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AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......
Es ist lange her seit ich das letzte Mal hier geschrieben habe. Mir ist schwer ums Herz, heute vor einer Woche ist mein Mann gestorben. Ich werde und wurde in all den Jahren immer mit ganz liebevoller, zugewandter Aufmerksamkeit von Menschen quasi betreut, die ich hier kennenlernen durfte, die Freunde geworden sind. Trotzdem möchte ich heute in meinem uralten thread darüber schreiben.
Die letzten 10 Tage seines Lebens verbrachte er in der Palliativen Abteilung eines Krankenhauses und mir war, als arbeiten dort keine Menschen, sondern Engel. Daheim ging es trotz Unterstützung einer ambulanten palliativ-care Einrichtung einfach nicht mehr. Er hat nie genug Medikamente eingenommen, war getrieben von der Sorge sie könnten am Ende nicht reichen und diese Angst konnte ihm nichts und niemand nehmen. Neben der Krebserkrankung war er ja geplagt von einem ausgeprägten restless-leg Syndrom, was er manchmal als die schrecklichere Krankheit empfand. Über die Wochen, vielleicht sogar Monate, hatte er mich mehr und mehr als seine Gegnerin empfunden, die seine Ängste nicht verstand, die nie Ruhe gab mit den Medikamenten. Und ich konnte keine Ruhe geben, bei dem Elend, das ich dauernd sah und erlebte. Neben all meinen Ängsten und Sorgen war es mir ein ganz großer Kummer, dass ich, wenn es so weitergeht, mir dann nur mehr wünschen würde, dass alles bald ein Ende hat. Eine Schwester der ambulanten palliativ-care Einrichtung übernahm dann die Initiative, fragte ihn ob er in ein Hospiz möchte und er meinte, er würde lieber daheim bleiben, sähe aber ein, dass es nicht mehr geht. Ich verhielt mich passiv, sagte nicht ja, sagte nicht nein, war wie paralysiert vor Entsetzen. Es ging dann schnell. Hospizplatz war keiner frei, doch bereits für den kommenden Tag einer in der Palliativen Abteilung. Es ist dann unmittelbar darauf, praktisch von einer Minute auf die andere etwas passiert, was ich nicht für möglich gehalten hätte, wofür ich unsagbar glücklich und dankbar bin: wir konnten augenblicklich wieder so zueinander sein, wie wir es immer waren - liebevoll, zärtlich, zugewandt. Nachdem die Nächte zuvor ohne Rast und Ruh waren, war es in der letzten Nacht daheim noch anstrengender für uns beide, dass am Morgen der schreckliche Abschiedsschmerz von der Wohnung in den Hintergrund trat. Wir waren fix und fertig und warteten nur mehr auf den Rettungswagen. Es würde zu weit führen über diese Palliative Abteilung zu schreiben. Sie war die Rettung für uns beide. Es gab nicht einen Punkt den ich kritisieren könnte. Wir hatten Glück. Man hat mit ihm die Medikamentation besprochen, ihn gefragt ob er mit den Vorschlägen einverstanden ist, und er akzeptierte alles. So konnte die schreckliche Unruhe eingedämmt werden, er war nahezu schmerzfrei, auch seine Panikattacken verbunden mit Luftnot konnten behoben werden. Man hatte auch mich immer im Blick, das tat gut. Ich war täglich viele Stunden bei ihm. Einmal dachte ich er würde sterben und blieb die Nacht bei ihm. Dann gab es drei Tage, in denen ich mir gut vorstellen konnte, dass er noch einige Monate leben wird. Wir waren in zwei Hospizeinrichtungen angemeldet. Doch letzten Mittwoch Morgen rief mich die Ärztin an, er sei kaum ansprechbar, völlig desorientiert und ich möge kommen. Ich saß dann 27 Stunden neben ihm. Er konnte nicht mehr sprechen, hat aber durch Hand- und Kopfbewegungen signalisiert, dass er versteht. Zweimal hat er mir gezeigt, dass er mich umarmen will. Nach den vielen Stunden hat man mir mehrfach gesagt, ich müsse jetzt einfach heimgehen und ein paar Stunden schlafen und ich wollte nicht gehen, konnte aber auch nicht mehr da sitzen. Sie versprachen mir ständig nach ihm zu sehen und ich fuhr heim. Ich hatte zweieinhalb Stunden geschlafen, neben mir war das Handy, das Festnetztelefon und ich habe beide nicht läuten gehört als man mich vom Krankenhaus angerufen hatte. Die Schwester sagte mir dann, sie war bei ihm gewesen als sie sah, dass es nun zu Ende gehen wird. Zu diesem Zeitpunkt rief sie nicht an, weil klar war, ich würde den Weg nicht schaffen, nicht einmal wenn ich nur im Krankenhauspark gewesen wäre. Er war im Schlaf gestorben, zu einem Zeitpunkt als ich auch geschlafen hatte. Es ist passiert, als wir beide schliefen. Man hat mir dutzendfach erklärt, dass Menschen oft sterben wenn der Angehörige weg ist, aber ich kann es mir noch nicht wirklich verzeihen. Nun muß ich ohne meinen Mann weiterleben. Er war der liebenswürdigste, warmherzigste, freundlichste, großzügigste Mensch den ich je kannte. Einen Tag bevor er starb, sagte er zu einer Schwester, dass er sich große Sorgen um mich macht, weil ich nun ganz alleine bin, hier niemanden habe und ob man sich auch nach seinem Tod noch ein wenig um mich kümmern würde. Es hat mich schon im Vorfeld bekümmert, dass mein Mann außer mir so gar keinen Menschen hat. Dann hat mir vor Monaten eine Freundin etwas erzählt, dass mir geholfen hat. Mit einem großen Freundeskreis hatte sie im letzten Jahr eine Freundin drei Monate lang in einem Hospiz begleitet. Sie erzählte, dass die sterbende Freundin nie alleine gewesen war, und sie alle zufrieden waren, das so gut hinbekommen zu haben. Nach dem Tod der Freundin fragte sie sich, wie sie es einmal haben wolle, wenn das Leben zu Ende geht. Und stellte mit Entsetzen fest, dass der Gedanke beim Sterbeweg nie alleine sein zu können einfach schrecklich sei. Das finde ich ehrlich gesagt auch. Mir scheint es gehört zur Trauer dazu, dass man ständig herum stochert um eigene Unzulänglichkeiten zu finden, etwas, was man sich vorwerfen kann, zu bereuen ist. Nachdem es mir nun ansatzweise möglich wird mir nicht zu sehr vorzuwerfen, dass ich gegangen war, quält mich etwas anderes. Werner war in letzter Zeit traurig und er hatte Angst. Einmal meinte er, er müsse nicht so traurig sein, wenn ich nicht so lieb wäre. Neben meiner eigenen Traurigkeit und Angst empfand ich die seine noch viel schmerzhafter. Ich habe natürlich versucht sie abzufedern, ihn aufzufangen, aber es ist mir nicht gelungen. Ich bin da gescheitert, habe versagt, war keine Hilfe. Das tut mir sehr weh. Verzeiht mir diesen langen Beitrag. Aber Ihr wisst wie es ist: man möchte in die Welt hinausschreien: Er ist nicht mehr, er ist nicht mehr. Eure traurige Briele |
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AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......
liebe briele..
es tut mir ganz doll leid, daß du deinen mann verloren hast. du schreibst so voller liebe..ihr müßt ein ganz tolles paar gewesen sein. ich weiß, ich kann dir hier ganz oft schreiben, daß du dir keine vorwürfe machen sollst... du wirst sie dir trotzdem machen. es ist aber wirklich so, daß der sterbende, wenn er die möglichkeit hat, sich raussucht, allein oder in begleitung zu gehen. das haben mir die hospizengel als meine mami ging, auch gesagt. sie erleben das sehr oft. ich wünsch dir ganz viel kraft für die schwere zeit der trauer. ich umarm dich unbekannter weise.. tine
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MISS YOU MAMA 24.02.1944-15.10.2012 |
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AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......
Hallo Briele! Es tut mir sehr leid, dass du deinen Mann loslassen musstest. Auch ich musste vor kurzem meinen Papa loslassen, und auch ich habe mir Vorwürfe gemacht (und mache mir diese auch heute noch öfters) dass ich nicht dabei war und ihn alleine gelassen habe als er ging.
Wir, ich und meine Mum waren ganz oft und ganz lange bei ihm, an diesem Tag hatten wir sogar darüber nachgedacht bei ihm zu übernachten. Papa war aber an diesem Tag gar nicht so schlecht drauf. Leider kam in der Früh dann der schreckliche Anruf dass Papa nur schwer ansprechbar sei und wir kommen sollten. Das riesige Schneechaos an diesem Morgen hatte verhindert dass ich rechtzeitig kommen konnte. Wir haben Papa um ganz kurze Zeit, vielleicht sogar Sekunden verpasst. Auch ich habe mir Vorwürfe gemacht und habe immer gedacht ich hätte doch bei ihm übernachten sollen. Jetzt, nach ein paar Monaten ist zwar meine Traurigkeit noch viel größer geworden weil der Schock weg ist aber ich mache mir nicht mehr so oft Vorwürfe. Ich weiß dass mein Papa keine Mensch großer Worte war und dass mein Papa Abschiede ganz und gar nicht mochte. Und ich weiß dass uns Papa schützen wollte und es uns so leicht wie möglich machen wollte. Und das hat er geschafft und dafür bin ich ihm heute unendlich dankbar. Ich darf heute sagen dass mein Papa bis zum Schluss alles richtig gemacht hat und so wie er es gemacht hat ist es gut für uns. ICh weiß, ich kann dir nicht helfen und ich kann dir auch deine Vorwürfe nicht nehmen weil du sie dir sowieso machen wirst aber glaub mir, dein Mann wollte es so. Und denk daran, so wie er es gemacht hat, so war es richtig für ihn und so soll es für dich gut sein. Es ist gut wie es ist! ER wollte es sicher so, wie Tine auch schon geschrieben hat suchen sich Menschen aus ob sie alleine sterben oder ob sie jemanden um sich brauchen. Davon bin ich auch fest überzeugt! ICh wünsche dir ganz viel kraft für die nächste Zeit und ich weiß wie du dich fühlst! Auch ich breche noch ganz oft in Tränen aus wenn ich an meinen Papa denke und wenn ich alleine bin. Selbst wenn ich alleine am WC sitze rollen mir manchmal die Tränen runter. Wir schaffen das und unsere Liebsten sind trotzdem immer bei uns, wenn auch nicht in der Form wie wir es gewohnt sind! Alles Liebe und ganz viel Kraft, Nina
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Mein Papa: Kleinzelliges Bronchialkarzinom Diagnose am 21.12.2011 am 23.2.2013 |
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AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......
Liebe Briele,
weißt Du noch die Schuhe? Die Zickenschuhe die doch tatsächlich „Blasenpotenzial“ hatten? Ich habe sie immer noch…. So sitze ich hier, laß Deine Zeilen auf mich wirken und mmmh, ja, und jetzt? Ich bin mir sicher, es war alles „richtig“ für Deinen Werner. So wie Euer letztes Stückchen Weg war, konnte nur Euer Weg sein. Mit nichts vergleichbar. Es ist gut, so wie es war. Du bist nicht gescheitert und hast nicht versagt. Nein. Du bist soweit mitgegangen, soweit es möglich war und er hat Dir einen Schatz dagelassen. Eine wunderbare und aufrichtige Liebeserklärung – eben genau für diesen Moment. Wie wohl hat er sich doch bei Dir gefühlt…. Und jetzt? Einen Tag nach dem anderen, in Deinem Tempo. Ich drück Dich. Bruni |
#5
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AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......
Meine liebe Briele,
ich bin froh, dass du deinen wunderschönen alten Thread hoch geholt hast. Vor über 8 Jahren hat mich die Überschrift tief berührt, habe deshalb hier gelesen und hin und wieder auch geschrieben. Und die Überschrift hat nichts von ihrer Aussagekraft verloren. Genauso ist es. Über so viele Jahre hast du mich und viele andere liebevoll begleitet. Immer die richtigen Worte gefunden. Ich erzähle oft von dir, meine Freundin, die mich nicht selten ganz liebevoll an der Hand genommen und ganz behutsam zur Seite geschubst hat. Das Schreiben hier hilft, du weißt es selbst. Das Chaos in Buchstaben packen, rausschreien in die Welt, was die Seele quält und wissen, jeder hier weiß, wie entsetzlich weh es tut, wie wund sich der ganze Körper anfühlt vor lauter Sehnsucht und Kummer. Du machst alles gut Briele. Bei allem was du mir erzählst denke ich: Sie macht es so gut! Ich bin stolz auf dich! Deine Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι και δεν επέστρεψες |
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AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......
Hallo Briele,
deine Worte drücken so viel Traurigkeit und Verzweiflung aus. Keine Ahnung, wie ich dich trösten soll. Nur eins möchte ich dir schreiben: Zitat:
Mehr kann man nicht tun. Auch wenn dich das nicht tröstet ... vielleicht kannst du drüber nachdenken. Du bist auch nicht alleine mit solchen Gedanken. Gerade in letzter Zeit ging mir ähnliches durch den Kopf. Liebe Grüße, Helmut
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Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
http://www.krebs-kompass.org/howthread.php?t=31376 http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=48070 Die von mir im Krebs-Kompass verfassten Texte dürfen auf anderen Homepages und in anderen Foren ohne meine ausdrückliche Zustimmung weder verwendet noch veröffentlicht werden. Auch nicht auszugsweise. |
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AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......
Liebe Briele,
es ist immer eine Gratwanderung und man hat oft das Gefühl, es ist nicht genug was man tut oder getan hat. aber ich glaube, es war mehr für dich und für ihn als man in Worte fassen kann. Liebe Briele, ich denke an dich. Ylva |
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