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  #1  
Alt 18.11.2005, 17:20
Laura5555 Laura5555 ist offline
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Beiträge: 56
Standard AW: Alltags bewältigung

Liebe Kerstin,
danke, daß Du mir so viel Mut machst, das alles zu überstehen. Momentan versuche ich, es meinen Freunden nicht mehr übel zu nehmen, wenn sie nicht so sehr auf meine Aussagen eingehen. Wahrscheinlich ist es so, daß es sie einfach überfordert und sie auch völlig hilflos sind. und so richtig daneben benommen hat sich bisher noch keiner von ihnen, also werde ich versuchen, es nicht mehr so tragisch zu sehen. Mein größtes Problem ist einfach, daß ich mit ihnen nicht richtig darüber reden kann, da sie sich nicht so sehr hineinversetzen können und mir auch sagen, daß sie sich hilflos fühlen, wenn sie mich so sehen und nicht wissen, wie sie mich unterstützen können. Es ist besser, nicht auch noch von dieser Wut und Enttäuschung belastet zu werden, wenn es sowieso schon so viele Dinge gibt, worüber ich mir Gedanken machen muß.

Ich gehe nächste Woche zu einer psychologischen Beratungsstelle, die sich auf Krebs spezialisiert hat. Ich weiß nicht, ob ich mir davon allzu viel erhoffen soll, aber vielleicht haben die Leute dort einfach ein anderes Verständnis als "normale" Therapeuten. Nicht, daß mir die normale Therapie nicht hilft, aber es ist eben schon ein sehr spezielles Problem. Ich warte jetzt mal das Gespräch mit dem Berater ab. Ich habe kurz mit ihm telefoniert und er sprach auch schon davon, daß es gegebenenfalls nötig wäre, ein Medikament zu nehmen, aber ich solle zunächst einmal ein paar Gespräche mit ihm führen. Aber ich bin dem Antidepressivum nicht mehr so abgeneigt gegenüber eingestellt, wie noch vor einiger Zeit, da ich langsam merke, daß ich jeden Tag weniger mit all dem umgehen kann, wissend, was uns alles noch bevor steht. Da war dies erst der Anfang. Ich merke, daß ich von Tag zu Tag nervöser, unruhiger und weniger belastbarer werde. Man lebt irgendwie nur noch von einem Tag zum nächsten und kann überhaupt nichts mehr planen. Wenn der heutige Tag einigermaßen erträglich ist, kann der nächste schon wieder ganz anders aussehen. Man weiß nie, was morgen ist und ist permanent angespannt und unruhig. Meiner Mutter geht es psychisch wieder sehr schlecht und ich weiß nicht, woher ich meine Kraft noch nehmen soll, sie aufzubauen. Wenn sie von ihrer Therapeutin kommt, geht es einigermaßen, aber sobald nur das kleinste Problem auftaucht, bricht sie total zusammen und weint nur noch. Jetzt ist irgendwas mit ihren Leberwerten nicht in Ordnung, sie sind stark erhöht, was ihr aber ihre Hausärztin, der der Befund zugeschickt wurde, mitgeteilt hat. Von der Klinik, die die Werte ja schon länger kennen, hat niemand etwas dazu gesagt. Jetzt macht sie sich noch zusätzlich schlimme Sorgen, daß mit der Leber etwas nicht in Ordnung ist und sie deshalb die nächsten Chemos nicht mehr verträgt. Bis Montag müssen wir uns jetzt wieder gedulden, da wir heute keinen Arzt mehr erreichen.
Dir wünsche ich auch alles Gute,
Liebe Grüße, Laura.
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  #2  
Alt 15.12.2005, 08:28
Magast Magast ist offline
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Beiträge: 39
Standard AW: Alltags bewältigung

Hallo,

auch wenn der Thread hier schon einige Wochen alt ist, aktuell ist er trotzdem.

Vielleicht hat der eine oder andere es mitbekommen, meine Ma hat ein kleinzelliges Lungenkarzinom, nicht heilbar.

Die ersten Tage nach dem Befund befand ich mich irgendwie in einem Vakuum, ich wollte es nicht wahr haben.

Da ich die bin, die meine Mutter zu allen möglichen Untersuchungsterminen gefahren hat, also alles hautnah mitbekommen habe, musste und muss ich immer nett lächeln, aufmuntern, gut zusprechen.

Das mir oft die Zeit weg rennt, lasse ich meine Ma nie spüren. Aber den Rest meiner Umwelt, Freunde, Bekannte, auch meine Familie. Ich war sehr aggressiv zu anderen, kam mir jemand der eine Erkältung hat, ihm würde es ja so schlecht gehen, hab ich den sofort angepampt, was ist den eine sch**** Erkältung?

Jemand, der von Krebs gehört, aber nie damit konfrontiert wurde, kann das, was Betroffene und Angehörige durchleben, schlecht oder gar nicht nachvollziehen. Dieses Unverständnis habe ich nicht verstanden, bis ich mal darüber nachgedacht habe.

Mittlerweile hat sich diese Aggression gelegt, ich scheine nur noch zu funktionieren, schaffe es sogar, meiner Mutter Witzchen zu erzählen. Das hat gestern einen Dämpfer bekommen, sie ist jetzt auf der Palliativstation, sie darf sogar im Zimmer rauchen, weil sie nicht laufen kann. Das sagt mir schon was negatives.

Ich versorge den Haushalt, koche, putze, mache mit den Kindern Hausaufgaben, Plätzchen backen ist dieses Jahr ausgefallen. Doch wenn die Kinder Abends im Bett sind, überrollt mich jeden Abend eine riesengrosse Traurigkeit. Meine Mutter weint viel, ich auch, wenn sie es nicht sieht.

Ich zwinge mich, mich nicht ein zu igeln, bin mit meinen Kindern in einem Musikverein, ich versuche auf jeden Fall die Trainingsabende einzuhalten, den Kindern zuliebe und um wenigstens zwei mal die Woche für eineinhalb Stunden der Wirklichkeit zu entfliehen. Wer dort sein Handy während des Trainings mitnimmt, bzw. wenn es klingelt, der muss 50 Cent in die "Strafkasse" zahlen. Ich bin die einzige, deren Handy klingeln darf, also ist es auch da nur eine Scheinauszeit vor der Realität.

Morgen haben wir da Weihnachtsfeier, ich werde da auch hin gehen, aber Lust habe ich keine, und ich habe Schwierigkeiten damit, dass das Leben einfach weiter geht, wo meine Ma nicht mehr all zu lange Zeit hat.

Lg Magast
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  #3  
Alt 15.12.2005, 11:01
Benutzerbild von Kerstin63
Kerstin63 Kerstin63 ist offline
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Beiträge: 153
Standard AW: Alltags bewältigung

Hallo Magast,

ich finde es einerseits mutig und tapfer von Dir, dass Du versuchst auch das "normale" Leben nebenbei zu seinem Recht kommen zu lassen. Andererseits: Du befindest Dich in einer absoluten Ausnahmesituation, und dass Du in so einer Situation überfordert bist, ist doch absolut klar (dass man dann z.B. leicht aggressiv wird, oder so). Wie gesagt, ich finde es enorm, was Du alles zu schaffen versuchst. Auf der anderen Seite: es gibt auch Zeiten, in denen man NICHT funktionieren kann, nicht um jeden Preis, und es auch nicht muss, finde ich.........

An der Situation Deiner Mutter und dem was da vielleicht jetzt auf Euch zukommt, kannst Du nichts ändern. Aber vielleicht kannst Du versuchen, Dir für das "normale" Leben für ein Weilchen Unterstützung von aussen zu holen, andere Mütter oder Freundinnen die Deine Kinder mal ein bisschen übernehmen, Dir was abnehmen können. Ausserdem denke ich, dass man den Kindern nicht unbedingt Normalität vorspielen muss, wo nun mal keine normale Situation ist. Du musst Dich, finde ich, nicht um jeden Preis zusammen reissen und funktionieren.

Ich denke einfach, zwischen dem totalen Zusammenbruch (oder negativ ausgedrückt sich "gehen zu lassen") und dem reibungslosen Funktionieren gibt es vielleicht noch einen Mittelweg, der auch OK ist, auch vor den Kindern.

Als mein Vater die letzten Wochen seines Lebens auf der Intensiv lag, da hat mein Sohn (damals gerade 7 J.) einiges mitbekommen, meine Tränen und die ganze Hektik, es ging dann eben mal nicht wie normal.... wir haben hier in einer Art Ausnahmezustand gelebt, und das haben alle mitbekommen. So ist es eben.

Ich hoffe Du verstehst dass dies keine Kritik sein soll, ich finde nur Du setzt sehr hohe Massstäbe an Dich selbst, das kenne ich auch von mir selbst, aber man muss auch seine eigenen Grenzen erkennen.... und bloss nicht von aussen unter Druck setzen lassen.

Alles Gute und viel Kraft
Kerstin
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  #4  
Alt 15.12.2005, 12:28
Magast Magast ist offline
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Beiträge: 39
Standard AW: Alltags bewältigung

Hallo Kerstin,

ich danke dir für deine Worte. Als Kritik seh ich das nicht, eher als Anregung die ich aufnehmen kann. Meine Kinder sind alle zwei Wochen am Wochenende bei ihrem Vater, in den Ferien nimmt er sie nach Weihnachten ganz, weil ich eben möchte, das sie nicht nebenher laufen, so weit es geht.

Mein Mann arbeitet nur Nachts, er ist für die Kinder da, wenn sie aus der Schule kommen, ich übernehme sie dann sozusagen gegen Abend. Die kurze Zeit bis es ins Bett geht möchte ich ihnen nicht verderben. Sie wissen, das ihre Oma sehr krank ist, sie wissen auch, das mich das sehr traurig macht. Sie kommen auch ab und an mit ins Krankenhaus, allerdings wird es ihnen (die Zwillinge sind 10) schnell langweilig, auch verständlich.

Mich "gehen lassen" geht gar nicht, ich funktioniere automatisch, bei mir kommt das, wie bereits erwähnt Abends durch, wenn die Kinder im Bett sind. Dann lasse ich das auch zu, sonst würde ich an der Hilflosigkeit und Traurigkeit ersticken.

Kurz bevor das mit meiner Ma los ging, habe ich aufgehört, Anti - Depressiva zum Schlafen zu nehmen (ist eine gängige Methode bei Schlafstörungen, macht nicht abhängig). Jetzt nehm ich sie wieder, damit ich wenigstens halbwegs erholt bin, und ohne die wäre jetzt nicht an Schlaf zu denken.

Mehr lässt sich da nicht organisieren.

Ich habe festgestellt, wenn ich Abends durch hänge, hilft mir Schokolade oder ein heisser Kakao, nach dem Genuss fühle ich mich wieder besser.

Es gibt vieles, worüber ich mir keine Gedanken mehr mache. Meine Eltern haben den Venezuela Urlaub ja auf Ende März umgebucht, ich denke da nicht dran, ist noch Zeit, jetzt denke ich nur an Weihnachten, wegen der Sch*** Lähmung, wo die Ärzte noch immer nicht wissen wo die her kommt, kann meine Mutter vielleicht nicht mal Weihnachten nach Hause.

Also wie du siehst, der Alltag geht weiter, irgendwie, und vielleicht finde ich ja noch den goldenen Mittelweg.

Liebe Grüsse, und Danke für deine guten Wünsche,

Magast
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