Thema: Und nun?
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Alt 05.10.2005, 09:51
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Und nun?

Guten Morgen Andrea u.alle anderen

<<Warum Freunde die Situation nicht verstehen können, ist mir ein Rätsel<<

Weil man es wahrscheinlich tatsächlich nicht kann, bevor man es nicht fühlt. Ich selbst hatte mich immer für sehr einfühlsam empfunden, dachte, dass ich wirklich wüsste, was es bedeutet, z.B. als meine Freundin ihre Mama verloren hatte. Ich war fest davon überzeugt. Heute weiß ich, dass ich es nicht einmal erahnt habe, WIE WEH es tut. Wenn man sagt, die Zeit heilt die Wunden, ist wahrscheinlich auch damit gemeint, dass man im Laufe der Zeit, wenn man bereits einen gewissen Weg durch die Trauer hinter sich gebracht hat, den Blickwinkel verändern kann. Man lernt zu verstehen. Mit dem Annehmen kommt auch die Bereitschaft, dem Umfeld sein Handeln zu verzeihen, zu begreifen, dass sie gar nicht anders können.

Mein Mann war noch keine Woche beerdigt, das kam eine Verwandte, deren Ehemann sie gerade wegen einer Älteren (was natürlich noch mehr am Ego kratzt) verlassen hatte. Ich hatte den schmerzlichen Weg gerade erst begonnen, war im Wechsel zwischen Erstarren und Zusammenbruch. Und in diese Verzweiflung sagte sie zu mir: Ich wollte, mein Mann wäre tot. Dann wüsste ich wenigstens, wo er ist. Damals war es ein Schlag ins Gesicht, so heftig, dass ich nicht einmal reagieren konnte. Heute, mit Abstand, wenn ich diese Zeilen lese kann ich Dank meines Galgenhumors sogar darüber schmunzeln. Allerdings mischt sich auch ein wenige Verständnis darunter, denn ich glaube zu wissen, was sie meint. Ich hätte zwar lieber, mein Mann hätte eine Freundin, dann hätten wir beide wenigstens eine reelle Chance gehabt... Dennoch bleibt mir eines und das ist die Gewissheit, dass mein Mann mich geliebt hat, dass er mich nicht verlassen wollte und dass er noch heute bei mir wäre, hätte er die Wahl gehabt. Und dieses Wissen um seine Liebe, gibt mir einen gewissen Seelenfrieden. Das Schicksal nicht er hat es so gewollt wie es jetzt ist.

Das andere ist das Eingestehen, dass man selbst, würde der geliebte Mann noch leben, wohl auch nicht so reagieren würde, wie es vielleicht gut wäre für die Betroffene im Umfeld. Der Alltag holt einen ein, ich hätte keine Zeit, ständig nach meiner verwitweten Freundin zu fragen, denn da wäre mein Leben mit meiner Familie, mein Alltag, mein Mann, der meine Zuwendung und Aufmerksam bräuchte. Ich verstehe es, wirklich, aber noch nicht sehr lange. Außerdem ist es irgendwie auch gut und es sei jedem Noch - nicht -Betroffenen vergönnt, dass sich das Mitleiden in Grenzen hält. Man kann nicht die ganze Last der Welt auf den Schultern tragen, denn eines Tages, und darin steckt dann wieder ein wenig Gerechtigkeit, trifft das Schicksal jeden auf die ein oder andere Art, und dafür braucht man Kraft, sehr viel Kraft.

Mir ist es wichtig, Klarheit zu haben. Ich verurteile wirklich niemanden, der nicht kann wie es schön wäre, dass er könnte. Ich habe kein Problem mehr damit "auszusortieren" ohne nachtragend zu sein. Im konkreten Fall bei mir war es ein Ehepaar, von dem ich niemals gedacht hätte, dass es sich von mir zurückziehen würde. Ich war anfangs verletzt, dann änderten sich meine Gedanken wie oben beschrieben und ich fragte mich, ob es nicht doch auch an mir liegen könnte. Bin ich denn auf sie zugegangen und habe gesagt, wie es mir geht, und dass sie mir fehlen? Nein, das hab ich nicht. Ich habe erwartet. Deshalb habe ich sie nun eingeladen, den ersten Todestag mit uns zu verbringen, als Freunde. Ich habe formuliert: Ich hätte euch an diesem Abend gerne bei mir. Gestern kam die Absage, fadenscheiniger Grund. Aber es ist ok. Somit kann ich guten Gewissens einen Haken dran machen. Ich bin nicht böse, nicht einmal mehr entsetzt. Es ist ok aber nicht schlimm.

Und was das Begreifen der Worte, es ist gut, dass es so schnell gegangen ist, betrifft, so muss man einfach sehen, dass es nur der Egoismus anders sehen kann, nur meine Selbstsucht, mein inniger Wunsch, meinen Mann weiter bei mir zu haben könnte wollen, dass er so krank wie er nun einmal leider wurde, noch leben würde. Auch ich gönne es ihm. Auch ich bin heilfroh, dass sein letzter Weg relativ gut und vor allem gnadenvoll schnell zu Ende war. Nur die Menschen, die wirklich lieben, werden das jemals begreifen. ...

Mein Gott, ich bin wirklich eine richtige Quasseltante....und noch längst nicht durch....

LG
Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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