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  #436  
Alt 09.08.2012, 07:26
franz1943 franz1943 ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

tja, Helmut, es kann auch anders gehen, ich war die letzten Tage und Stunden, bist meine Frau verstarb allein mit ihr, die Tochter ist abgehaun und kam erst nach dringendem Telefonat wieder, als die Mutter tot war, danach blieb es mir überlassen. alles zu regeln, unsere guten Nachbarn und Freunde liessen sich nicht mehr sehen, zu meinem 55.Geburtstag war ich allein, das Jahr davor hat meine Frau, wie üblich, ne Riesenparty veranstaltet, wo natürlich alle da waren und feste zugelangt haben, später meinte man wohl, man hätte genug getan, wenn man mich mal sporadisch zum Essen einlud, das sass ich nun allein und als ich mir eine neue Lebensgefährtin aufriess, gings mir nicht so wie Helmut Schmidt, wo jeder jubelt, sondern man nahm es mir übel, eine Geburtstagseinladung wurde abgesagt, die ehe Freunde meiner Frau waren wohl der Meinung, ich sollte bis zum Ende in Trauer leben, aber gut, es war mein Fehler und ich geb niemand schuld, aber wie gesagt, es kann auch anders sein und wenn man weis, was wirklichen Einsamkeit ist, der kann ein bischen mitfühlen!
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  #437  
Alt 09.08.2012, 13:55
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Hallo Franz,

ich hab mal gelesen, was du schon alles durch gemacht hast. Ist ne ganze Menge.

Doch du musst nicht glauben, dass bei mir alles Friede, Freude, Eierkuchen ist. Auch, wenn sich viele meiner Beiträge, so wie z.B. der letzte, locker und leicht mit einem Grinsen im Gesicht lesen lassen. Dahinter steckt immer eine gehörige Portion an Trauerarbeit, die ich erst mal verarbeiten muss und da gerade in diesem Teil des Forums sehr viele Tränen fließen, warum auch nicht mal ein Lächeln oder gar ein Lachen auch bei sehr ernsten Themen?

Auch ich habe meine Frau bis zur letzten Sekunde begleitet. Ich weiß, was das bedeutet und ich kenne die Trauer in allen Tiefen. Auch heute noch falle ich ab und zu auf die Nase. Es ist nicht so, dass ich daran gewöhnt bin, doch ich kann damit "leben". Im wahrsten Sinne des Wortes und mein Rücken ist von einer dicken Hornhaut überzogen von den Menschen, welche mir da runter gerutscht sind. Ich bin diesen Menschen nicht mehr böse. Sie wussten es nicht besser, waren zu feige, intollerant oder was weiß ich alles. Ich kann ihnen geute wieder freundlich begegnen. Das wars dann aber auch schon.

Gehe ich richtig in der Annahme, dass du verbittert bist? Deine Texte klingen manchmal so. Was macht dir noch Freude in deinem Leben? Wenn ich dir mit meinen Fragen zu nahe trete, dann vergiss sie einfach und ein "sorry" im Voraus.


Liebe Grüße,

Helmut
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  #438  
Alt 09.08.2012, 16:24
franz1943 franz1943 ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

naja, man könnte es meinen, naja, ich bin schon ein bischen sauer, nicht verbittert, eigentlich erzähl ich nur, was ich so denke, bei mir schlägt eben das Sprichwort durch: die Verwandten sind die natürlichen Feinde des Menschen! weder meine leibliche noch angeheiratet Verwandschaft ist zu gebrauchen, meine Schwester oder meine Nichte zb hab ich das letzte Mal vor 7 Jahren gesehen, mein Neffe, seit 1977 nicht mehr, es macht mir relativ wenig aus, weil ich die meiste Zeit unterwegs war, jetzt zu guter Letzt hab ich mir noch eine Familie angeschafft-ein spätes Hobby-Sohn 14 Jahre-Tochter 9 Jahre-Sohn 8Jahre, naja,also ich hab eigentlich ein gutes Leben geführt, es hat nie an irgendwas gemangelt-und wie gesagt. die Verwandschaft, da muss man eben durch, also nicht verbittert-vielleicht ein bischen zornig, aber wenn ich so lese, wies anderen geht, bin ich eigentlich noch gut dran, hab gestern die 187. Spritze Interferon gesetzt und es ist echt seltsam, eigentlich intressiert mein Krebs keinen Menschen, gut ich geh nicht gross damit hausieren, die Kinder und Frau nehmen das ohne grosses Trara, meine Tochter ist eh sau cool: natürlich machen sich Kinder auch Gedanken, also meine Tochter sagte, auf mein Alter anspielend: Papa, wenn ich gross bin , bist du schon tot ! ach, ich liebe meine Kinder und ich weiss nicht, wenn von der dreien am meisten-ist temporär !
bis zum nächsten Mal !
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  #439  
Alt 09.08.2012, 19:15
kleine-fee kleine-fee ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Ja, Freunde kann man sich aussuchen, Familie nicht. Gerade in solchen Situationen erkennt man es deutlich. Das ist glaube ich überall so. Ich sage dann mir selber " Aber die die bleiben auf die kann ich auch in der Not zählen. Also nicht sauer sein, damit wird man verbittert.
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Meine Mama wurde nur 65 Jahre jung.
Sie starb am 15.03.2012 aber in meinem Herzen ist sie bei mir

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  #440  
Alt 10.08.2012, 00:39
ulphin ulphin ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Lieber Helmut,

ich finde, Du könntest Hartmut gegenüber etwas mehr Langmut an den Tag legen, ich verstehe es sehr sehr gut, wenn er – anstatt den Staubsauger zu quälen – sich von einem guten Buch ablenken lässt und dann daraus noch und alle hier an seinen Erkenntnissen teilhaben lässt

Mit herzlichen Grüßen, auch an Hartmut

ulphin
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  #441  
Alt 10.08.2012, 05:26
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Lola -Cana Lola -Cana ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Hallo Helmut,
Der Zufall hat mich hierhier gefuehrt und ich freue mich riesig dass Deine Kleine Mama wird. Und Du hast das grosse Glueck wieder mal Opa zu werden.
Und ueberrascht bin ich eigentlich nicht dass Du das Fliegen lernst, ich denke Du hast einige Zeit darueber nachgedacht ob es die richtige Entscheidung ist dieses Steuer in die Hand zu nehmen.
Ich bin mir aber sicher dass Dein Privatjet eine feste Landestelle hat um den neuen Erdenbuerger und die alte Sippschaft nicht aus den Augen zu verlieren!

Ich gratuliere und wuensche Dir einen guten Flug, moege die Landung sanft sein und das Flugziel eine neue Heimat werden.
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Lola
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  #442  
Alt 10.08.2012, 22:00
kleine-fee kleine-fee ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Lieber Helmut,
heute hab ich echt einen Depri gehabt, aber Dank Dir geht es mir echt besser .
Ich lese einfach und ich schmunzel und es geht mir wieder besser.
Danke Dir
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  #443  
Alt 18.08.2012, 19:06
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HelmutL HelmutL ist offline
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Daumen hoch AW: Hinterblieben, nur wo?

Kleine Fee,

es ist Hartmut ein ganz spezielles Anliegen, dass seine Leser lächeln beim Lesen.

Lola,

wir betonieren schon fleißig an der/den Landbahnen

Ulphin,

Vorsicht. Hartmut kann sehr eitel sein. Nicht, dass er noch überschnappt. Dann hab ich gar nichts mehr zu lachen.



15.07.

15 Uhr. Radio an, leise. Ein kleines Mittagsschläfchen auf der Couch.

Boah! Muss das sein? Der Poisel singt. Bilder kommen hoch. Schwer und dunkel. Die letzten Tage, die letzten Stunden. Ich sehe die Augen. Zu Hause, auf der IS. Das Gesicht abgrundtief müde und traurig.

Was geht dahinter vor? Angst? Trauer? Wut? Verzweiflung? Panik? Einsicht? Gewissheit? Vielleicht sogar irgendwann Frieden? Akzeptanz? Resignation? Ist das, was ich sehe, nicht mein Blick nach drinnen sondern es ist für uns gedacht? Für unsere Kinder? Für mich?

Versuche, mich zu wehren. Keine Chance. Gedanken rasen unfassbar durch den Kopf. Was passiert in Menschen, die wissen, dass sie jetzt sterben werden? Wie ist das? Was geht da ab? Was wird das mal bei mir sein? Werde ich das von damals nochmal erleben? Die Chancen stehen 50/50. Wie werde ich das erleben, so oder so? Wie meine Freundin, so oder so? Dabei, verblüffend, fällt mir ein: sie ist immer mindestens im zweiten Atemzug dabei, ein fester Bestandteil. OK dann, ich lasse mich fallen und werde langsam ruhiger. Ein seltsames Gefühl kommt. Ich fühle meinen Körper. Sein Gewicht auf der Couch. Ich bin verblüfft. Was ist das und versuche es nochmal zu fühlen. Konzentriere mich drauf. Es geht, das Loch verblasst langsam und ich schlafe ein.

"Mach dir keinen Kopf. Du kannst die Grenze nicht überschreiten. Es ist gut so wie es ist. Alles ist gut. Geh zurück. Du lebst. Du kannst es fühlen."


Danke.


"Denn wann es (das Leben) zu Ende ist, das bestimmt jener, der dich einst hat ins Dasein treten lassen, wie er jetzt dein Ende beschlossen hat. Du aber bist unschuldig an beidem. Scheide darum in Frieden. Denn auch er, der dich in seiner Weisheit abberuft, ist voller Frieden."
(Marc Aurel (121 - 180), römischer Kaiser und Philosoph)


Damals wollte ich das Buch entsorgen. 2 Jahre lag es im Staub meiner Baustelle unten. Nun lese ich darin, am Abend nach der Geschichte von oben und aufgeregt springt mich dieser Satz an. Zufall?


Alles Liebe,

Helmut
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  #444  
Alt 21.08.2012, 18:02
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Jepp, ins Leben zurück .....




Organscreening

Herz - OK
Lunge - dem Alter entsprechend
Blase - an der richtigen Stelle (alles andere auch)
Blutgefäße - vorhanden, was vorhanden sein soll und i.O.
Füße - 2
Hände - 2
Zehen - 2 x 5
Finger - 2 x 5
Arme, Beine, Rücken, Kopf - alles i.O.
Länge - 24 cm
Gewicht - 390 gr
Woche - 21,1 (22. Woche)
Geschlecht - definitiv ein Mädchen. Keine Chance, das noch zu ändern





Mein holpriger, unsensibeler, unberechenbarer, kantiger Freund (nein, nicht Hartmut. Der andere. Ihr wisst schon) klopft mir lachend und beglückwünschend auf die Schulter, dass ich fast in die Knie gehe. Jedoch nur fast.

Mit Hartmut ist im Moment nicht zu reden. Der ist das personifizierte Grinsen. Zum Glück hat er Ohren. Sonst würde er auch noch nach rückwärts grinsen.

bis demnächst,

Helmut
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  #445  
Alt 21.08.2012, 18:47
Tantchen Tantchen ist offline
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Daumen hoch AW: Hinterblieben, nur wo?

Glückwunsch der gesamten Großfamilie - das ist doch ein wunderschöner Schritt in die Zukunft. Nu musse nur noch wachsen und den Umzug gut überstehen.

Euch alles Liebe
Karin
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  #446  
Alt 21.08.2012, 19:08
Kerstin L Kerstin L ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Super!!! Ich freue mich für Dich / Euch!!!

Liebe Grüße
Kerstin
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  #447  
Alt 24.08.2012, 02:38
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HelmutL HelmutL ist offline
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Daumen hoch AW: Hinterblieben, nur wo?

Guten Abend (oder besser guten Morgen),

vielen Dank für die guten Gedanken und Wünsche. Über einen musste ich herzhaft lachen .... den "Umzug" Ich denke, das wird ihr auch noch ganz gut gelingen.

Ich lese sehr viel kreuz und quer in diesem Forum und immer wieder werden Ärzte angezweifelt und angefeindet. Sicherlich auch manchmal mit Recht. Doch Ärzte sind auch nur Menschen und so, wie es gute und weniger gute Automechaniker gibt, ist es auch bei Ärzten. Das ist keine Frage. Was auch oft bemängelt wird, ist die Menschlichkeit.


Über die Menschlichkeit von Ärzten.

Termin zur Nachuntersuchung nach der Ablatio (auch) der linken Brust. Wir sind früh dran und müssen noch warten. Außerdem scheint mal wieder alles nur Hektik zu sein. Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger sind nur in Eile. Unsere Onkolgin rennt vorbei: "Guten Morgen. Ich bin gleich bei ihnen ..." und ist wieder weg. OK, es dauert dann doch ein wenig länger. Egal, wir haben Zeit.

Schließlich kommt sie mit fliegendem Kittel auf uns zu: "OK, immer rein in die gute Stube." lächelt sie uns an. Drinnen geht sie zuerst ans Fenster, schaut einen Moment nach draußen. Dann atmet sie tief ein, bläst hörbar die Luft wieder raus und dreht sich zu uns um. "So, das musste mal sein." Wir begrüßen uns jetzt in Ruhe und sie entschuldigt sich für die Wartezeit. Dann stellt sie ihre Fragen an meine Frau. Wie sie sich fühle, nach Schmerzen, nach den Medikamenten und Verträglichkeit, ob sie irgendwas brauche und, und, und. Dabei schaut sie meiner Frau konzentriert an, ist ganz bei ihr. Auch für ein paar Scherze ist Zeit. Ein kurzer Blick noch in die Akte und: "Machen sie bitte schon mal den Oberkörper frei. Ich möchte sie mir genau ansehen."

Konzentriert tastet sie die Brust ab (bzw. wo diese mal war). Fragen, Antworten. "Wow, das sieht ja gut aus!" und wir alle strahlen übers ganze Gesicht. Dann setzt sie sich hinter meine Frau, um auch den Rücken zu begutachten. Kaum sitzt sie, sehe ich, wie ihr Gesicht immer länger wird und die Farbe wechselt, schaut nochmal unter die Achselhöhle, tastet, hebt den Kopf und schaut mich an.

In ihrem Gesicht spiegelt sich Entsetzen, in ihren Augen Enttäuschung, tiefe Traurigkeit und ... Tränen. Langsam schüttelt sie den Kopf, legt den Zeigefinger an die Lippen. Ihr Gesicht versteinert, zusammengesunken auf dem Hocker. Ein Räuspern. "So, Fr. L., sie können sich wieder anziehen. Es ist nicht sonderlich warm hier." Sie dreht sich zum Schreibtisch und macht sich ihre Notizen. 5 Minuten Schweigen. Dann erklärt sie ruhig und sachlich, was sie gesehen hat und welche Möglichkeiten es ihrer Meinung nach gibt. Vorbehaltlich dem, was der Professor noch zu sagen hat. Zum Abschied hält sie die Hand meiner Frau einen Tick länger als gewöhnlich.

Es war von Anfang an selbstverständlich, dass ich bei allen Terminen (wo möglich) dabei war. Nicht nur bei Arztgesprächen. Untersuchungen, 2 x Stanzbiopsie, Sonografie, egal. Niemand störte sich daran. Nicht nur akzeptiert. Ich habe den Ärzten bei ihrer Arbeit zugeschaut und zugehört, habe die Gesichter gesehen, ihren Umgang mit uns erlebt. Doch nie zuvor so, wie oben beschrieben. Ich habe den Menschen gesehen. Im Herbst 2007. Den Mensch "Arzt", mit Tränen in den Augen.


Eine gute Nacht,

Helmut
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  #448  
Alt 24.08.2012, 22:22
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Jyrina Jyrina ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

hallo lieber helmut,

ja ich kenne diese art "menschlichkeit arzt" auch habe sie sehr oft erlebt.

deine geschichte hat in mir die erinnerung geweckt und dabei laufen mir die tränen in strömen, du siehst das trauertier hat mich auch nach 4 1/2 jahren noch fest im griff. es hängt an mir wie eine kettenfessel mit kugel. mit langsamen schritten geht alles und man denkt nicht mehr daran, kommt auch vorwärt...........und dann, kaum freut man sich und hüpft schon schnellt dieses ding an mich ran und trifft mich mit vollem schlag...............ich suche noch die zange mit der ich mich von dieser kugel befreien kann.

ich wünsche dir ein schönes wochenende.
lg gerda
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Es ist nicht wenig Zeit, die wir zur Verfügung haben,
sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen.
Mein Schatz geb. 08.07.1954 seit 16.01.2008 im Regenbogenland
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  #449  
Alt 26.08.2012, 21:56
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Hallo Jyrina,

ich freue mich, dich mal wieder zu lesen. Lange nichts "gehört" von dir. Schade nur, was ich in dir ausgelöst habe. Obwohl, mir war schon bewusst, was ich da schrieb. Vielleicht doch nicht schade?

Ich habe diese Kugel am Bein in Watte gepackt, weil auch ich keine Zange finden kann und das, obwohl meine Werkstatt an sich gut bestückt ist. Also trage ich diese Kugel in einer Tasche mit mir herum. OK, manchmal vergesse ich diese Tasche um zu hängen. Dann passiert es doch, dass sie mir unvermittelt in die Haxen kracht. Doch sie erinnert mich ja auch an die schönen Dinge aus der Vergangenheit.

Wie du sicher weisst, leidet meine Schwiegermutter an Alzheimer. Der Tot ihrer Tochter versetzte ihr einen gewaltigen Schlag in ihrer Krankheit. Sie kennt keine Trauer um ihre Tochter. Sie kennt ihre Tochter nicht mehr. Es hat sie in ihrem Leben nie gegeben. Das ist grausam. Ich wünschte ihr, sie könnte um ihre Tochter trauern.


Liebe Grüße,

Helmut
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  #450  
Alt 02.09.2012, 15:59
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

"Die Zeit heilt alle Wunden".

Wir alle wissen, das stimmt nicht. Wie oft hört man diesen Spruch, gedankenlos oder aus Verlegenheit hingeworfen, weil den Menschen in unserem Umfeld nichts besseres einfällt. In uns beginnt es zu kochen, wenn wir diesen Satz hören. Manchmal wäre es besser, die Menschen hielten einfach nur die Klappe.

"Moin, Helmut."
"Moin."
"Eii, was ist los? Mit dem falschen Bein aus dem Bett gehupft?"
"Ach, Quatsch."
"Trink erst mal nen Kaffee. Das weckt die Lebensgeister. Wars spät gestern Abend?"
"Kaffee ist gut. Nee, nicht später als sonst."
"Miesepeter, schau mal aus dem Fenster. Die Sonne lacht. Ein herrlischer Tag!"
"Ja und? Kann ich was dafür?"
"Ouh maan, Helmut. Nee, DU nicht! Das war keine Laus, das war ne ganze Läuseherde, die da über deine Leber getrampelt ist. Was war los? Komm, raus mit der Sprache."
"OK. Da hat doch tatsächlich jemand gesagt: die Zeit heilt alle Wunden. So ein Vollpfosten. Mensch Hartmut, der ist so blöd wie ein Meter Waldweg!"
"Kann sein."
"Kann sein?"
"Ja, kann sein. Kommt zum Einen drauf an, wer es gesagt hat."
"Zum Einen? Und zum Anderen?"
"Es spielt schon eine Rolle, wer das sagt. Hast du dir je wirklich die Mühe gemacht, über diesen Satz nach zu denken?"
"Was gibts denn da zu denken!"
"Oh, ne ganze Menge."
"Mann, Hartmut. Du nervst. Geh raus spielen und lass mir meine Ruhe!"
"Nö. Spielst die beleidigte Leberwurst und du fühlst dich wohl dabei."
"Du gehst mir auf den Senkel. Dann geh ich halt. Brauch eh frische Luft."
"Ok. Was dagegen, wenn ich mitkomme?"
"Nein. Aber halt die Klappe."
"Du weißt, dass ich das nicht kann."
"Aaaaah, womit hab ich DICH verdient?? Ich geh noch duschen."
"Helmut, das frag ich mich manchmal auch."
...
...
...
"Boah, Hartmut. Ist das Wetter heute nicht herrlich? Warm, kein Wind wie gestern."
"Jou. Gestern wars besch...eiden."
"Sag mal, hast du heute morgen auch geduscht?"
"Ja, warum?"
"Ach nix. Nur, wenn du nochmal den Regler auf kalt stellst, dann kannst du was erleben. Bin um Haaresbreite an einem Herzinfarkt vorbei!"
"Hab den Urschrei gehört. Sorry. Ich denke, jetzt bist du wach. Willkommen zurück im Leben."
"Ich soll dir wohl noch dankbar sein?"
"Och nöö. Hab ich doch gerne gemacht. Ich hoffe nur, deine grauen Zellen haben nicht zu sehr gelitten."
"Von welchen grauen Zellen sprichst du?"
"Pruuuust. OK. Das war nun deine Ansage. Gibst du mir das schriftlich?"
"Nein, Hartmut! Werd mich hüten."
"Ok, dann pflücken wir den Satz mal auseinander. Die Zeit -- heilt -- alle Wunden."
"Wunde steht für Trauer."
"Genau. Die Wunde heilt. Was heißt das?"
"Die Trauer verschwindet."
"Falsch. Ein Beispiel. Du hast dir dein Bein gebrochen."
"Und? Das heilt doch?"
"Richtig. Es heilt. Doch die Bruchstelle bleibt für immer eine Schwachstelle und obwohl dem so ist, wirst du trotzdem weiterhin Sport treiben. OK, du eher weniger, ...."
"Du und deine Scherze."
"... nur halt vorsichtiger. Dein Bein wird nie mehr zu 100% belastbar sein wie vorher. Du akzeptierst das und arrangierst dich. Trotzdem sagt man, die Wunde ist geheilt. Obwohl doch was zurück bleibt. Du weißt um deine Schwachstelle. Beim Wetterumschwung z.B. kann sie schmerzen."
"Ok, verstanden. Die Trauer kann also jederzeit trotz "Heilung" immer mal wieder schmerzen. Sie ist nicht vorbei."
"Schlaues Kerlchen. Du kennst sie und kannst damit umgehen."
"Gut. Und die Zeit? Die Zeit, die Zeit, wenn ich das schon höre. Die macht überhaupt nix. Schon gar nicht heilen."
"Genau das ist der Knackpunkt. Genau so interpretieren das die meisten. Als bräuchte man sich nur still in die Ecke zu hocken und zu warten. Was wäre, wenn es die Zeit gar nicht gäbe bzw. sie bliebe stehen?"
"Das wär doch ganz schlecht. Dann gäbe es ja keinen Ausweg aus der Trauer außer ... nee, daran will ich nicht denken. Ich brauche diese Zeit. Ohne sie ginge doch gar nichts."
"Eben. Zeit ist nur ein Maß von früher zu jetzt auf nachher. Sonst nix. Sie tut absolut nichts. Sie ist nur deine Chance zum Überleben. Nicht mehr und nicht weniger."
"Das heißt doch, Hartmut: nicht die Zeit heilt die Wunden, also nicht in die Ecke hocken, sondern du hast Zeit auf zu stehen und selber was zu tun. Sonst gibt es keine Lösung."
"Jepp, Helmut. Zuerst ist die Erinnerung nur schmerzlich. Irgendwann kann man auch wieder wehmütig lächeln und eines Tages sich wieder freuen in der Erinnerung und von Herzen lachen über diese Weißt-du-noch-damals-Geschichten. Ohne die Zeit zu haben, ginge das gar nicht. Auch wenn noch manchmal eine Träne dabei ist."
"Ok, Hartmut. Man sollte solche Sprüche nicht einfach sooo wörtlich aufnehmen. In den meisten ist auch was Wahres. Denken muss man schon selber."
"Du? Denken? Ich erinnere dich an heute Morgen. Überlaß das besser mir."
"Oh mann ..."
...
...
"Hartmut, siehst du den Biergarten da vorne? Hab keinen Bock mehr, durch die Gegend zu latschen. Wie wärs mit nem kühlen Blonden? Ich geb einen aus."
"Guuute Idee! Du hast es sowieso besser als ich."
"Wie das?"
"Dir tun nur 2 Füße weh ..."
"Na dann ..."
"Prost Hartmut"
"Prost Helmut"


Eigentlich mag ich den Hartmut ja ganz gerne. Wenn er nur nicht immer so schrecklich ehrlich und direkt wäre und manchmal sogar richtig frech . OK, jeder hat seinen "Hartmut". Man sollte ihn nur raus lassen, zu lassen. So manches erledigt sich dann fast wie von selbst. Wo er steckt? Da oben, zwischen den Ohren, ganz tief hinten. Oft begraben unter meterdickem Schutt aus Verzweiflung, Wut, Trauer und was es alles an Begehrlichkeiten von innen und außen gibt. Den muss man nur zuerst wegräumen. Dazu hat und braucht man die "Zeit".


Einen sonnigen Sonntag euch allen,

Helmut
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Geändert von HelmutL (02.09.2012 um 20:33 Uhr) Grund: Das Felertäufelchen ;)
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