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Alt 14.04.2003, 22:37
Gast
 
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Standard schlimme gedanken

Liebe Jutta,
liebe Brigitte,
vielen Dank für eure lieben Worte. Es tut einfach nur gut, Verständnis zu bekommen. Ja Jutta, ich denke auch, dass mein Vater es in der "neuen Welt" nicht einfach haben wird. Ich bin überzeugt davon, dass er "so einfach" nicht davon kommen wird und dass er sich seinem Verhalten in irgendeiner Form wird stellen müssen. Und da kann er dann nicht mehr davon laufen.

Zum Thema Freundschaft: Brigitte, Deine Worte haben mich so zum Nachdenken gebracht, dass ich sogar heute im Büro eine Diskussion zu diesem Thema angefangen habe. Ich denke, dass jeder Mensch einmal ein die Situation kommt, wo er feststellt, welches die "wahren" Freunde sind.
Aus Deinen Worten höre ich große Enttäuschung heraus. Ich habe in meiner Situation auch festgestellt, dass Menschen, die ich für Freunde hielt, damit überhaupt nicht umgehen konnten. Ich hatte den Eindruck, dass Freunde, die noch keine Krisen oder schwierige Zeiten erlebt haben, sich kaum einfühlen konnten.

Eigentlich ist die Sache doch ganz einfach. Wenn ich jemanden mag oder lieb habe, dann stehe ich an seiner Seite, egal was los ist. Das würde ich auch erwarten. Wenn das nicht funktioniert gehe ich für meinen Teil davon aus, dass die Beziehung wohl doch nicht so tief ist, wie ich es mir gewünscht hätte. Und das tut weh. Man kann es nicht ändern und muß für sich entscheiden, ob man sich besser trennt und vielleicht viel Schmerz erspart. Und dafür mehr Energie und Offenheit für die wirklich Freunde haben kann.

Liebe Kerstin,
Deine Geschichte erinnert mich auch ein bißchen an mein Verhalten. Ich war bei der Krankheit meines Vaters auch diejenige, die meistens angerufen hat, Informationen gesammlt hat und ihm zur Seite stehen wollte. Ich hab meinem Vater sogar mal ein Buch über Spontanheilungen geschenkt, was mich sehr fasziniert hatte. Er hat sich darüber sehr aufgeregt, mit der Begründung, den Patienten würden falsche Hoffnungen gemacht werden...

Mir ging es auch so, dass ich anfangs dachte, ich müßte jetzt die "gute Tochter" sein und ihn unterstützen und meine Verletzungen vergessen im Angesicht der Krankheit. Aber ich hab schnell festgestellt, dass das alles nur sehr einseitig war. Ich hatte eher das Gefühl, dass ich ihm meine Hilfe nur aufdränge bzw. ich mich aufdränge. Er wollte das gar nicht, was er aber natürlich nie zugegeben hätte.
Ich hab ihm dann diesen Brief geschrieben mit der Bitte, ehrlich zueinander zu sein und Dinge zwischen uns zu klären - was da passierte, hab ich ja weiter oben schon beschrieben. Ich konnte machen was ich wollte, ER wollte eben nicht.

Was soll ich Dir raten? Man kann nicht verzeihen, wenn die Zeit noch nicht reif ist. Und die Krebserkrankung bedeutet nicht, dass Du verzeihen musst. Vielleicht solltest Du ihm sagen oder schreiben wie sehr er Dich verletzt hat. Dann hörst Du ja, was er dazu zu sagen hat. Es ist aber genauso ok, wenn Du Dich nicht bei ihm meldest. Er hat ja genauso die Möglichkeit, die Situation zu klären. Ich finde nicht, dass Du die Zeit verschenkst. Es ist auch seine Zeit, die er verschenkt. Lass Dich durch die Krankheit nicht unter Druck setzen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich Liebe und Zuneigung der Eltern nicht erzwingen lässt, da kannst Du machen was Du willst.
Wichtig ist, dass Du an Dich denkst, dass Du Dir gutes tust und Dich mit den Menschen umgibst, die Dich so mögen wie Du bist. Du hast ein Recht darauf.
Ich wünsch Dir, dass Du ein wenig innere Ruhe findest und Dich nicht zu sehr quälst.
Fühl Dich umarmt.
Conny
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