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  #1  
Alt 12.11.2008, 21:27
Urmele Urmele ist offline
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Registriert seit: 08.02.2008
Beiträge: 17
Standard AW: Meine liebe Freundin

Hallo Stefan,
vielen Dank für deine Antwort.
Ja, das mit dieser "Lebenszeitprognose" ist wirklich so eine Sache aber wie man sieht, ist es bei meiner Freundin so nicht eingetroffen.
Ich weiß nicht, soll ich jetzt sagen "GottseiDank", wir sind für jeden Tag dankbar, oder sollte man im Interesse des Schwerkranken denken und ihm eine schneller Erlösung wünschen.

Eigentlich tendiere ich zu ersterem, denn ich weiß, wenn sie einen guten Tag hat, dann können wir auch noch ein wenig Spaß und Lebensfreude haben zusammen und sie hat vielleicht noch ein paar schöne Stunden mit ihrer Familie und Freunden. Das war jetzt eigentlich seit Sonntag so.
Nun ist das Wetter leider schlecht geworden und gleich gehts wieder bergab. Heute hat sie wirklich fast den ganzen Tag geschlafen, bis auf wenige Minuten. Vielleicht war es ihr auch zuviel, denn in den letzten schönen Tagen, hat sie nicht viel geschlafen, war immer präsent.
Man muss sie aber auch immer ein bisschen überreden um etwas zu unternehmen, wahrscheinlich strengt sie der Gedanke daran, sich fertig zu machen um rauszugehen, schon zu sehr an. Aber sonst versauert sie ja zu Hause, auch der Gesprächsstoff wird immer weniger, wenn man nichts erlebt.

Ich habe ihr übrigens so ein Stillkissen/Seitenschläferkissen besorgt, nachdem sie sagte, sie könne sich nicht so auf den Rücken legen, weil sie das Gefühl hat, es würde sie beim Atmen behindern, so als ob sich die Lunge nicht entfalten könnte durch das Gewicht. Jetzt mit dem neuen Kissen, das sie wie einen Bogen drapiert, ist der Rücken frei und sie hat auch wirklich gut geschlafen, sagte sie....

Schön für deine Frau, dass ihr einen Hund habt, wir sind erst seit zwei Jahren Hundebesitzer und ich hatte vorher null Bezug zu Hunden. Aber seit wir nun selber einen haben, weiß ich erst wieviel Wärme und Gefühl ein Hund dem Menschen zu geben vermag. Kuscheln und Streicheln - auch das tut deiner Frau bestimmt gut, auch wenn sie selber nicht mehr mit ihm spazieren gehen kann. Wenn sie es kräftemäßig nicht mehr schafft, könnt ihr euch dann keinen Rolli besorgen und dann gemeinsam mit dem Hund rausgehen?

Wie lange ist denn deine Frau schon erkrankt?

Die Palliativ-Behandlung meiner Freundin geht jetzt schon mehr als ein Jahr. Im März bekam sie aber nochmal Bestrahlungen an den Augen, da sich auch dort Metastasen gebildet hatten. Diese verschwanden glücklicherweise wieder. Ihre Sehkraft die schon massiv beeinträchtigt war, kehrte wieder zurück, sonst wäre sie auch noch innerhalb kürzester Zeit erblindet.
Natürlich nimmt sie jede Menge Tabletten und Tropfen. Das Dilemma ist, dass die meisten Medikamente auch die Atmung dämpfen.
Ansonsten geht sie nur noch zur Massage und Lymphdrainage.(Sofern sie dazu in der Lage ist.)

Lieber Stefan,
ich wünsche deiner Frau und dir, dass die guten und schönen Tage überwiegen und ihr an den Schlechteren, noch ein wenig von der Erinnerung zehren könnt. Ich wünsche deiner Frau, dass sich die Schmerzen in Grenzen halten lassen und dir wünsche ich auch weiterhin die Kraft der Liebe. Es ist schön, wenn der Spruch vom "Zusammenhalten in guten und in schlechten Zeiten" auch so gelebt wird.
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  #2  
Alt 23.11.2008, 17:38
Stefans Stefans ist offline
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Registriert seit: 27.01.2007
Beiträge: 425
Standard AW: Meine liebe Freundin

Hallo Irmi,

Zitat:
Zitat von Urmele Beitrag anzeigen
Man muss sie aber auch immer ein bisschen überreden um etwas zu unternehmen, wahrscheinlich strengt sie der Gedanke daran, sich fertig zu machen um rauszugehen, schon zu sehr an.
So, wie es deiner Freundin geht, wird das nicht (nur) der Gedanke sein. Sondern schlichtweg die praktische Anstrengung. Sehe ich an meiner Frau: Sie hat meist nicht mal mehr den Elan, sich zu waschen. Obwohl sie eigentlich noch könnte - bzw. "können müsste". Und wenn sie einmal wöchentlich zur Chemo muss, dann dauert das Procedere von Aufstehen, Waschen, Anziehen etwa eine Stunde. Danach ist sie so fertig, dass sie sich nochmal eine halbe Stunde hinlegen muss, bevor das Taxi kommt, dass sie in die Klinik bringt. Natürlich tut sie sich diesen Stress nicht freiwillig an, um mal kurz mit Freunden nach draussen zu gehen. Weil sie schon von den Vorbereitungen so erschöpft ist, dass sie den ganzen nächsten Tag nur noch im Bett liegt. Soll heissen: dränge deine Freundin nicht. Was für dich wie "Versauern" aussieht, ist für sie vielleicht nur "einfach Ruhe haben und sich nicht anstrengen müssen".

Zitat:
auch der Gesprächsstoff wird immer weniger, wenn man nichts erlebt.
Ich glaube weniger, dass deine Freundin das als Problem ansehen wird. Natürlich kann ich da immer nur von meiner Frau ausgehen. An "Gesprächsstoff" ist ihr nicht mehr gelegen. Im Gegenteil. Sie will niemanden mehr von ihren Freunden und Bekannten mehr sehen, weil sie das zu sehr anstrengt. Und sie will auch nicht mehr hören, wie es anderen privat oder bei der Arbeit geht, oder was sich in der Welt so tut. Zu anstrengend. Und ausserdem indirekt verletztend: alles, was sie von der "Aussenwelt" erzählt bekommt, erinnert sie nur daran, dass _sie_ eben nicht mehr fähig ist, an dem normalen Leben teilzunehmen, das für andere selbstverständlich ist.

Wie soll man das erklären? Schwierig. Stell' dir vor, du liegst seit Wochen im Bett und mühst dich alle 7 Tage extrem ab, nur um per Taxi zur Chemo zu fahren. Und dann besuchen dich Freunde, die dich nicht nur löchern, wie es dir geht, welche Behandlung du kriegst, wie die Prognose ist usw. (zu anstrengend, schon tausend mal beantwortet - und trotzdem kann es niemand nachvollziehen...) - nein, die erzählen dann auch noch von ihrem Alltagsleben. Davon, dass sie letztens auf der und der Feier versumpft sind und soo einen Kater hatten. Oder davon, dass sie Montag wieder zur Arbeit müssen, und wie sehr sie ihre Arbeit anödet. Oder von... Mein Gott! Meine Frau wäre heilfroh, wenn sie in ihrem Leben noch ein einziges mal nach einer Feier einen Kater hätte, zur Arbeit gehen könnte oder beim Einkaufen im Supermarkt von der Kassiererin blöde angemacht würde. Nichts davon wird sie noch erleben. Und was es bei ihr auslöst, wenn andere davon erzählen, sind natürlich auch Neid und Hass: die können alles so locker und berichten von etwas, was für mich unmöglich ist - und was ich nie mehr schaffen werde. Und die gehen nach Hause und leben weiter wie immer, während ich hier liege und von Woche zu Woche immer weniger kann :-(

Kann man sich nur schwer vorstellen. Aber wenn man es versucht, wird vielleicht auch klar, warum sich schwer kranke Menschen nach und nach vom "Leben draussen" und entsprechenden Kontakten zurückziehen. Weil es nicht nur physisch, sondern auch seelisch nur schwer zu ertragen ist.

Zitat:
Kuscheln und Streicheln - auch das tut deiner Frau bestimmt gut, auch wenn sie selber nicht mehr mit ihm spazieren gehen kann.
Dafür hat meine Frau ihre Katze, die ist Gold wert. Der Hund natürlich auch, aber der dient eher mir zum Trost (ich bin seine Bezugsperson und sein "Rudelführer"). Ich wüßte nicht, wie ich die letzte Zeit ohne Hündchen überstanden hätte - und v.a. dieZeit, die noch vor uns liegt.

Zitat:
Wie lange ist denn deine Frau schon erkrankt?
Anfang 2007 gab es bei der Gyn.-Untersuchung Krebsverdacht, dann sofort Klinik und Ablatio. Prognose gut, weil langsam wachsender und hormonrezeptiver Tumor (AHT ausreichend). Behandlung OK, ReHa, seit Ende 2007 ist sie wieder teilzeit arbeiten gegangen. Keine Beschwerden, alle Nachsorgeuntersuchungen ohne Befund. Im Juli 08 dann scheinbar eine Darmgrippe. Durchfall, Übelkeit, über Wochen. Darmgrippe war's nicht, sondern Metastasen in Nebennieren und Lymphsystem. Seither geht's bergab, und zwar schnell. Diasgnostik ohne Ende, Klinikaufenthalte, schlechte Prognose. Metastasen schnell wachsend (in den Nebennieren ca. 1 cm pro Monat), Tumor nicht hormonzeptiv. Auch im Lymphsystem kann man praktisch zugucken, wie die Metastasen-Knubbel wachsen. Seit 1 Monat palliative Chemo.

Remission wäre ein unerwarteter Glücksfall. Darum geht es im Alltag auch nicht. Da geht es darum, dass meine Frau in den vergangenen Monaten 20 kg abgenommen hat, und das weiter tut, weil sie kaum noch was isst und trinkt. Und immer mehr Morphium gegen die Schmerzen nehmen muss. Und immer weniger selbst machen kann. Die Schmerzen sind nicht das Problem. Da verschreibt heutzutage (zum Glück) jeder Onkologe soviel Morphium wie nötig. Aber Morphium geht natürlich auch auf den Kopf. Sudoku-Rätsel lösen? Schon lange nicht mehr möglich. Buch lesen? Geht noch, wenn's was ganz Leichtes ist (Kinderbücher). Konzentrieren oder Denken? Vergiss' es. Meine Fau kommt am Dienstag von der Chemo, die sie immer dienstags hat, und fragt mich eine Stunde später: "morgen ist doch Freitag, oder?"

Diese Woche etwas Neues: ich muss meiner Frau nicht nur ihre vielen Tabletten vorsortieren und bereit legen - sondern auch morgens, mittags, abends und nachts kontrollieren, ob sie die wirklich brav nimmt. Sonst vergisst sie das seit neuestem, und das darf nicht sein (v.a. bei den Morphium-Tabletten nicht).

Zitat:
ich wünsche deiner Frau und dir, dass die guten und schönen Tage überwiegen
Schöne Tage gibt's schon seit längerem nicht mehr, gute Tage immer weniger :-( Ein "guter Tag" ist für meine Frau einer, an dem sie keine starken Schmerzen hat und nicht gleich kotzt, wenn sie irgendwas isst oder trinkt. Und für mich einer, an dem ich in der Lage bin, ein posting wie dieses zu schreiben, ohne dabei Heulkrämpfe zu kriegen.

Diese Krankheit ist schlimm, böse und bitter zu ertragen. Von daher: habe bitte Nachsicht mit deiner Freundin, wenn sie nicht dem entspricht, was du von ihr erwartest (oder nicht tut, von dem du meinst, was ihr gut tun würde).

Viele Grüße,
Stefan
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  #3  
Alt 23.11.2008, 18:43
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Renate23 Renate23 ist offline
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Standard AW: Meine liebe Freundin

Hallo Stefan,
ich möchte Dich einfach mal umarmen für Deine Stärke zu Deiner Frau. Wenn Deine Frau könnte würde sie Dich nie und nimmer verlassen, aber dies liegt leider nicht in unserer Macht, es zu verhindern.
Ganz liebe Grüße Renate
__________________
Ab einem gewissen Alter erzählt unser Gesicht unser Leben!
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  #4  
Alt 23.11.2008, 19:57
Lenalotta Lenalotta ist offline
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Beiträge: 9
Standard AW: Meine liebe Freundin

Liebes Urmele,

ganz am Anfang hast Du geschrieben, dass deine Freundin sich sehr belastet fühlt durch den Betrug/dieTrennung ihres Mannes. Auch ich glaube auf jeden Fall, dass seelischer Stress und Krebs einen Zusammenhang haben und sie deshalb mit ihren "Anschuldigungen" nicht ganz unrecht hat. Das Problem: Solche Anschuldigungen sind ihrem eigenen Gesundheitszustand alles andere als dienlich. Deshalb würde mich sehr interessieren, ob sich dieser Konflikt mit ihrem ehemaligen Lebenspartner mittlerweile lösen konnte oder ob es immer noch ein Thema in ihrem Leben ist?

Ich grüsse dich ganz herzlich und wünsche dir viel Kraft, lG, Lenalotta
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  #5  
Alt 26.11.2008, 21:56
Urmele Urmele ist offline
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Beiträge: 17
Standard AW: Meine liebe Freundin

Zitat:
Zitat von Lenalotta Beitrag anzeigen
Liebes Urmele,

ganz am Anfang hast Du geschrieben, dass deine Freundin sich sehr belastet fühlt durch den Betrug/dieTrennung ihres Mannes. Auch ich glaube auf jeden Fall, dass seelischer Stress und Krebs einen Zusammenhang haben und sie deshalb mit ihren "Anschuldigungen" nicht ganz unrecht hat. Das Problem: Solche Anschuldigungen sind ihrem eigenen Gesundheitszustand alles andere als dienlich. Deshalb würde mich sehr interessieren, ob sich dieser Konflikt mit ihrem ehemaligen Lebenspartner mittlerweile lösen konnte oder ob es immer noch ein Thema in ihrem Leben ist?

Ich grüsse dich ganz herzlich und wünsche dir viel Kraft, lG, Lenalotta
Hallo Lenalotta,
leider gibt es diesen Stress nach wie vor.
Meine Freundin hat zwar schon seit etwa 4 Jahren eine neue Beziehung, aber der Kontakt zu dem Ex muss ja schon wegen der beiden Söhne stattfinden. Leider nimmt ihr der Exmann auch keine Sorgen im Bezug auf die beiden Jungs ab, sondern bereitet ihr nur noch mehr Probleme, da er stark trinkt und sie die beiden ihm ungern bzw. eigentlich gar nicht überlassen möchte, abgesehen davon, dass er sowieso nicht besonders scharf ist drauf, sich um die Söhne zu kümmern.

Vielen Dank für die guten Wünsche, ich gebe sie auch gerne zurück
Irmi
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  #6  
Alt 28.11.2008, 19:29
Urmele Urmele ist offline
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Registriert seit: 08.02.2008
Beiträge: 17
Standard AW: Meine liebe Freundin

Lieber Stefan,

vielen Dank für deine ausführlichen Worte.
Du hast schon recht, meiner Freundin ist wirklich alles zu anstrengend geworden. Am liebsten wäre es ihr, wenn sie nicht aufstehen müsste aus dem Bett.
Vorgestern hatte sie einen Termin um 14.00 Uhr, sie hat 2 Stunden gebraucht vom Aufstehen, bis wir los konnten. Aber sie möchte die meisten Dinge ja noch selber machen. Auch wenn sie hinterher wieder die totale Atemnot hat. Das ist nach wie vor das größte Problem.
Als wir dann im Rolli unterwegs waren, das Wetter war herrlich, war sie wieder bester Dinge, wir haben gescherzt und gelacht. Nach der Massage und Lymphdrainage ist sie dann wieder ziemlich erledigt gewesen.
Die letzten beiden Nächte waren schlecht, weil sie so oft hyperventilierte und nicht gut atmen konnte. Morgens kam der HA und hat ihr eine beruhigende Spritze gegeben. Die meiste Zeit hat sie dann wieder geschlafen die letzten beiden Tage. Sie schläft nur noch in fast sitzender Position. Leider ist ihr linkes Bein sehr dick geworden und sie hat nun auch Entwässerungstabletten bekommen.
Das Essen bereitet ihr keine Probleme, wenn sie auch nicht so viel essen mag.
Zusätzlich hat sie jetzt noch Diazepam-Tropfen bekommen.

Wenn ich deinen Schilderungen lese, über das Leiden deiner Frau und dir, dann sehe ich doch wie unterschiedlich diese Sch...krankheit verlaufen kann.
Scheinbar ist deine Frau noch viel schlechter dran, als meine Freundin. Sie kann noch lesen oder Rätsel lösen. Und sie ist schmerztechnisch wirklich super eingestellt. Aber man muss auch bei ihr kontrollieren, bei der Medikamenteneinnahme. Sie experimentiert gerne ein bisschen...
Aber wirklich kann man das nicht miteinander vergleichen oder beurteilen.
Ich lese nur aus jeder deiner Zeilen soviel Liebe und Hingabe (auch Wut, Trauer und Verzweiflung darüber), wie ich es selten erlebt habe.

Und natürlich habe ich keine Erwartungen an meine Freundin, ich möchte sie nur, in der uns verbleibenden Zeit, unterstützen, etwas helfen und lindern und einfach mit ihr sein.

Liebe Grüße,
Irmi
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  #7  
Alt 30.11.2008, 15:25
Stefans Stefans ist offline
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Registriert seit: 27.01.2007
Beiträge: 425
Standard AW: Meine liebe Freundin

Hallo Irmi,

Zitat:
Zitat von Urmele Beitrag anzeigen
Aber wirklich kann man das nicht miteinander vergleichen oder beurteilen.
Nein, das kann man nicht. Weil der der Mensch halt so ist, dass das Leid, dass er selbst unmittelbar oder mittelbar an geliebten Mitmenschen erfährt, immer das schlimmste ist, das es gibt. Das ist auch OK so.

Vergleiche sind da IMHO völlig sinnlos. Jeder erfährt Leid anders und geht anders damit um. Der "gemeinsame Nenner" dabei ist für mich der Titel dieses threads: "meine liebe Freundin." Oder auch: meine liebe Frau, mein lieber Mann, meine liebe Tochter, mein lieber Vater, usw. usf.

Es ist immer schlimm. So schlimm, dass andere sich das nur vorstellen können, wenn sie es selbst (als Kranker oder mit einem geliebten Menschen) erleben. "Schlecht dran" ist, glaube ich, relativ. Wenn wir uns mit Aussenstehenden unterhalten, z.B.: die sind entsetzt, dass meine Frau sterben wird. Und "schlecht dran" ist für die, dass die Krankheit nicht heilbar ist.

Für uns hier aber ist "schlecht dran" nicht, dass es keine Heilungsperspektive mehr gibt und dass meine Frau sterben wird. Das spielt im Alltag keine Rolle. Noe, "schlecht dran" entscheidet sich im Alltag, von Tag zu Tag. Kann sie noch lesen oder sich gar eine gewisse Zeit konzentriert unterhalten. Kann sie die Schmerzen so halbwegs aushalten, ohne die Medikamentendosis zu erhöhen. Kann sie ein paar Löffel mehr essen als gestern. Sprich: wieviel Lebensqualität bleibt ihr jenseits der Morphium-bedingten Schmerzfreiheit eigentlich noch?

Und für mich: wie komme ich damit klar. Und da sehen wir, dass die Theorie viel einfacher ist als die Praxis. Klar nehmen wir unser Eheversprechen ernst, und selbstverständlich will ich für meine Frau sorgen, so lange und so gut ich kann. Aber so langsam tritt das ein, was mir andere hier schon länger vorausgesagt haben: ich stoße an meine Grenzen :-( Nicht von der praktischen Arbeit her (Einkaufen, kochen, putzen, waschen, Einläufe machen, stündlich nachschauen, beim Baden helfen usw.). Das überhaupt nicht.

Sondern von der seelischen Belastbarkeit. Man will mit allen Kräften, die man hat, etwas tun. Aber man kann nichts tun. Natürlich palliativ, aber eben nichts, was zur Heilung beiträgt. Die gibt es nicht mehr. Und mitanzusehen, wie meine Frau "immer weniger" wird und von Woche zu Woche weniger kann (und auch selbst immer geringere Erwartungen an ihr "Restleben" hat). Das ist so bitter, das es wohl nur die Leute verstehen, die sowas selbst erlebt haben. Sinnlos, das anderen erklären zu wollen.

Meine Frau ist gerade mal wieder in der Klinik, und ich schäme mich. Ich schäme mich dafür, dass ich es heute beim besten Willen nicht geschafft habe, sie zu besuchen. Ich habe den Arsch einfach nicht hochgekriegt, es war einfach zuviel. Und ich schäme mich noch mehr, weil ich - der geschworen hat, immer für sie da zu sein - zugeben muss, dass es mich seelisch entlastet, wenn meine Frau in der Klinik ist. Wo sie medizinisch gut versorgt ist und ich mir dieses Elend nicht tagtäglich anschauen muss.

An meinen Ansprüchen als Ehemann / Pflegender gemessen, die ich noch vor 2 Monaten hatte, ist das eine Bankrotterklärung. Meine Frau stirbt, und ich, der gesund ist und den ganzen Tag Zeit hat, ist jetzt schon "froh", wenn sie eine Woche im Krankenhaus ist ?!?! Wenn ich jetzt schon versage... Wie soll das in Zukunft werden, wenn sich die Lage verschlimmert.

Viele Grüße,
Stefan
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