch die Hilflosigkeit in so einer Situation. Es mag sein, das Du Deiner Mutter gewisse Dinge nicht so sagen konntest, wie Du eigentlich wolltest. Mag auch sein, das Du ihr in gewisser Form Sachen an den Kopf geworfen hast, die Du heute bereust. Tue ich auch Christiane. Ich schäme mich für einiges, was ich gesagt habe...

aber weißt du was? irgendwann einmal habe ich begriffen, das meine Mutter mir ganz bestimmt schon lange diese Sachen verziehen hat. Die einzige, die sich nicht verzeihen konnte, war ich mir selber.

Wann bitte Christiane bist Du bereit Dir zu verzeihen?

Und -du hast ein Recht darauf, als Kind mal etwas falsches zu sagen - gesagt zu haben. Es ist die Zeit, wo wir lernen. Wenn alle Kinder als Erwachsene, mit dem Wissen eines Erwachsenen auf die Welt kämen, wäre das Leben ganz schön langweilig.
Was die Trauer angeht, gebe ich Dir Recht. sie wird deswegen größer von Jahr zu Jahr, weil Du ganz sicher weder mit Dir noch mit Deiner Mutter Freiden schließen konntest.

Ich bin mit 26 Jahren aus meiner Heimstadt weg - und bin erst vor 3 Jahren das erste mal auf Besuch wieder zurück. Hab also auch vor dem Tod meines Vaters nie wieder Kontakt zu ihm gehabt - ausser ein paar Briefe, wo es den versuch gab wieder Kontakt aufzunehmen, von meiner Seite aus.

Ja, ich lebe jetzt in Ruhe hier. Brauche kein schlechtes gewissen zu haben.

Weißt du, wann ich das gemacht habe? Erst vor 2 Jahren - ich war in einer stationären Therapie. Dort erst habe ich mich von meiner Mutter und meinem Bruder verabschieden können, und erst seit dem bin ich mein Schuldgefühl los.
Ja, auch von meinem Vater habe ich mich verabschiedet - nicht so, wie von den anderen Beiden.

Es gibt Möglichkeiten auch Für Dich es ähnlich zu machen Christiane. Inform einer Therapie z.B. um alles aufzuarbeiten.
Du hast Recht, das andere 20jährige sicherlich nicht unbedingt über das Thema Tod auseinandersetzen wollen. Aber es gibt sicherlich viele 20 jährige, die ähnlich eErfahrungen haben wie Du. Vielleicht gibts ne Selbsthilfegruppe in Deiner Nähe. Nur damit Du auch eine Plattform von Gleichaltrigen hast, über das Thema zu sprechen.

Wünsche dir alles Gute...

elisabeth
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