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Alt 01.02.2013, 04:10
Philanthrop Philanthrop ist offline
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Registriert seit: 30.01.2013
Ort: Saarbrücken
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Standard Das Ende des Weges ist in Sicht

Hallo an alle,

habe bisher als stiller Beobachter in einigen Foren gelesen. In einigem habe ich unsere Situation erkannt, in anderen konnte ich nicht verstehen wie Kranke und Betroffene bzw. Angehörige in dieser Situation behandelt oder allein gelassen werden.

Nun aber zu unserer Situation:

Vor fast 18 Jahren verloren wir unseren Vater durch Lungenkrebs. Seinem Wunsch entsprechend gaben wir, meine Mutter (heute 75jahre), ich (54 Jahre) und meine 4 Geschwister (52, 50, 44 und 38 Jahre) ihm die Möglichkeit zu Hause zu sterben.
Ohne zu wissen auf was wir uns einließen und nur betreut durch einen normalen Hausarzt. Von der Diagnose bis zu seinem Tod vergingen 6 Monate, wobei er in den letzten 4 Wochen Betreuung brauchte. Diese 4 Wochen kosteten unheimliche Kraft, weil wir in keinerlei Hinsicht Hilfe hatten und auch nicht wussten, was auf uns zukommt. Nach vielen Auf- und Ab ist unser Vater an einem sonnigen Junitag friedlich entschlafen.

Im Herbst 2010 wurde bei meiner Mutter ein Gallengangkarzinom festgestellt. Noch ganz am Anfang. Die Operation gelang und alle weiträumig entfernten Lymphknoten waren ohne Befund, ebenso wie die Leber.
In einer der nachfolgenden Routineuntersuchung wurde im Dezember 2011 Erhöhung der Tumormarker festgestellt und in einer weiteren Untersuchung Befall der Leber mit 2 relativ kleinen Tumoren (2 und 4 mm). Von Januar bis Juni 2012 machte sie eine Chemotherapie. Diese vertrug sie sehr gut und fast ohne Nebenwirkungen, von gelegentlicher Übelkeit und Appetitlosigkeit abgesehen. Bis auf die erste. Durch ein Medikament in der Therapie und dem dadurch fälligen schnellen Nachspülen für Leber und Nieren wurde ihr Herz zu stark belastet. Durch Umstellung konnte aber auch das bei weiteren Behandlungen vermieden werden.
Zum Schluss der Chemo waren die Werte der Tumormarker von anfangs fast 10 000 auf 250 gefallen.
Durch diesen Befund gefestigt warteten wir auf die nächste Untersuchung. In der Zwischenzeit hatte meine Mutter nur das Problem, dass ihr alle Gelenke weh taten und sie sich kaum bewegen konnte. Dafür bekam sie Schmerzpflaster und Tabletten, mit denen es ihr besser ging.
In der 1. Nachuntersuchung im September 2012 wurde eine minimale Erhöhung der Tumormarker festgestellt. Die wurde einer Erkältung zugeschrieben die sie zu dieser Zeit hatte und welche das Ergebnis oft beeinträchtigen können.
Im November 2012 waren wir mit ihr im Krankenhaus zur Untersuchung, weil sie Angst hatte einen Herzinfarkt zu bekommen. Dies war Gott sei dank nicht so.
Am 10.12.2012 wieder zur Untersuchung im Krankenhaus, da sie Angst hatte einen Darmverschluss zu bekommen. Auch dies bestätigte sich nicht. Durch die Morphium-Schmerzpflaster wird die Darmtätigkeit eingeschränkt, was aber durch entsprechende Mittel behoben werden kann. Stutzig machte mich nur, dass die behandelnde Ärztin länger als gewöhnlich per Ultraschall die Leber betrachtete. Sie sagte aber nichts dazu. Da wir 7 Tage später sowieso die 2.Nachuntersuchung hatten fragten wir auch nicht nach.
Am 17.12.2012 war dann diese Untersuchung. Ohne weitere Untersuchungen wurden wir direkt zu ihrem Arzt gerufen. Der kam sofort zur Sache. Er legte uns die Ergebnisse der Blutuntersuchungen vom 10.12.2012 vor. Hier war zu ersehen, dass die Werte der Tumormarker extrem erhöht waren, mehr als zu Beginn der Chemo. Er erklärte um genaueres festzustellen müsste sie ins MRT. Dies lehnte meine Mutter ab. Sie hatte schon immer Probleme damit. Immer musste jemand von uns anwesend sein um ihre Angst zu lindern. In dem neuen MRT wird man richtig eingekeilt, so dass man wirklich sich gar nicht mehr bewegen kann. Eine Untersuchung damit hatte sie schon mitgemacht. Diese wurde wegen einer Angstattacke abgebrochen.
Der Arzt erklärte die Möglichkeit einer weiteren Chemo. Diese würde auf Verdacht gemacht, da es für diese Krebsart keine spezielle Behandlung gibt. Die Erfolgschancen wurden in ihrem Alter bei 10-15% liegen. Und dies mit erheblichen Nebenwirkungen. Um diese Nebenwirkungen zu vermindern, wenn es ihr besonders schlecht dadurch gehe, könne die Chemo reduziert werden mit dem entsprechend geringeren Erfolgschancen.
Offen sagte er uns, dass er wenig Hoffnung habe, dass sie dadurch länger leben wird. Und sie solle doch überlegen ob es ihr in der verbleibenden Zeit schlecht ergehen wird, durch die Chemo, die eh nicht viel oder gar nichts bringt oder weiterhin wie bisher einigermaßen gut leben möchte. Meine Mutter entschied sich keine weitere Behandlung durchführen zu lassen. Sie erklärte, dass sie ihr Leben gelebt habe und auch bereit sei zu gehen. Ohnehin sei sie in einem Alter, wo es jeden Tag passieren könnte. Sie möchte auch nicht krampfhaft unter allen Umständen, um ein paar Stunden oder Tage kämpfen.
Im Anschluss stellten wir uns auf der Palliativstation vor, wo uns gleich eine Ärztin alles erklärte wie es weitergehen würde.
Am 2.Weihnachtsfeiertag mussten wir sie schon dort mit einer Lungenentzündung einliefern. Hier wurde beim Röntgen der Lunge festgestellt, dass diese schon voll von Tumoren war. Wir dachen schon, dass das Ende wäre, aber unter der tollen ärztlichen und menschlichen Betreuung ging es ihr bald wieder besser. Vor der Entlassung wurde uns gesagt, dass sie nicht mehr alleine leben kann, wegen der eventuellen Atemproblemen, vor allem nachts und den dazugehörigen Panikattacken.
Wir wollen natürlich auch ihr die Möglichkeit geben, im Kreis ihrer Familie den letzten Weg zu gehen. Schon immer war es angedacht, wenn es mal nicht mehr alleine geht, dass sie zu meiner Schwester und ihrer Familie zieht. Da sie wieder einigermassen fit war, wurde sie aus dem Krankenhaus entlassen. Nun musste in aller Eile das Zimmer hergerichtet werden. Da mein Schwager noch eine begehbare Dusche im Zimmer einbauen musste, sie kann keine Treppen mehr steigen zum Badezimmer, konnte sie die Woche nach ihrer Entlassung in ihrer alten Wohnung verbringen, um auch da Abschied nehmen zu können. In dieser Zeit war immer ein Familienmitglied, ob Tag oder Nacht, an ihrer Seite.
Nun lebt sie seit 14 Tagen bei meiner Schwester. Betreut durch einen hervorragenden SAPD, Ärzten und ehrenamtlichen Helfern geht es ihr unter den Umständen entsprechend gut. Sie hat so gut wie keine Schmerzen und es werden uns viele Tipps und Ratschläge gegeben, wie wir nicht nur ihr helfen können, auch uns als Angehörigen wird geholfen. Auch der Sozialdienst vom Krankenhaus unterstützt uns wo er nur kann. Diese Hilfe und Betreuung ist es für uns als Angehörige sehr wichtig, denn so haben wir mehr Zeit für unsere Mutter. Vor ein paar Tagen sagte sie mir, dass es wohl nicht mehr lange dauern wird. Dies ist wohl war, denn sie baut von Tag zu Tag mehr ab.
Am Sonntag werden wir 5 Kinder uns mit ihr zusammensetzen, um alles verbleibende wie Aufbahrung zu hause, Beerdigung etc zu bereden. Dies ist ihr sehr wichtig, dass alle Dinge geregelt sind, um in Ruhe Abschied nehmen zu können.
Für manche mag dies makaber erscheinen, aber bei uns wurde und wird immer offen über den Tod geredet. Wir sind nicht sehr religiös, glauben aber an Gott und ein Weiterleben nach dem Tod. Wir wissen, dass dies nur ein Übergang ist und das wir uns alle einmal Wiedersehen werden. Sicherlich werden auch wir traurig sein, wenn es so weit ist und sie wird uns hier, auf dieser Seite fehlen. Aber wir wissen auch, dass sie weiterhin da sein wird, wenn auch im Moment für uns nicht erreichbar. Auch heute noch 18 Jahren nach seinen Tod rede ich in Gedanken immer wieder mal mit meinem Vater oder anderen verstorbenen Familienmitglieder, weil ich weiß, sie bekommen das mit.

Sicherlich teilweise ein Weg den alle Betroffene so durch machen, aber teilweise auch unserer bzw. der Weg meiner Mutter mit dieser Krankheit umzugehen, den manche vielleicht auch nicht verstehen können.
Werde euch auf dem Laufenden halten.
Wünsche allen egal wie euer Weg aussieht, viel Kraft und Mut diesen zu gehen.
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