Papa, ich hab solche Angst vor Weihnachten

[Kerstin G.]

Lieber Papa,
heute ist es soweit. Der Tag, vor dem ich mich seit Wochen fürchte, ist gekommen. War vorhin kurz beim Bäcker, um noch frisches Brot zu holen. Die Leute sind alle so fröhlich, ich stand nur da und hätte heulen können. Vor mir stand der Mann, der unsere Hauseingänge reinigt, er lachte mich an und wünschte mir frohe Weihnachten. Ich sagte nur, für mich wird es keine frohe Weihnacht geben. Mir gehts heute so schlecht, das kannst Du Dir nicht vorstellen.
Nach dem Mittagessen kommen wir zu Dir. Ich vermisse Dich so sehr, gerade heute. Und morgen gehts gleich weiter. Da bist Du vor 5 Monaten in unseren Armen eingeschlafen. Ich halte das bald alles nicht mehr aus.
Ich hab Dich so lieb.
Deine Kerstin

[dani33]

Liebe Kerstin,
ich finde die Weihnachtszeit auch sehr schwer,
denke das gleiche wie Du,
daher drücke ich Dich ganz lieb.
Alles Gute
Dani

[Kerstin G.]

Hallo Dani,
danke, das tut echt gut. Den Heiligen Abend haben wir überstanden. Er war natürlich sehr tränenreich, aber Mutti und ich haben versucht, es trotz unserer Trauer "schön" wie immer zu haben. Es ist uns einigermaßen gelungen.
Heute fahren wir gleich wieder auf den Friedhof. Papa ist heute vor 5 Monaten um 19.30 Uhr in unseren Armen eingeschlafen. Man, es ist alles so furchtbar.
Ich hoffe, Du überstehst Weihnachten auch einigermaßen. Ich wünsche Dir dafür ganz viel Kraft und fühl Dich auch von mir umarmt.
Ganz liebe Grüße von Kerstin

[Kerstin G.]

Lieber Papa,
den Heiligen Abend haben wir überstanden. Waren gestern Nachmittag bei Dir und haben Dein Grab mit frischen Blumen und ganz vielen Kerzen geschmückt. Sieht so schön aus! Dann haben Mutti und ich uns umgezogen und bei Mutti Bescherung für Costa und mich gemacht. Ich packte die Geschenke aus und weißt Du, was ich unter anderem bekommen habe? Mutti hat eine Fotomontage von sich und Dir machen lassen. Ein wunderschönes Foto von Euch beiden. Und eins von ihr. Das ist das schönste Geschenk, was ich je bekommen habe. Es wirkt so echt, habe mich erst riesig erschrocken. So, als ob es erst gestern gemacht wurde.
Gegen 17.00 Uhr sind wir dann eine große Runde mit Costa gegangen. War sehr glatt, mußten aufpassen, wo wir hinlaufen.
Dann bin ich mit dem Hund zu mir und Mutti hat Abendbrot vorbereitet. Es gab wie immer Kaßler mit Kartoffelsalat und Schnittchen. Haben dann zusammen hier gegessen. Habe für Mutti und Costa dann hier Bescherung gemacht. Sind dann nochmal eine Runde mit dem Hund gelaufen und Mutti ist dann zu sich rüber gegangen. Wir haben keine Weihnachtsmusik gehört, denn das konnten wir beide nicht ertragen. Wir haben sehr viel geweint, aber es tat irgendwie gut. Ich sah gestern aus wie eine Schleiereule, aber das war mir auch egal.

Kommen nachher zu Dir. Heute vor 5 Monaten ....

Gehe dann zu Mutti rüber Mittag essen. Gans, Grünkohl und Klöße, so wie immer. Nur das es diesmal gekaufte Klöße sind und nicht von Dir selbstgemachte.

Ich vermisse Dich so sehr. Deine Kerstin

[teich1]

Liebe Kerstin,

erstmal alles Gute für das neue Jahr. Ich habe mal wieder einen Blick in das Forum für Hinterbliebene geworfen und Deine Gefühle zu dem Thema Weihnachten gelesen. Hin und wieder lese ich dort mal, aber meistens lieber nicht. Aber Dein Thema Weihnachten hat mich doch sehr angesprochen.

Es ist genauso wie bei uns gewesen, obwohl mein Papa schon im Juni 2008 gestorben ist - an einem Gehirntumor - und wir bereits zum zweiten Mal wieder Weihnachten bei meiner Mama verbracht haben. Alles so wie immer, als Papa noch lebte.

Dieses Jahr haben wir den Fehler gemacht und uns wieder in die Kirche getraut, letztes Jahr wollte selbst meine Mama, die jeden Sonntag in der Kirche sitzt, nicht dort hin, aber dieses Jahr haben wir gedacht, wir schaffen das - aber es war furchtbar.

Die ganze Harmonie, die Atmosphäre, die Gesänge und dann noch das Lied "Fröhliche Weihnachten", dass hat uns zum Weinen gebracht, dass kann man gar nicht beschreiben. Und überall glückliche Gesichter und glückliche Familien. Für uns unerträglich nach all dem Kummer, obwohl es schon eine Weile her ist. Aber halt nicht aus dem Herzen.

Ich glaube, dass geht irgendwie nie wieder "Fröhliche Weihnachten".
Jedenfalls nicht so richtig. Nach der Kirche haben wir uns dann aber wieder ein wenig gefasst, erstmal Wein getrunken und nach einiger Zeit ging es auch.

Es ist jeden Tag aufs Neue unglaublich, dass mein Papa nie wieder kommt.
Gestern hätten meine Eltern Ihren 42. Hochzeitstag gehabt, den 40. haben wir noch gefeiert - Papa wußte schon von den Aussichten seiner Krankheit - und es war die letzte Feier für ihn.

Es gibt immer und überall diese Erinnerungen und es schnürt einem immer wieder die Kehle zu. Aber es gibt auch die Momente, die uns schmunzeln lassen und wir können auch wieder lachen. Meine Mama Gott sei Dank auch.

Ich hoffe und wünsche mir, dass unsere Väter an irgendeinem Ort auch wieder lachen können und vielleicht sehen sie uns und sind stolz auf uns, dass wir uns gegenseitig unterstützen und die Zeit miteinander verbringen, auch wenn unsere Mamas und wir vielleicht zusammen weinen.

Viele liebe Grüße

Petra