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Alt 13.11.2010, 13:46
Benutzerbild von annika33
annika33 annika33 ist offline
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Standard AW: Warum ist das so?

Zitat:
Zitat von Stefans Beitrag anzeigen
Ich glaube nicht, dass ich mit dieser Schuld des Zu-spät-gekommen-Seins weiterleben könnte. Von daher war das schon "gut" so, trotz aller Ohnmacht und Hilflosigkeit in den Todesstunden.

Viele Grüße,
Stefan
Hallo an alle,

ja, das ist auch schwer damit zu leben.

Für mich, mit einer der schwierigsten Teile, was das Versterben meiner Mutter angeht.

Ich war nicht dort. Ich fühle mich bis heute in gewisser Weise schuldig. Sie ist nicht alleine gestorben. Sie lag auf der Palliativstation und verstarb in den Armen einer Schwester. Ich war vorher noch da.

Zuerst dachte man, sie habe evtl. eine Lungenentzündung, aber im Gegenteil - das Röntgenbild sah gar nicht schlecht aus. Man gab "Entwarnung". Keine "konkreten Vorzeichen", nichts dergleichen. Still und heimlich ist sie fort.

Mein Mann und mein Stiefvater waren eine Stunde ehe Mama starb noch bei ihr. Sie schlief friedlich, und so sagten die Schwestern, sei sie auch gestorben. Einfach rübergeschlafen.

Meine Oma starb im März 09. Im Jahr zuvor, da lag sie mehrfach mit schlechtem Zustand im KH. Einmal, so dachte man, würde sie es nicht schaffen. Oma schickte mich fort. Nike, hat sie ich immer genannt. "Nike, geh. Wir sind im Reinen. Alles ist gut!" Ich bin gegangen damals. Das fiel mir zwar schwer, aber ich hatte das Gefühl nicht, sie alleine zu lassen, sondern es war der Respekt gegenüber ihrem immer geäußerten Wunschen. Oma starb damals nicht - sie schaffte es noch einmal.

Im März war es anders und klar. Die Nieren versagten und auf Grund der gesundheitlichen Vorgeschichte, kamen Optionen wie Dialyse nicht in Frage. Die Patientenverfügung war dahingehend auch eindeutig geregelt. Sie war an die Geräte angeschlossen, und ich saß einige Stunden an ihrem Bett und hielt ihre Hand. Ob sie mich gehört hat, das weiß ich nicht genau. Aber als ich ihr meine Versprechen und letzten Worte ins Ohr sagte, da zog sie die Stirn kraus, so wie ein Kind schaut, wenn man ihm etwas ins Ohr flüstert. Skeptisch, hinterfragend, langsam verstehend und dann beruhigt. Die Vitalparameter sanken drastisch ab und die Schwestern kamen auch zwischendurch ins Zimmer. Die eine streichelte meine Schulter und sagte, es würde nicht mehr lange dauern. Ich ging dann. Das bereue ich nicht, denn ausdrücklich war das stets ihr Wunsch. Ich sollte da nicht bei sein!

Bei Mama ist es anders. Das tut mir unendlich leid, und ich wünschte mir sehnsüchtig den Zeiger zurückdrehen zu können. Merkwürdig eigentlich. Die ganze Erkrankung über, war das der Zeitpunkt, vor dem ich die meiste Angst hatte. Heute wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dabeigewesen zu sein.

Darum kann ich die Dankbarkeit, die Stefans beschreibt, gut verstehen. Bei mir ist an der Stelle ein ewiger Gewissensbiss und die Frage, ob ich etwas falsch gemacht habe. Auch hier weiß ich genau, was meine Mutter sagen würde.

Die Verhältnismäßkeit, die Konstellation ist ja anders. Ich weiß nicht, ob ich meine Kinder gerne beim Sterben dabei hätte. Das ist für mich derweil nicht zu beantworten und nicht konkret vorstellbar. Ich glaube meinen Mann, den würde ich schon dabeihaben wollen.

Was den Tod meiner Mutter angeht, so gibt es für mich keinen "seelischen Freispruch". Ein "Fehler", der nicht zu revidieren ist. Ich muss damit leben, und all meine Hoffnung ruht darauf, dass ich ihr eines Tages vielleicht doch noch mal mitteilen kann, wie leid es mir tut.

Euch allen einen guten Tag

Annika
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