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  #1  
Alt 21.05.2007, 11:04
Zagorka Zagorka ist offline
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Registriert seit: 06.03.2007
Beiträge: 67
Standard Trauer - Wie soll ich mich verhalten?

Hallo!

Ich bin 30 Jahre alt und wohne zusammen mit meinem Bruder (25, Student) noch bei meiner Mutter. Unser Vater ist heute vor genau 4 Monaten an Magenkrebs verstorben . Es tut mir immer noch sehr weh, ihn nicht mehr bei mir zu haben, und ich denke permanent an ihn. Zu Hause ist das ganz schlimm, weil mich vieles an die Zeit mit ihm erinnert. Ich habe neben meinem Bürojob noch abends einen Nebenjob im Call Center angenommen, der mir viel Freude bereitet und mich vor allem von meiner Trauer ablenkt.

Zu Hause gibt es allerdings Probleme zwischen meiner Mutter und uns Geschwistern. Sie macht uns Vorwürfe und behauptet, wir würden uns nicht genügend um sie kümmern. Die ersten 2 1/2 - 3 Monate nach Papa´s Tod war ich fast ausschließlich für sie da, bin zur Arbeit gegangen, war aber in meiner Freizeit fast nur zu Hause. Mein Bruder ist Student, arbeitet noch nebenher und führt eine Beziehung mit einem Mädel, die ursprünglich aus demselben Ort stammt wie wir, allerdings in einer anderen Stadt (ca. 2 Autostunden von uns entfernt) studiert. Eigentlich ist das doch verständlich, wenn er auch mal ein paar Tage zu ihr fährt, schließlich hat sie auch einen Nebenjob in der Stadt wo sie studiert und kann deshalb nicht jedes WE zu ihren Eltern fahren.

Meine Mutter war noch nie ein Mensch mit vielen Freunden, Hobbies und Interessen. Sie war immer sehr auf meinen Vater fixiert. Und jetzt fühlt sie sich einsam und weiß oft nichts mit sich anzufangen. Ich versuche so oft es geht mit ihr was zu unternehmen, z. B. gehen wir manchmal zusammen ein Eis essen oder Kaffee trinken, ins Kino oder zum Chinesen. Längere Unternehmungen, die einen ganzen Tag oder so andauern, sind nicht so ihr Ding. Zum Geburtstag hab´ ich ihr eine Busfahrt nach Straßburg geschenkt, wo wir auch zusammen waren, aber Kultur und sowas ist gar nicht ihr Ding. Sie wollte dort hauptsächlich die Schuhgeschäfte unsicher machen, was wiederum nicht so das Meine ist. Zu Hause helf´ ich ihr viel im Haushalt und geh´ mit ihr oder für sie Einkaufen. Ich rede mit ihr, wenn ihr danach ist, wir schauen zusammen fern, sitzen gemeinsam auf dem Balkon usw. Trotzdem gibt es momentan jedesmal tierischen Ärger, wenn ich am WE mal mit Freunden was unternehmen möchte. Z. B. hab´ ich gerade ein verlängertes WE hinter mir. Donnerstag war Feiertag, Freitag hab´ ich mir frei genommen. Hab´ diese beiden Tage komplett mit meiner Mutter verbracht und war für sie da. Am Samstag war ich dann mit Freunden auf einem Festival. Ständig hat sie zwischendurch auf meinem Handy angerufen und sich beschwert, dass keines ihrer Kinder bei ihr ist. Mein Bruder war jetzt eine Woche bei seiner Freundin, und als er gestern abend heimgekommen ist, hat sie ihm die Hölle heiß gemacht. Dabei hat er sie wirklich oft angerufen, und auch ich melde mich ständig bei ihr, sowohl von der Arbeit aus als auch dann, wann ich mit Freunden was unternehme. Dazu kommt noch, dass meine Tante (sie und mein Onkel wohnen im selben Ort wie wir) ihr am Samstag eingeredet hat, was für böse Kinder wir doch sind und wie wenig wir uns um die Familie kümmern. Dabei war ich erst am Tag zuvor noch bei meiner Tante und schaue, dass ich so 1x pro Woche mal dort bin (öfter geht halt nicht, wenn man 2 Jobs hat).

Einerseits kann ich verstehen, dass Einsamkeit nichts Schönes ist... andererseits hat meine Mutter ein befreundetes Ehepaar, welches sie 1x in der Woche besucht. Dieses Paar ist noch recht jung und hat 2 Kinder im Alter von 6 und 4 Jahren. Sie kommen oft unangemeldet bei uns vorbei und bleiben dann ewig lange, manchmal bis zu 7 Stunden am Stück. Das geht meiner Mutter dann tierisch auf die Nerven (kann ich verstehen, will am WE auch mal ´nen Tag Ruhe), aber sie sagt den Leuten nichts... Was ich damit aussagen möchte: Ist sie alleine, passt es ihr nicht, kommen die Freunde vorbei, regt sie sich auch auf. Mein Onkel, meine Tante, ihr Sohn und die Schwiegertochter kommen nicht ganz so oft, weil sie die Bilder meines Vaters in unserer Wohnung so traurig machen. Es ist ihnen lieber, wenn wir sie besuchen.

Mich würde mal interessieren, was andere User hier davon halten. Verhalten mein Bruder und ich uns wirklich so egoistisch und müssen jetzt 100% unserer Freizeit mit der Familie verbringen? Ich bin wirklich kein Mensch, der jeden Tag auf Achse sein muss, sondern auch mal ruhige Stunden in meinem Heim genießen kann. Aber zu Hause bin ich momentan einfach oft sehr traurig und muss hin und wieder raus, um mich abzulenken und neue Kraft für den Alltag zu schöpfen. Bin ich denn wirklich so eine schlechte Tochter?
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  #2  
Alt 21.05.2007, 13:27
HeikeHH HeikeHH ist offline
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Beiträge: 127
Standard AW: Trauer - Wie soll ich mich verhalten?

Hallo Zagorka,

nein, du und deine Geschwister verhaltet euch bestimmt nicht falsch. Ihr habt überhaupt keinen Grund für ein schlechtes Gewissen.
So wie du deine Mutter beschreibst, kann sie euch nicht loslassen, nach dem Tod ihres Mannes noch weniger. Wie du ihr das am besten beibringst? Ich weiß es leider nicht. Vielleicht bringt es was, mit ihr darüber zu reden und ihr bewusst zu machen, was sie da eigentlich verlangt? Das wird sicher schmerzlich und tränenreich. Allerdings ist bei manchen Menschen dafür kein Verständnis zu wecken. Deine Mutter verhält sich wirklich extrem - das Beispiel mit den Nachtelefonieren am verlängernten WE, das du ja teilweise mit ihr verbracht hast, ist schon hart. Ich weiß leider keinen Tipp für dich, wollte dir nur schreiben, dass du dir auf gar keinen Fall ein schlechtes Gewissen machen musst!!!!

Alles Gute, Heike
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  #3  
Alt 21.05.2007, 14:17
stef777 stef777 ist offline
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Beiträge: 175
Standard AW: Trauer - Wie soll ich mich verhalten?

liebe zagorka,

nein, ihr seid nicht zu egoistisch; ihr tut wirklich alles, was ihr könnt für eure mutter...sie muss in ihre neue rolle und mehr selbständigkeit reinwachsen, das dauert...v.a. wenn sie bisher so stark fixiert auf deinen vater war. ich würde versuchen, sie in ihrer selbständigkeit zu stärken, vielleicht kannst du ihr vorschläge machen zu hobbies, die sie anfangen könnte...oder ihr fangt zusammen eins an...was ist mit euren anderen verwandte? du erwähntest deine tante und deinen onkel....ist es möglich, dass sie freizeitmässig etwas mehr mit deiner mutter unternehmen? ich kann deine lage gut verstehen. seit mein vater tot ist (1/07), mussten mein mann und ich auch extrem viel für meine mutter tun, die 1.5 stunden entfernt wohnt. zum glück ist sie gut integriert in ihrer gemeinde und bekanntenkreis und hat auch so ums haus herum genug beschäftigung. wir waren in den ersten 3 monaten auch fast jedes wochenende bei ihr; manchmal wurde es mir auch zuviel. meine schwester hat sich anfangs ziemlich "rausgehalten"; wir haben dann letzte woche besprochen, wie wir uns das alles "besser aufteilen"...ich denke, es ist wichtig, möglichst viele verwandte zu mobilisieren für das Sichkümmern, weil es den einzelnen sonst schnell überfordert.

LG
stef.
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  #4  
Alt 22.05.2007, 08:37
Zagorka Zagorka ist offline
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Beiträge: 67
Standard AW: Trauer - Wie soll ich mich verhalten?

Meine Mutter hat nicht sooo viele Kontakte hier. Im gleichen Ort wie wir leben noch mein Onkel und meine Tante (der Bruder meines Vaters und seine Frau) sowie deren Sohn und Schwiegertochter mit 2 kleinen Kindern. Die kommen nicht wirklich oft zu Besuch, weil meine Mutter genau neben dem Tisch ein Bild meines Vaters aufgestellt hat, wo täglich 2-3 Kerzen für ihn brennen. An für sich eine schöne Idee, aber meine Verwandten kommen da nicht mit klar... es tut ihnen alles so weh, sie fühlen sich ständig an ihn erinnert, es bricht ihnen das Herz. Deshalb wäre es ihnen lieber, wenn meine Mutter sie öfters besucht als umgekehrt. Nur leider ist meine Mutter ein äußerst sturer Mensch. Ihr Stolz lässt das einfach nicht zu, dass sie jemanden oft besucht, der weitaus weniger bei ihr zu Hause ist.

Ein weiteres Problem ist, dass wir Geschwister an für sich mit den Verwandten ganz gut auskommen, aber die Familie insgesamt recht konservativ eingestellt ist und wir darum viel lügen und verheimlichen müssen. Ich darf z. B. meiner Tante nie und nimmer sagen, dass ich jetzt in der Trauerzeit auf Festivals gehe, sie würde mich im ganzen Ort als böse Tochter hinstellen. Sie war es auch, die am Samstag meiner Mutter eingeredet hat, dass wir Kinder uns zu wenig um sie kümmern.

Hobbies hatte meine Mutter noch nie. Da wo sie herkommt, ist es verpönt dass Menschen ab 30 aufwärts mit Familie noch Hobbies haben. Wir waren schon immer eine Südländerfamilie wie sie im Bilderbuch steht, also Eltern auf der Arbeit und nach Feierabend die Mutter nur mit Hausarbeit beschäftigt, Familie sowie das Fernsehgerät oder Radio. Meine Mutter kriegt öfters Anrufe, von ihrer Schwester aus Dänemark und von vielen Freunden aus der Heimat. Aber ihre Anhänglichkeit wird sie nicht abstellen können... da war sie schon so extrem, als mein Vater noch lebte. Vor allem ich habe sehr darunter gelitten, dass ich bis Anfang 20 überhaupt nicht am WE weggehen durfte. Am Samstag will ich eigentlich nach Stuttgart, um mir das DFB-Pokalfinale auf ´ner Leinwand anzuschauen und hab´ jetzt schon Panik vor ihrer Reaktion.
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  #5  
Alt 23.05.2007, 08:21
HeikeHH HeikeHH ist offline
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Standard AW: Trauer - Wie soll ich mich verhalten?

Hallo Zagorka,

lass dich nicht abhalten am Wochenende zum Fussball zu fahren!!! Du darfst dein Leben nicht zu Gunsten deiner Mutter aufgeben. Kann oder will sie denn nicht mal ihre Freunde in der alten Heimat besuchen, wenn sie schon nicht der Typ für selbstständige Hobbys und andere Unternehmungen ist? Oder die Schwester in Dänemark besuchen? Kannst du mir dieser Tante vielleicht über das Problem reden, dass sie sie mal einlädt? Ihr seid wirklich mehr als genug für die Mutter da, aber nicht dafür verantwortlich, wie sie ihr Leben gestaltet.

Viele Grüße, Heike
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  #6  
Alt 23.05.2007, 11:29
stef777 stef777 ist offline
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Beiträge: 175
Standard AW: Trauer - Wie soll ich mich verhalten?

liebe zagorka,

das klingt schon sehr schwierig...aber es ist ja so: die situation hat sich für deine mutter total verändert. entweder sie schafft es, sich daran anzupassen (indem sie z.b. aktiver, offensiver wird); da würde ich auch versuchen, offen mit ihr drüber zu reden und sie immer wieder ermutigen; vielleicht ist es noch zu früh (weiss nicht, wie akut schwer sie noch/erst trauert); aber wenn der zeitpunkt richtig ist, dann schon...es kann ihr tief im innern nicht gefallen, in dieser opferrolle zu bleiben. sie hat sicherlich auch gewisse, vielleicht wenige, ideen, wie sie ihre lage verbessern könnte (das haben, denke ich, alle menschen, sofern sie nicht total akut am boden sind). und natürlich müssen auch die umstände stimmen, neue hobbies kosten z.b. manchmal geld.

ich glaube, es würde sehr helfen, wenn sie viel beschäftigung hätte; langeweile fördert einsamkeit. vielleicht könnt ihr da mal überlegen von wegen nebenjob oder so..(obwohl wohl schwierig für das rollenverständnis, das deine mutter hat)

oder aber sie bleibt "stur" bei ihrem alten lebenstil und will sich auch nicht ändern, sondern eher "bequem" in ihrer opferrolle bleiben und die schuld anderen zuschieben. so etwas passiert leider auch oft. in diesem fall müsstest du, finde ich, lernen aus dem wissen über den charakter deiner mutter "über den dingen zu stehen", ihr aus liebe geduld und verständnis entgegenbringen und dir gleichzeitig deine persönlichen grenzen ziehen. das ist dann wohl eher ein schwieriger balanceakt. natürlich möchte man die mutter nie im stich lassen und ihr immer vermitteln, dass man für sie da ist. aber grenzen sind dann einfach da, wenn die verantwortung für sein eigenes leben abgegeben wird an jemand anderen, oder es ins Böse abrutscht (wie bei der üblen nachrede seitens deiner tante). ich würde immer versuchen, darüber direkt zu reden und eindeutig stellung beziehen.

LG
stef.
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