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  #601  
Alt 22.03.2007, 14:34
vanitas02 vanitas02 ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

@ hase
ja, bin auch froh, dass ich den thread noch mal hochgeholt habe. anscheinend haben ja mehrere ein interesse daran. und ja, auch ich frage mich oft, wie ich das alles durchstehe. das ist dann eben genau der punkt, wo ich mich frage, ob ich herzlos bin, weil ich das doch bisher ganz gut überstehe. aber ich trauere ja um meine mutter. ich hatte sie sehr sehr lieb. sie fehlt mir. aber ich hab halt meine eigene art, damit umzugehen. wie jeder von euch auch seine eigene art hat. ich denke, da darf man sich von der umwelt auch nicht zu sehr beeinflussen lassen. jeder soll so weitermachen, wie es sich für ihn richtig anfühlt.
mir geht es auch oft so ... ich fahre gerade von der arbeit nach hause ... und denke mir ... mensch, arbeit vorbei. du fährst heim. alles wie immer. aber deine mutter ist doch tod. erst gestern ging es mir wieder so. da erschrecke ich dann teilweise richtig, weil mein leben so normal weitergeht und meine mutter doch nicht mehr da ist. da hab ich in dem moment das gefühl, es dürfte nicht alles wie immer sein.
auch die angst zu vergessen kenne ich. ich hab sie noch gut im gedächtnis. leider vor allem die zeit, als sie krank war. aber ich denke auch der rest kommt wieder. aber ich hab auch angst davor, dass meine erinnerung an sie erblasst, das möchte ich nicht. die letzten tage fällt es mir eh alles wieder etwas schwerer. sitze oft hier und schreibe oder lese ... und krieg feuchte augen *schnief*

@ cinderella


damals beim tod deiner mutter warst du halt leider noch sehr jung. hättest einerseits auf jeden fall deine mutter noch länger gebraucht (schau uns jetzt an. sooo jung sind wir alle nicht mehr und es belastet uns trotzdem sehr. mutter-tochter ist einfach was besonderes) und zweitens warst du auch so jung, dass du vielleicht vieles noch nicht verstanden hast. bzw. wahrscheinlich auch durch die erwachsenen, sprich dein vater, die ärzte, etc. außen vor gelassen wurdest, weil sie dich schützen wollten? insofern warst du sicher einfach damit überfordert. wusstest nicht, ob du deine mutter mit den schläuchen überhaupt noch anfassen durftest (tröste dich, habe hier oft gelesen, das geht auch vielen erwachsenen so. da ist eine gewisse scheu da) und vielleicht hast du dich auch ein bisschen gefürchtet. meine mutter sah durch ihre schmerzen am samstag (zum glück wirklich "nur" samstag) und danach durch die heftigen schmerzmittel auch anders aus als früher. für mich war sie trotzdem meine mama. aber ich bin auch erschrocken, weil sie plötzlich so alt ausgesehen hat. und meine mama sah immer so jung aus. ich denke, wenn man noch ein kind ist, dann schreckt einen das noch viel mehr ab. ich würde dir sagen, du solltest dir da keine vorwürfe machen. klar, ist leichter gesagt, als getan. aber deine mutter wusste doch definitv, das du sie sehr lieb gehabt hast. da bin ich mir sicher. mütter wissen sowas doch einfach

das mit deiner schwester tut mir auch sehr leid. es ist einfach so schwer, die menschen, die man liebt gehen zu lassen. vor allem, nachdem ihr wohl durch den frühen tod deiner mutter sehr eng zusammengewachsen war. konntest du wenigstens deine schwester begleiten und von ihr abschied nehmen? das würde ich dir wünschen.
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  #602  
Alt 22.03.2007, 14:51
Cinderella80 Cinderella80 ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Hallo Vanitas,

erst mal vielen Dank für Deine lieben Worte!

Ja, von meiner Schwester konnte ich Abschied nehmen. Ihr Mann und die Familie konnten Ihr Ihren letzten Wunsch erfüllen und sie durfte zu Hause und bei Ihren Lieben sterben.

LG
Cinderella80
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  #603  
Alt 22.03.2007, 15:04
engelen engelen ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

danke: dafür, dass ihr mich versteht und euer angebot mir zuzulesen!

bin gerade überwältigt von euren schicksalen und geschichten und werde morgen wieder hier sein!

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  #604  
Alt 22.03.2007, 15:30
Benutzerbild von spectatres
spectatres spectatres ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Hallo Ihr Lieben,
irgendwie rennt man durchs Leben und meint immer, man sei die Einzige der sowas passiert ist. Aber hier in diesem Forum sieht man plötzlich das man nicht allein ist und das tut gut.
Meine Mama ist schon vor 6 Jahren an dieser furchbaren Krankheit gestorben und ich hätte es schön gefunden, wenn ich damals schon dieses Forum gehabt hätte.
Ich habe mich während dieser Zeit, also wo meine Mum im Sterben lag, so was von einsam und verlassen gefühlt. Niemand hat das interessiert. Die Verwandten waren plötzlich verschwunden?! Freunde hm... die haben sich auch verdächtig wenig blicken lassen. Eine Freundin hat sich komplett von mir zurück gezogen, ich glaube sie konnte nicht damit umgehen. (Eine andere Erklärung habe ich jedenfalls nicht)
Ihr habt Recht, in einer solchen Zeit wird einem erst bewußt, was es für ein Geschenk ist gesund zu sein!!! Zu atmen, zu essen und zu verdauen!! Ja das klingt komisch, aber euch kann ich da ja sagen, denn ich weiß genau das ihr mich versteht.

Zitat:
hase76: wundere mich nämlich zur zeit ganz doll, warum ich das überhaupt alles durchhalte, funktioniere irgendwie nach außen hin, bin wieder am arbeiten und das lenkt mich auch gut ab. aber trotzdem sind meine mutti und diese furchtbar traurigen gedanken jederzeit bei mir und manchmal brechen sie schlagartig durch und ich weine, weine.. und das ist so erleichternd! auf der anderen seite habe ich deswegen wieder ein so furchtbar schlechtes gewissen, dass ich wieder arbeite, dass mein leben halt weiter geht und meine mutti all das nicht mehr erleben darf... und schon wieder rollen die tränen.. und außerdem habe ich so schreckliche angst zu vergessen, wie sie ausgesehen hat und wie ihre stimme klang (kennt ihr das auch?)
Lieber Hase,
ich kenne diese Gedanken ganz genau!! Aber wenn ich dich in einem Punkt beruhigen kann, ich kann mich heute noch genau daran erinnern wie sie ausgesehen hat, ich sehe ihre Augen, ihr liebes Gesicht ich weiß wie ihre Stimme klingt. Zumal ich sie ab und zu höre. (Natürlich nur in mir drin ) Außerdem beginne ich viel mehr als früher Gemeinsamkeiten an uns zu erkennen, oder manchmal sage ich Sätze die auch von ihr kommen könnten.
Oder das mit dem schlechten Gewissen. Habe ich heute noch diese Anwandlungen!! Wenn ich mich über irgend was furchtbar freue dann kommt gleich das schlechte Gewissen: toll, du freust dich und deine Mama kann all das nicht mehr erleben. Aber: nie im Leben wurde unsere Mama's wollen das wir unglücklich sind!! Meine Mama hat mir das bevor sie gestorben ist sogar gesagt: "Versprich mir mein Kind, das du nicht allzu traurig bist wenn ich sterben sollte. (Da wussten wir noch nicht ob sie es schafft) Denk immer daran, das ich dann wenigstens keine Schmerzen mehr habe." Naürlich habe ich das Versprechen nicht gehalten, ich konnte nicht. Sie war der wichtigste Mensch in meinem Leben, es fühlte sich für mich so an, als ob jemand mein Herz raugerissen hätte. Ich habe auch ca. ein halbes Jahr gebraucht bis ich richtig weinen konnte. Vorher habe ich nur funktioniert und stand total unter Schock. Ich glaube ich hab nicht mal auf Ihrer Beerdigung geweint, ich konnte nicht, ich war zu verzweifelt. Ich dachte wenn ich damit anfange, kann ich nie wieder damit aufhören.
Es bleibt für immer eine entzetzliche Lücke in meinem Leben die niemand schließen kann, aber irgendwie habe ich gelernt damit zu leben. Es gibt immer gute und schlechte Tage. Wer mir unheimlich geholfen hat zu trauern war mein Mann, als ich den kennen lernte (ca. ein halbes Jahr nach dem Tod meiner Mum) konnte ich weinen. Und da hab ich so viel geweint, das es für ein ganzes Leben reicht. Aber da habe ich auch gemerkt wie es endlich ein bißchen leichter wurde. Der tonnenschwere Klotz auf meinem Herzen begann ganz langsam zu schmelzen.
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Geändert von spectatres (22.03.2007 um 15:32 Uhr)
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  #605  
Alt 22.03.2007, 16:46
vanitas02 vanitas02 ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

hallo spectatres,

ich hoffe, du nimmst mir das in 12.12.2006 nicht übel ... ich würde mich freuen, wenn wir hier kontakt halten könnten ...

ich muss sagen, meine verwandten waren sehr klasse. die haben sich gekümmert. denen hat das auch ganz schön einen schlag versetzt. aber die bande (mütterlicherseits) waren schon immer ziemlich eng ... und sind das auch geblieben. dann hatte ich noch 2-3 ganz liebe leute, die sich so um mich gekümmert haben. ich kann nicht sagen, dass ich allein und verlassen war. zum glück ...

es tröstet mich sehr, dass du dich auch heute noch so gut an deine mutter erinnern kannst. davor hab ich nämlich auch angst. ich möchte sie doch nicht vergessen. sie war der wichtigste mensch in meinem leben.

es ist schön, dass du danach deinen traummann getroffen hast. ich hab im moment eher angst davor. klar, es wäre einerseits schön. aber andererseits wäre das wieder genau so eine sache, bei der man sich denkt "ich hätte mir so gewünscht, dass er und meine mama sich hätten kennenlernen können" ... aber so etwas wird wohl leider noch öfter kommen ...
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  #606  
Alt 22.03.2007, 17:42
Benutzerbild von anni_s
anni_s anni_s ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

hallo ihr lieben,
wow, gestern hat vanitas den thread wieder aufleben lassen, und heute sind wir schon so viele! ich kann mich nur anschließen, es kam grade zur rechten zeit.
ich bin auch total abgesackt, nachdem ich aus meiner erstarrung "aufgewacht" bin. war kaum noch in der schule, bin kaum rausgegangen, habe sogar das pferd vernachlässigt. das ging soweit, dass ich zum halbjahr hin zurück gegangen bin. habe schon einmal wegen eines einjährigen auslandsaufenthaltes das jahr wiederholt und stecke nun mit 19 jahren (da bin ich wohl die jüngste hier) im 11. jahrgang. der teufel scheißt immer auf den größten haufen, wie mein vater gesagt hat. anfang letzten jahres ist sein cousin an lungenkrebs gestorben. dann kam im september der tod meiner mutter, im oktober hatte die cousine meines vaters einen schlaganfall und starb nach einer woche im koma, ihr sohn hat darmkrebs und wird es wohl auch nicht mehr lange schaffen. stück für stück zerfällt unsere kleine familie, der krebs hat es auf uns abgesehen. das macht mir etwas angst.
euch allen möchte ich mein herzliches beileid aussprechen. ich werde im sommer von zuhause ausziehen und mir mit meinem freund eine wohnung suchen, ich brauche einen neuanfang. mein vater hat seit dezember eine neue beziehung und ich möchte den beiden einerseits die chance geben, etwas neues anzufangen, andererseits kann und will ich nicht so stark in dieser beziehung vorhanden sein, wie es nun mal bei meinen eltern ist. zuhause reden wir kaum über trauer, schmerz, verluste. eigentlich reden wir garnicht da drüber. mein vater und ich sind beide "stark", zumindest von außen. ich weiß zwar nicht, wie es bei ihm innen aussieht, aber an den meisten tagen bin ich kurz vor dem auseinanderbrechen. jetzt habe ich auch noch einen bänderriss, das heißt: kein pferd, kein sport, viel zu viel zeit zum nachdenken. hoffentlich komme ich heil durch diese zeit.
schön, dass ihr alle hier seit, hoffentlich bleibt das noch lange so!

alles liebe, anni
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  #607  
Alt 22.03.2007, 23:08
stef777 stef777 ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

hallo ihr lieben,

ich "gehöre" hier zwar nicht wirklich dazu, da ich meinen vater an BDSK verloren habe, keine mutter (bin 33), aber ich würde gerne zum kleinen Trost an alle weitergeben....:
ich kenne das, dass man sich am anfang mit den krankheitsbildern quält, stunde um stunde, tag um tag. sich viele vorwürfe macht, vieles besser hätte machen wollen etc. etc...mir ging es sehr sehr elend....und wenn erinnerungen hochkamen, dann die der letzten tage und stunden, in denen mein vater starb.

ABER es ändert sich...nicht bewusst, nach dem motto "so jetzt denke ich mal an die schönen zeiten mit papa" (das hatte ich auch versucht), sondern automatisch, wenn man "in der trauer vorangeht"...!!!! es ändert sich wirklich! bei jedem wohl in einem unterschiedlichen individuellen tempo.
ich habe heute immer noch manchmal schlimme flashbacks, aber nicht mehr so oft und so lange wie anfangs....! ich sehe heute nicht nur sein leidendes gesicht am ende vor meinem inneren auge, sondern auch wie er in gesunden zeiten war, lachte und spass hatte.

LG an alle
stef.
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  #608  
Alt 23.03.2007, 00:41
Benutzerbild von marita76
marita76 marita76 ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Hallo,

ich hab mich total gefreut, dass ich nach einer Stunde schon eine so liebe Antwort auf meinen Beitrag hatte - vielen lieben Dank, vanitas !! Es tut wirklich gut zu wissen, dass man nicht allein ist. Bisher hab ich immer nur auf Foren mitgelesen, aber nicht selber geschrieben (noch ne Gemeinsamkeit, hase :-))

Im Grunde fühle ich mich relativ gefasst, relativ wohlgemerkt.. Das mag damit zusammenhängen, dass ich schon seit der Metastasen-Diagnose regelmäßig abends heulend in den Armen meines Freundes lag und mich schon seit Dezember versuche, mit dem Gedanken anzufreunden, dass meine Mama nie Oma sein wird. Das finde ich mit am schlimmsten, dass sie nicht da sein wird, um das mitzuerleben und ich sie nicht um Rat fragen und die Freude und die Sorgen mit ihr teilen kann.

Heute Morgen bin ich trotz miserablem Wetter im Schlosspark alleine zwei Stunden spazieren gegangen. Es lag ein bisschen Schnee, der in der Nacht gefallen war, es hat ein bisschen geregnet und der Park war menschenleer. Das war genau das, was ich gebraucht hab. Ich hab viele Fotos gemacht, bin zwischen den Enten und den Statuen rumgestapft und konnte meinen Gedanken freien Lauf lassen.

Und heute Abend haben wir Omas Geburtstag ein bisschen nachgefeiert. Haben zusammen gegessen und erzählt und alte Bilder angeschaut. Zwischendurch hab ich immer wieder gedacht: Es ist irgendwie so, als wäre Mama nur gerade im Bad oder in der Küche und würde gleich wieder an den Tisch kommen. Ich glaube, dem Rest der Familie ging es genauso.. Wir haben sogar Witze gemacht über ihre Frisur und ihre Brillen in den 70ern und 80ern. Nur als Oma das Geschenk ausgepackt hat, das Mama noch für sie ausgesucht hat und ihre Glückwunschkarte gelesen hat, ist sie in Tränen ausgebrochen und wir haben alle schwer geschluckt. Klar..

Aber ich bin sehr gespannt, wie das in den kommenden Wochen und Monaten weitergeht. Ob ich einfach so weitermachen kann wie bisher, mich auf die Arbeit konzentrieren, die Freizeit genießen wie eh und je usw..

Ich weiß noch gar nicht, ob ich mit meinen Freunden so viel über das Thema reden möchte. Eigentlich denke ich eher, dass ich jetzt ein bisschen Zeit für mich brauche und dann eher davon profitiere, wenn die Zeit mit den Freunden so ist wie immer. Ich habe aber zwei unter meinen Freunden, die auch gerade im Januar dieses Jahres ihre Mama bzw. ihren Papa durch Krebs verloren haben. Mit denen kann ich auf jeden Fall immer reden, auch wenn schon Zeit vergangen ist, denke ich. Es ist unglaublich, wie viele Menschen von dieser Krankheit betroffen sind!

@hase: ich freue mich, wenn wir uns austauschen können. Es tut wirklich gut, alles aufzuschreiben, das merke ich gerade.. ich glaube, reden könnte ich im Moment nicht so gut wie schreiben.

Du fragst nach den letzten Tagen meiner Mama:
Also, meine Mama kam am 11. März mit dem Notarzt (der über ne Stunde verspätet kam) ins Krankenhaus, weil sie ganz starke Schmerzen im Bauch hatte. Sie hatte ein paar Tage vorher die 2. Chemotherapie angefangen (u.a. mit Avastin), die den Krebs noch aufhalten sollte. Die wollte sie eigentlich schon nicht mehr machen, wie mir mein Vater erzählt hat. Ich glaub, sie hat gewusst, dass das nichts mehr bringt, hat es aber mehr oder weniger uns zuliebe gemacht, weil wir noch daran geklammert haben (sie hatte zu dem Zeitpunkt auch schon die Gelbsucht). Die Chemo wurde dann auch gleich abgebrochen und nach zwei oder drei Tagen wurde sie in ein anderes Krankenhaus verlegt, nachdem klar war, dass sie keine Chemo mehr bekommen würde.

Ich glaube nicht, dass sie die letzte Woche noch große Schmerzen hatte, sie hat die ganze Zeit Morphin bekommen usw. Durch das Leberversagen hatte sie die typischen Merkmale: Gelbsucht, die Sprache wurde immer langsamer und gegen Ende undeutlicher, das Gehirn arbeitete einfach nicht mehr normal. Trotzdem hat sie noch wenige Tage vor ihrem Tod ab und zu mit uns gelacht und hat sich nie über Schmerzen oder ihre Krankheit beklagt (was aber auch nicht ihre Art war). Ein Tag eine knappe Woche vor ihrem Tod war wohl besonders gut - mein Vater hat erzählt, da war ihre Hautfarbe viel besser und ihr Blick ganz klar und sie war guter Dinge. Oft hatte sie aber auch einfach die Augen geschlossen, wenn wir zu Besuch waren und wir waren manchmal nicht ganz sicher, ob sie uns zuhört, wenn wir uns untereinander unterhalten haben.

In ein richtiges "Leberkoma" ist sie nicht gefallen, höchstens in den letzten Stunden, soweit ich das als Laie beurteilen kann. Als mein Bruder und ich am Mittwoch Vormittag zu ihr ins Zimmer kamen, hab ich erst schon nen Schock gekriegt, weil das Bett leer war. Ich dachte, wir wären zu spät. Aber da saß sie neben dem Bett auf ihrem "Klostuhl", auf den sie sich offenbar selber noch gesetzt hatte. Und das war ein paar Stunden vor ihrem Tod !! Wir haben ihr ins Bett zurück geholfen und sie hat auch noch ein paar Worte gemurmelt - das hab ich leider nicht alles verstanden. Aber es hat sie auch wahnsinnig angestrengt, zu reden. Aber sie hat gesehen, dass wir gekommen sind und hat auch noch genickt, als ich gesagt habe, dass ich ihr das Gedicht vorlesen will. Danach hab ich ihr auch noch gesagt, dass wir uns um Papa kümmern, ich glaube das war ihr sehr arg, dass sie ihn alleine zurücklassen muss. Ich hoffe, dass sie das noch verstanden hat und dass es sie beruhigt hat. Ganz sicher bin ich mir auch nicht, weil sie ja auch so stark unter Medikamenten stand.

Diese letzten Stunden waren natürlich sehr schwer, aber ich bin sehr dankbar, dass ich so lange bei ihr war. Ich habe die meiste Zeit ihre Hand gehalten oder ihren Kopf gestreichelt und habe einfach nur tiefe Liebe empfunden. Natürlich sah sie nicht mehr aus wie in gesunden Tagen und bei einem anderen Menschen hätte mich das vielleicht abgestoßen, aber bei ihr nicht. Ich hatte keine Scheu, sie anzufassen.

Die letzten fünf oder sechs Stunden hat sie die Augen nicht mehr aufgemacht und die Atmung wurde immer schwerer, immer schwerer. Die Ärzte haben ihr noch mal ein entspannendes Mittel gegeben, damit sie keine Angst empfindet und ich denke auch, dass es ganz gut gewirkt hat. Es war nicht dramatisch. Zeitweise haben wir uns normal unterhalten und es war fast, als würde sie einfach schlafen. Für uns war es dann natürlich schlimm, als der Atem ganz stehen blieb, aber für sie glaube ich nicht mehr. Ich hoffe, sie hat irgendwie noch gemerkt bzw. gewusst, dass wir alle um sie rum sind.

So, jetzt hab ich aber ganz schön lang geschrieben.. Du kannst gerne alles fragen, was Du wissen willst. Danke noch mal, dass Du mich persönlich angeschrieben hast, das hat mich sehr gefreut!

Ach, doch noch was:
Ich glaube nicht, dass wir jemals vergessen werden, wie unsere Mamas ausgesehen haben - da gibt es ja auch Fotos. Die Stimme und der Geruch verblassen schon eher, denke ich mal. Ich hab am Mittwoch Morgens (Mamas Todestag) den "Fehler" gemacht, als ich kurz allein im Haus meiner Eltern war, in Mamas Zimmer zu gehen und den Kleiderschrank aufzumachen. Da hätte ich am liebsten losgeschrien: "Du darfst nicht gehen!!!" und mich in den Schrank gesetzt und die Tür hinter mir zugemacht. Gottseidank ging dann unten die Tür und mein Bruder kam.

Ganz liebe Grüße an alle Mitlesenden und ich hoffe, dass wir alle lernen, damit zu leben.

Marita

P.S.
wegen des Alters - Ich schätze mal, mit 31 fühlt man sich wieder jünger.. das ist nur der Schock, wenn plötzlich ne drei davor ist, hab ich erst seit ein paar Monaten ;-)
P.P.S. @vanitas
Ich glaube eigentlich auch nicht unbedingt an ein Leben nach dem Tod. Aber es ist sooo tröstlich, an irgendeine Form des Weiterlebens zu glauben, dass ich es einfach versuchen will.
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  #609  
Alt 23.03.2007, 09:22
vanitas02 vanitas02 ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

@ marita

ja, das bewusstsein, dass die mutter bei vielen wichtigen augenblicken in der zukunft nicht mehr dabei sein wird, das ist wohl das schlimmste mit. ... aber vielleicht ist sie ja doch irgendwie dabei. ich fühle mich im augenblick eigentlich nie "verlassen" von ihr. irgendwie ist sie immer gegenwärtig. ich hoffe, das bleibt so ....

meine mutter ist ja am 12.12.06 gestorben. kurz vor weihnachten. und mein weihnachtsgeschenk hatte sie schon. da war sie so stolz drauf. hat es mir immer "unter die nase gerieben" ... dein geschenk hab ich ja schon ... erst haben wir es dann gar nicht gefunden, weil sie es so gut versteckt hatte. dann aber doch. die stiefel, die mir - als wir ca. 2 wochen vor ihrem tod zusammen in der stadt waren - so gefallen haben. das war schon ein harter brocken, die so im nachhinein zu bekommen. aber - diese stiefel sind mir echt heilig. die hebe ich wohl auch noch auf, wenn sie nicht mehr zu tragen sind *schnief*

bei meiner mama war es ja anscheinend sehr ähnlich wie bei deiner. sie hatte ihre 2. chemo bekommen. und freitag ging es ihr soweit noch recht gut. bisschen schlecht. aber nicht so schlimm. samstag dann der anruf von meinem stiefvater. er muss mal kurz weg. ich soll aber runter (wohne im gleichen haus) weil es mama nicht gut geht. sie hatte ganz schreckliche bauchschmerzen. dazu war ihr schlecht. wir haben dann eine weile "diskutiert". dann hat sie mir tatsächlich erlaubt, den notarzt zu rufen. das ist ein zeichen dafür, dass sie wirklich richtig heftige schmerzen hatte. sonst hätte meine mutter das niemals erlaubt. der war dann schon recht schnell da. haben sie lange noch daheim behandelt, um sie halbwegs für die fahrt stabil zu bekommen. dann los ins krankenhaus. samstag dann der untersuchungsmarathon. ich war die ganze zeit bei ihr. sonntag und montag ging es ihr von den schmerzen her dann besser (durch die medikamente). allerdings war sie sehr verwirrt. und hat dann immer und immer mehr geschlafen. montag abend, als ich bei ihr war z.b. hat sie eigentlich fast nur noch geschlafen. sie hat sich damals dann auch ihre zugänge immer selbst rausgerissen. die magensone auch. vielleicht wollte sie nicht mehr? daraufhin wurde beschlossen, dass sie einen port bekommt. das sollte dienstag sein. als mein stiefvater am späten vormittag ins krankenhaus gekommen ist, war sie schon weg in den op. tja, ich sollte dann um drei anrufen, wann man sie besuchen kann. kurz vor drei hat mich allerdings das krankenhaus angerufen. wir sollen kommen. sieht nicht gut aus. aber wir haben es nicht mehr rechtzeitig geschafft. um 15 uhr ist sie allein, ohne uns, gestorben. sie ist gar nicht mehr wach geworden. es ist so schlimm für mich, dass ich nur montag abend noch bei ihr war. und mir gar nicht so sicher bin, ob sie da noch gemerkt hat, dass ich da war. und dienstag war keiner mehr da. ich hoffe, dass sie sich nicht vernachlässigt gefühlt hat. vor allem am dienstag. aber helmut war ja dort. nur war sie da schon im op. andererseits bin ich froh, dass sie "nur" samstag schmerzen hatte. danach ging es ihr wieder recht gut. abgesehen davon, dass sie eben sehr verwirrt war. und lange gedauert hat es auch nicht. von samstag bis dienstag. vor dem samstag war sie noch ganz normal. wir waren sogar paar mal zusammen einkaufen. sind durch die stadt geschlendert. sie war gut drauf. nur gegessen hat sie schlecht. und am tag nach der chemo war ihr übel. aber sonst war alles gut. da bin ich so froh drum ... *heul*

@steff
schön, dass du das sagst. so habe ich es schon von vielen hier gelesen und ich hoffe, dass es bei mir auch so sein wird.

@ anni
dir wünsche ich viel glück ... sicher ist es für dich dann gut, wenn du dir ein neues, eigenes leben aufbaust. das du in eine neue beziehung deines vater nicht so eingebunden sein willst, kann ich völlig nachvollziehen. aber jeder tut das, was er braucht ... ich denke, du machst das schon richtig!
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Alt 23.03.2007, 14:20
hase76 hase76 ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

hallo ihr lieben,

weiß gar nicht, wem ich zuerst antworten soll... es tut soooo gut, eure erfahrungen und gefühle zu hören, dass erleichtert ungemein und nimmt mir irgendwie die angst nicht "normal" zu reagieren (obwohl es in unserer situation sicherlich kein normal gibt...) ich kann mich super gut in euch hineinversetzen und würde gern jeden von euch trösten, mit worten irgendwie kraft geben!

@marita und vanitas: ja, auch ich fühle mich zur zeit irgendwie "gefasst", frage mich, ob ich "herzlos" bin, da ich halt funktioniere und mein leben doch weitergeht, was ich nie gedacht hätte... wie kann mir doch manchmal ein kleines lächeln über die lippen huschen, wenn ich doch so furchtbar traurig bin, habe ich damit meine mutti schon so schnell vergessen ?! habe auch deswegen schuldgefühle...

@marita, denke auch, dass es daran liegt, dass ich seit der metastasen-diagnose (genau vor einem jahr) mit einer schrecklichen angst gelebt habe, die auch nur ihr verstehen könnt. diese ungewißheit, diese verzweiflung, wenn wieder eine schlechte diagnose kam, war die hölle (hier stimmt die bezeichnung "hölle" wahrhaftig)... vielleicht ist man deshalb, irgendwie abgestumpft, da wir ja sooo lange schon mit diesem schmerz leben. das hilft vermutlich jetzt auch die trauer zu verarbeiten, zu verstehen.

man kann sich zwar nicht auf den tod vorbereiten, da er ja so unfassbar und unbegreifbar ist, aber vielleicht hatten wir genau wegen dieser ganzen "vorgeschichte" die große chance, unsere muttis nochmal richtig kennenzulernen und richtig mit ihnen zusammengeschweißt zuwerden (hoffe, ihr versteht was ich meine). solch intensiven gefühle hatte ich zuvor noch nie in meinem leben und ich bin unendlich dankbar, dass ich meiner mutti bis zum schluss zeigen und sagen konnte, wie unendlich lieb ich sie habe. denke, dass erleichtert ungemein. aber: auch das macht das geschehene nicht nur annähernd wieder gut und ich werde mein leben lang dieses furchtbare leid meiner mutti mit im herzen tragen....

zur zeit tut mir am meisten weh, wenn ich daran denke, welche angst meine mutti hatte, welches leid sie ertragen musste. wenn ich mich in sie hineinversetze, kann ich es gar nicht ertragen. diesen gedanken muss ich gleich immer wegschieben! @daher liebe marita: danke für das erzählen und das ich an den wohl schlimmsten stunden deines lebens teilnehmen durfte (hoffe du verstehst, was ich meine, ist irgendwie gar nicht so einfach, die richtigen worte zu finden...)!!! es hilft mir ungemein langsam zu erfahren und hoffentlich auch bald zu verstehen, dass meine mutti wohl aufgrund der metastasen verwirrt war (bis hin zu halluzinationen), dass sie deshalb die sprache immer mehr verloren hat, dass sie wahrscheinlich keine schmerzen hatte und das sie vermutlich von all dem nicht mehr viel mitbekommen hat. habe solche angst davor, dass sie gelitten hat. sie war doch so ein lieber mensch, hat keinem was getan und dann solches leid!!! es zerreißt mir das herz dabei...

sie hat nämlich noch im krankenhaus nach hilfe gerufen/geschrien, hoffe aber sehr, dass es ein anderer grund als eben angst oder schmerzen war!!

danke auch für das angebot, dass ich dich immer fragen kann, wenn mir etwas auf der seele brennt! das gilt natürlich auch für dich!


@liebe vanitas: mir geht es ähnlich, habe auch das gefühl, meine mutti allein gelassen zu haben, wo sie mich doch in ihrer letzten stunde am meisten gebraucht hat. finde bisher für mich oder für uns auch noch keine richtig tröstenden worte. mir hilft auch hier nur, dass ich die zeit davor alles in meiner macht und meiner kraft stehende für sie getan habe und ich denke, das sollte dich auch trösten! du hast alles versucht, bei ihr zu sein, aber manchmal spielen eben dinge eine rolle, die man nicht mehr beeinflussen kann. du warst immer da, hast alles versucht und das ist das einzige was zählt!!! und ich bin mir sicher, unsere muttis wußten ganz genau wie sehr wir sie geliebt und um sie angst gehabt haben und dass wir auch in der letzten stunde (im gedanken) bei ihnen waren!!!

@steff777: danke für deine lieben zeilen!!! das tröstet ungemein, es scheint, als wenn wir alle das gleiche durchmachen bzw. machten und ich finde es super schön von dir, uns mittels deiner erfahrungen soviel trost und mut für die nächste zeit zu geben!!! denn wie du siehst, quäle ich mich auch gerade mit dem krankheitsbild, den letzten stunden. es ist halt ganz genau so, wie du es beschreibst...

würde noch gern so viel schreiben und auch diejenigen nochmal ansprechen, bei denen ich es jetzt nicht getan habe, aber das hole ich dann das nächste mal nach. Es hat sich vermutlich so viel angestaut an gefühlen und an leid... und zum glück haben wir alle nach der ersten erstarrung wieder den mut gefunden uns zu öffnen und zu reden!!!

ich denke an euch alle!!!
__________________
als gott sah,
dass der letzte weg zu weit,
der letzte hügel zu steil,
und der atem schwer wurde,
nahm er dich in den arm und sprach:
"komm heim".

Geändert von hase76 (23.03.2007 um 16:31 Uhr)
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  #611  
Alt 23.03.2007, 15:09
vanitas02 vanitas02 ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

ach leute,

im moment ist es wieder so richtig schwer. vielleicht wühlt auch das forum und dieser thread meine gedanken auf ... ich kann immer nur an ihre letzten tage denken. da war sie durch die medikamente irgendwie wie ein kleines kind. immer erstaunt, mit aufgerissenen augen ... ich sehe deutlich den montag abend vor mir. ich bin in ihr zimmer. sie war nicht da. ich bin schon erschrocken. ihre nachbarin sagt mir aber, sie ist im bad, duschen. was hab ich mich gefreut. als sie dann mit der schwester nach einer weile rausgekommen ist, da schaut sie mich erstaunt mit großen augen an. wie ein kleines kind vor dem christbaum. sie hat sich gefreut. und zu schwester sagt sie dann (so atemlos wie sie die letzten tage war) das ist meine tochter. ganz stolz war sie *verdammt, ich heule* ...

oder ihre magensonde. die war mit so nem klettband an ihrem schlafanzug befestigt. das der schlauch nicht immer stört. da hatten sich dann paar haare drin verfangen. die hab ich dann raus und das klettband und den schlauch gerichtet ... meine mutter fingert mit dran herum ... schaut die haare an, die ich in der hand habe und sagt "aber sie haben doch gesagt, ich behalte meine haare" ... hab sie dann beruhift, dass das nicht von der chemo war sondern von ihrem klettband ... *schnief* ...

was sie immer für sachen gesehen hat. uhren, die falsch gehen, wo gar keine uhren waren ... und immer dieser erstaunte ausdruck ... ach mama ...

@ hase
manchmal, wie jetzt gerade, leide ich schon... und weiß gar nicht, wie ich das überstehen soll. aber diese momente sind halt meist recht kurz. im großen und ganzen lebe ich mein leben weiter wie vorher. und realisiere auch nicht so richtig, das meine mutter nicht mehr da ist ... also nur vom kopf her. gefühlsmäßig ist es mir oft nicht klar. da denke ich mir dann einfach oft, wie es sein kann, dass ich das so leicht wegstecke, das meine geliebte mama nicht mehr da ist. aber es ist natürlich so, wie du schreibst. unsere mama hätten nie mals gewollt, dass wir aufgeben, leiden, uns selbst vergessen ... sie hätte doch genau das gewollt ... das wir weiter machen. tapfer sind ... ja, das hat meine mama gewollt. und irgendwie hat sie auch gewusst, dass ich das so machen werde. sie hat noch gesagt, um helmut und mich macht sie sich keine sorgen. wir zwei machen das schon.

ich bin auch sehr sehr froh, dass ich nach ihrer diagnose jeden abend bei ihr war. einfach nur bei ihr. ich am computer, sie vor dem fernseh. ich lesend, sie vor dem computer. wir beide zusammen vor dem computer. in der küche einfach nur zusammensitzen. gott, ich bin so froh. ich konnte noch mal intensiv mit ihr zusammen sein. aber die zeit reicht natürlich nie. und im nachhinein denke ich mir, ich hätte auch mehr fragen, mehr mit ihr reden sollen. bin ich vielleicht zu wenig auf sie eingegangen? aber ich denke, jeder macht das auf seine weise. und meine mutter kannte mich schon so lange. ich hoffe, sie weiß, wie es mir zumute war ...

ich frage mich eben auch, ob sie angst hatte. ob ich ihr da doch hätte helfen können? und auch, ob sie dann im krankenhaus wusste, dass sie sterben muss? wir (mein stiefvater und ich) haben es nicht wirklich gewusst. vielleicht geahnt. aber das es so schnell geht. wusste meine mama es? hatte sie aufgegeben? wollte sie gehen? hat sie deswegen die magensonde und ihre zugänge selbst entfernt? weiso habe ich nicht versucht, mit ihr darüber zu sprechen? weshalb habe ich sie nicht gefragt? hätte sie mich noch verstanden? hätte sie mir geantwortet ... lauter offene fragen ...

@ marita
deine mutter hat sicher auch starke schmerzmittel bekommen. die verwirren ja auch teilweise etwas. wie gesagt, meine mutter war auch sehr verwirrt. hat die meiste zeit geschlafen und wenn sie aufgewacht ist auch oft phantasiert. sie hat auf den boden gezeigt, gesagt "ach, jetzt hat sally ja doch aufgefressen" dabei war sally gar nicht da. die hat unter der uhr an der wand eine andere uhr gesehen, die falsch gegangen ist ... solche dinge.

natürlich denke ich mir auch, dass meine mama an sich weiß, dass wir sie nie absichtlich alleine gelassen hätten. bzw. versuche ich mich selbst davon zu überzeugen. aber anders wäre es mir einfach lieber gewesen. es wäre jetzt vielleicht einfacher für mich. evtl. wäre da ein vorwurf weniger, den ich mir mache. wobei sie laut dem pfleger ja nicht mehr wach war.

ich glaube langsam immer mehr, dass sie aufgegeben hat und gehen wollte. allein wegen den schläuchen, etc. und dann hoffe ich einfach, dass etwas dran ist, dass viele leute einfach allein sterben wollen. und sich dabei wohl fühlen und glücklich sind. wir haben danach dann noch gesagt, sie hat sich einen guten tag "ausgesucht". den 12.12.2006. den können wir nicht vergessen. das hätte zu meiner mutter gepasst *lächelschnief*
__________________
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  #612  
Alt 24.03.2007, 09:01
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anni_s anni_s ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

hi ihr lieben

@vanitas: ja, ich denke auch,dass der schritt der richtige ist.
meine mutter war zum schluss auch sehr verwirrt, wohl auch durch das morphin .. am anfang hat sie noch scherze drüber gemacht, aber wohl nur, um ihr verzweiflung zu verdecken. einmal dachte sie, mein vater wirft ihr einen stoffhasen zu und griff in die luft, um ihn zu fangen ... nur leider war da nichts. am tag, bevor sie starb, wurden wir vom hospitz angerufen, sie wollte ganz dringend mit mir sprechen. sie hat mich gebeten, mit meinem bruder vorbei zu kommen, wir sollten uns unbedingt auf den roller setzten und genug helme mitnehmen!ich hab ihr dann gesagt, dass vor der haustür ein auto steht, aber wir sollten den roller nehmen. naja dann haben wir uns zu zweit auf dieses kleine gefährt gequetscht und sie hat uns dann die ganze zeit gefragt, ob wir noch zur fahrschule müssten und so .. kganz seltsam. naja ich wünsch euch nen schönen tag
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  #613  
Alt 24.03.2007, 13:54
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anni_s anni_s ist offline
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Beiträge: 37
Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

hallo ...
ich krieg das bild nicht aus dem kopf. das hat damit angefangen, dass ich einen ganz seltsamen traum hatte, in dem mein vater mich anrief und nur sagte: anni ... tod. anni.
danach bin ich aufgewacht und konnte nicht wieder einschlafen und hab nun den ganzen tag ein mulmiges gefühl, hab schon mit meinem vater telefoniert, bei denen ist auch alles ok. jetzt sitz ich hier und mir geht dieser tag durch den kopf, der tag vor 6 monaten, 3 wochen und 1 tag. wie mein dad mich anrief, ich mich ins auto setzte und mit meinem bruder ins hospitz fuhr .. wie vor ihrem zimmer eine einzige weiße rose lag. wie sie in ihrem bett lag, der mund offen, die augen nicht ganz zu - als ob ihr inneres, ihr geist durch diese öffnungen nach außen gelangt war. ich krieg es nicht aus dem kopf, es macht mich noch verrückt. wo bleiben die schönen erinnerungen, die ich manchmal habe? wenn ich die augen zumache, sehe ich meine tote mutter vor mir, das halte ich nicht aus. wenn ich sie aufhabe, will ich sie ein letztes mal sehen, wenn ich an sie denke, sehe ich sie, wenn ich mich bemühe, nicht dran zu denken, sehe ich sie auch. nimmt das denn nie ein ende?
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  #614  
Alt 26.03.2007, 09:26
vanitas02 vanitas02 ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

hallo anni,

ja, so war meine mama zum schluss auch teilweise. aber nicht immer. sie war auch manchmal noch ganz ganz klar ... ich bin jedenfalls sehr froh, dass sie keine schmerzen mehr hatte. da habe ich gerne die verwirrung in kauf genommen. wobei mir das schon angst gemacht hat. am liebsten wäre mir natürlich gewesen, sie wäre nicht verwirrt UND ohne schmerzen gewesen. und am allerliebsten wäre mir natürlich, sie wäre noch bei mir und am leben. aber das ist wohl zu viel verlangt. zumindest hatte sie keine schmerzen.

das mit den schönen erinnerungen, die teilweise noch schwer ins gedächtnis zu rufen sind, das geht mir auch so. also so "nebenher" geht das schon. wenn ich jetzt was mache und mir einfällt, dass ich das vor nicht allzu langer zeit auch mit meiner mama gemacht habe. oder was anziehe und dran denke, wie ich das kurz vor dem krankenhausaufenthalt mit mama zusammen gekauft habe. sowas schon. aber wenn ich bewusst an sie denke, dann kommt bisher auch immer hauptsächlich die krankheit. aber ich glaube jetzt mal daran, was andere hier teilweise schreiben. das die krankheitsbilder nach und nach verblassen und immer mehr die schönen zeiten und augenblicke in den vordergrund treten. ich hab in einem buch gelesen, dass man die erste zeit immer den tod und die krankheitsphase vor augen hat. weil man das für sich wieder und wieder durcharbeiten muss ... um es zu verstehen und aufzuarbeiten. und das, wenn das passiert ist, die schönen bilder immer mehr kommen. denke, da könnte schon etwas dran sein!

liebe grüße
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  #615  
Alt 26.03.2007, 21:58
Sonne79 Sonne79 ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Hallo!

Bin gerade durch zufall über euren tread gestolpert und muss jetzt ein paar zeilen tippen.
ich will jetzt nicht meine komplette geschichte schreiben , habe aber leider am 6.1.06 meine liebe mama an darmkrebs verloren und bin eigentlich auch erst 27 ( manchmal gefühlte hundert.... ).
seit über einem jahr muss ich mich nun tag täglich damit immer wieder aufs neue auseinanderstetzen, mal gelingt es mir besser, mal nicht so. an den miesen tagen halte ich daran fest dass meine mam mit mir motzen würde wenn ich wegen ihr so viel kummer hätte.. ...das hilft mmanchmal ein wenig.

alles andere, alle gedanken die ich mir so mache und gemacht habe, kennt ihr alle nur zu gut, das ist schön zu lesen dass man wenigstens nicht der einzigste ist ( schade nur dass es so etwas negatives ist was verbindet)

ich habe einmal im forum etwas sehr schönes gelesen, das wollt ich euch hier eigentlich nur schreiben, ich finde es soooo zutreffend:

Eltern sterben gewöhnlich vor einem selbst.
Wenn der partner stirbt
mit dem man sein ganzes Leben geplant hat
dann muss amn sein Leben neu ordnen.
Stirbt ein Elternteil
dann verliert man den halt
den man zu Hause erfahren hat
und das gefühl
ein Stück seiner selbst sei mitgestorben.

stille grüße sonne
__________________
Leben ist das, was passiert während Du eifrig dabei bist, andere Pläne zu schmieden
John Lennon
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