Thema: Und nun?
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Alt 05.10.2005, 14:26
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Lady Molly Lady Molly ist offline
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Standard AW: Und nun?

Hallo,

nun schreibt die nächste Quasseltante und ich habe endlich die Smilieseite entdeckt

Liebe AndreaS,

deine Satire gefällt mir, ich habe herzlich gelacht. Punkt 3 ist mit Abstand der beste. Vielen Dank!

Ich möchte dazu dann auch gleich die Frage von AndreaM (hallo, liebe Andrea) beantworten, gut das ihr beide noch ein Buchstabenanhängsel habt.

Ich habe keine Schuldgefühle, weil ich froh bin das mein Mann nicht länger mit der Krankheit hatte. Ohne Krankheit hätte ich ihn natürlich gerne behalten, aber mit? Er hatte seit April zunehmende Schmerzen. Mir sagte mal ein Arzt die Dosis Morphium die er nimmt würde mich sofort umbringen und unser Hausarzt "meckerte" über die hohe Dosierung, denn Leber, Nieren, keine Ahnung was alles könnten davon geschädigt werden. (Seht ihr die Ironie darin? Hausarzt macht sich bei Patient mit begrenzter Lebenserwartung Gedanken über die noch nicht beschädigten Organe und nimmt lieber in kauf das der Patient in den Wochen die ihm noch bleiben Schmerzen hat die den Patient an jeder Tätigkeit hindern und die Tränen in die Augen treiben. Also mein Mann und ich fanden das recht ironisch/witzig. Ich denke so manche Sprüche die wir ausgetauscht haben sind mehr als makaber gewesen. Heute meine ich, dass unser Hausarzt einfach mit dem rasanten Fortschreiten der Krankheit überfordert war, nicht in seiner Arztkunst, sondern menschlich. Wie sollte er uns gegenüber treten, wenn wir unangenehme Fragen stellen?)
Als die Schmerzen im Griff waren, kam die Atemnot, laufend das Punktieren. Es war eine Qual manchmal 5 Stunden unterwegs zu sein um 20 Minuten "Flüssigkeit abzulassen". Der Tag war gelaufen, mein Mann fix und fertig, ich auch. Ausserhalb der Wohnung ging schon lange alles nur mit Rollstuhl, in der Wohnung ging mein Mann nur zur Toilette und ins Bett.
Das alles mit dem Tod vor Augen. Ich wäre nicht traurig gewesen, wenn wir mit dem Auto einen Unfall gehabt hätten und alles zu Ende gewesen wäre.
Wir alle standen unter einer enormen Belastung. Die Kinder, die Angehörigen, mein Mann und ich, jeder auf seine Art und auch wenn man wirklich bis zum Ende im Herzen hofft das ein Wunder geschieht, sieht der Verstand was die Wirklichkeit ist. Wir haben unsere Sache gut gemacht, Kräfte entwickelt, alles wie es kam bewältigt und angenommen (mal besser, mal schlechter). Hier setzt wieder das Problem ein das viele Menschen mit Abwesenheit geglänzt haben und sie hinterher nicht verstehen warum es richtig war das genau der Tag der bestimmte Tag war. Es war genug, es war alles gesagt und getan, wir waren am Ende unserer Kräfte, es war Zeit. Ich bin nun noch dankbar dafür wie alles gepasst hat. Ich weiss nicht, ob Gott, das Schicksal oder mein Mann selbst etwas steuern konnte, aber ich weiss, das es gut so war.
Ich hätte mir gewünscht mein Mann darf entschlafen, so einfach wurde es uns nicht gemacht, aber auch diese letzten gemeinsamen Minuten waren uns genau so bestimmt. Woher ist das weiss? In dieser Zeit wollte jemand vom Hospizdienst uns kennen lernen und ich hatte das abgelehnt und auf einen anderen Termin verschoben, ohne wirklichen Grund, sondern weil ich innerlich wohl wusste heute ist es soweit.

Bin ich nun aber ganz vom Thema abgekommen. Zum Glück, denn da ist sie wieder meine Kraft. Das Sterben meines Mannes war eine wunderschöne Erfahrung für mich (denkt euch was ihr wollt bei den Worten) und ich glaube es sollte so sein wie es ist, auch wenn ich den Sinn dahinter nicht sehen kann. Jeder (in unserem Umfeld) hatte die Chance mit uns zu reifen oder wegzulaufen. Wir haben fremde Menschen mit unserem Schicksal berührt und ich bin arg bescheuert, wenn ich das nun alles vergessen habe.

Ich will die Lücke die mein Mann hinterlassen hat füllen, ob in meinem Herzen, bei den Kindern oder bei anderen Menschen. Natürlich kann ich das nicht oder nur in geringen Maßen, aber ich will es trotzdem so gut wie möglich, denn ich habe durch meinen Mann gelernt das es wichtig ist zu geben, ob durch handfeste Hilfe oder durch ein Gespräch. Er war oft für andere Menschen da und manchmal war ich böse darüber, denn die Zeit fehlte der Familie. Heute weiss ich das es seine Art war sein Leben sinnvoll zu leben und das ist doch das Wichtigste. Ausgefüllt zu leben. Man kann auch auf 90 Jahre zurück blicken und weniger Liebe und Freude erlebt haben als andere in 40 Jahren. Das wollte ich nicht und ich bin sehr sicher das es nach unserem Tod in einer besseren Form weiter geht.

Ihr habt auch Recht, denn wenn ich noch nie mit der Trauer in Berührung gekommen wäre, würde mir eine Witwe zwar sehr leid tun, aber ich konnte ihren Verlust nicht erfassen und würde ihr mit Sprachlosigkeit begegnen.
Aber trotzdem würde ich keine Ausrede erfinden, wenn sie Hilfe braucht.
Habe ich keine Lust, sage ich das auch. "Wie? Jetzt gleich? Ich habe jetzt keine Lust!" Je nachdem wie wichtig die Sache ist bewege ich mich dann doch oder bespreche einen Termin. Sage ich, ich habe keine Zeit zu dem Termin, habe ich wirklich keine Zeit und kann es auch nicht ändern.
Kann ich etwas nicht und soll trotzdem helfen, warum nicht? Kann doch nur lustig werden, ich habe doch vorher gewarnt das ich Unwissend bin.
So habe ich aber auch schon reagiert bevor mein Mann krank wurde und erwarte das mir gegenüber andere genauso ehrlich sind. Ich kann mit einem: "Draussen regnet es und ich habe keine Lust!" besser umgehen als mit einer langen Entschuldigungsrede die fadenscheinig ist.

Heute geht es mir besser, ich kann wieder akzeptieren warum Menschen so sind wie sie sind und auf mich und die Kinder schauen ohne mich über andere zu sehr zu ärgern. Leider löst das nicht alle Probleme, aber was ich die letzte Woche gefühlt habe, möchte ich nie wieder erleben. Sowas von Zerissenheit, einfach schlimm. War das so ein berühmtes, mir oft angekündigtes Trauerloch?

Heute ist mein Mann auch genau zwei Monate tot. Am 5.8. musste er gehen.
So vieles hat sich geändert und doch ist nichts passiert. Jeder Tag hat noch 24 Stunden die ausgefüllt werden, mal besser, mal schlechter. Ich bin wirklich gespannt an welchem Punkt ich in 10 Monaten stehe. Es ist wie eine Reise im Blindflug, denn mein Steuermann fehlt und kann nicht ersetzt werden.
Also muß ich selber steuern lernen.

Liebe Grüsse,
Susanne
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