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  #1  
Alt 14.01.2010, 15:59
Stefans Stefans ist offline
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Registriert seit: 27.01.2007
Beiträge: 425
Standard AW: Ein Jahr...

Hallo Birgit,

Zitat:
Zitat von Birgit763 Beitrag anzeigen
zu Hause zu sterben ist so viel wert. Ja, ich beneide dich fast darum.
Mir war es nicht möglich und ich krieg dieses Bild nicht los, als mein
Mann abgeholt wurde, als er sich nochmal umgesehen hat....ich fühlte
mich wie eine Verräterin.
Ja, aber... darüber habe ich in den Foren hier oft mit anderen Hinterbliebenen gesprochen. Meine Frau hat Krankenhaus, Hospiz oder (das Schlimmste für sie) Pflegeheim für sich konsequent abgelehnt. Trotzdem hätte es passieren können. War eher Glück, dass keine Umstände eintraten, die sowas erzwungen hätten. Wenn ich in der Zeit krank geworden wäre, hätte sie ins Hospiz gemusst (angemeldet war sie da schon "vorsichtshalber"). Hätte es medizinische Dinge gegeben, die nicht Zuhause hätten behandelt werden können, hätte sie ins Krankenhaus gemusst. Usw... Wir hatten einfach nur Glück, dass es doch Zuhause ging. (V.a. auch mein Glück, weil mir deswegen ein langfristig schlechtes Gewissen erspart bleibt.).

Ich weiss, es wird dich nicht trösten. Aber im nachhinein, wenn die akute Trauer nachläßt, sagen viele Hinterbliebene: besser gut versorgt im Hospiz oder im Krankenhaus, als völlig überfordert und mit den Nerven am Ende Zuhause. Hier ist das (trotz Pflegedienst) auch nur gegangen, weil wirklich fast immer Freunde da waren, die bei Bedarf Urlaub und das nächste Flugzeug genommen haben. Allein hätte ich das niemals geschafft

Zitat:
Zitat von Birgit763 Beitrag anzeigen
Die Idee mit dem schwäbischen Friedwald, sie gefällt mir.
(...)
Diese Bestattung könnte ich mir für mich tatsächlich auch gut vorstellen
Meine Frau hat sich das recht spät überlegt. Ich hatte schon einen Bestatter ausgeguckt, der die Urne an die Hinterbliebenen aushändigt (obwohl das in D illegal ist). Also habe ich meiner Frau gesagt: "Wenn du nichts festlegst, entscheide ich eben. Dann kommst du hier unter den Kirschbaum im Garten." Dann kam aber zu Weihnachten ihre Schwester zu Besuch, und da haben die beiden das mit dem Friedwald bekakelt. Wurde mir zumindest posthum so gesagt, ich war nicht dabei - aber ich glaub's trotzdem

Also hat meine Frau eine 100-jährige Buche bekommen, wo irgendwann auch ihre Schwester, ihr Schwager und vielleicht ich liegen werden (ihre Mutter nicht, die mag nicht verbrannt werden). Mir ist das völlig egal. Ich bekam die Urne meiner Frau zugestellt, habe sie natürlich rein aus Neugier geöffnet und ein bischen in der Asche rumgerührt (und mich dagegen entschieden, einen Teelöffel Asche als "Andenken" zu behalten). Und bekam bestätigt, was ich schon eine halbe Stunde nach dem Tod meiner Frau wusste: das ist sie nicht mehr. Das sind sterbliche Überreste, allenfalls von symbolischem Wert, mit denen halt irgendwas gemacht werden muss.

Meine Frau wurde hier ihrem Wunsch gemäß 3 Tage aufgebahrt. Ich dachte vorher, dass auch ich diese Zeit zum Abschied nehmen brauche. War aber gar nicht so. Kurz nach ihrem Tod war sie für mich "weg". Deswegen ist mir auch egal, wo sie bestattet ist. Für mich ist sie immer "hier" - da, wo wir zusammen gelebt haben. Und falls es mal jemanden interessiert, wenn ich gestorben bin, wird es auch keine Rolle spielen, wo ich unter die Erde komme. Entweder habe ich einen Platz im Herzen einiger Menschen oder nicht.

Und wo ich dran denke: Achtung, jetzt kommt Stefans schwarzer Humor Als ich meine Frau wieder verschlossen, verpackt, adressiert und frankiert hatte, um sie Richtung Friedwald zu schicken, konnte ich es mir bei der DHL-Filiale im örtlichen Edeka-Markt nicht verkneifen, der Frau am Schalter zu sagen: "Aber bitte pfleglich behandeln. Das ist meine Frau!" Die guckte mich kurz an, registrierte, dass ich keinen Witz gemacht hatte, schluckte und brachte mühsam raus: "Wirklich?" Sach ich: "Wirklich!" So vorsichtig wurde da noch kein Paket behandelt

Zitat:
Zitat von Birgit763 Beitrag anzeigen
Es funktioniert halt - mehr nicht. Freunde und Bekannte sind mir geblieben - der Hund (was wäre ich nur ohne ihn) ist ein treuer Gefährte.
Geht mir doch genau so. Hündchen ist mit Abstand der wichtigste für mich. Und wenn man sieht, wie sich Hündchen freuen kann (ob nun über Schnee oder sonstwas), dann ist das Leben mitunter doch etwas mehr als nur "funktionieren"...

Viele Grüße,
Stefan
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  #2  
Alt 14.01.2010, 19:54
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
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Ort: Dreiländereck
Beiträge: 2.019
Daumen hoch AW: Ein Jahr...

Stefan, du bist die Härte.

wie kannst du diese arme Frau nur so erschrecken ! Das Gesicht hätte ich gerne gesehen . Naja, wenn sie einigermassen Humor hat, wird sie diese Story noch ihren Urenkeln erzählen

Diese Diskussionen kenne ich auch. Bei uns war es nicht machbar, ihr das zu ermöglichen. Auch meine Frau hasste Krankenhäuser und ähnliches. Sie legte die Entscheidung wortlos in meine Hand. Ich bin heute überzeugt, das Richtige getan zu haben in dieser Situation. Ich rief den Norarzt. Ich erinnere mich an ihren befreiten Blick, als sie nach der Morphiumspritze wieder atmen konnte. Ich erinnere mich auch an den letzten bewussten Blickkontakt. Er bedeutete mir: "Schade, doch ich bin müde, ich mag nicht mehr!"

Zitat:
Zitat von Stefans Beitrag anzeigen
Meine Frau wurde hier ihrem Wunsch gemäß 3 Tage aufgebahrt. Ich dachte vorher, dass auch ich diese Zeit zum Abschied nehmen brauche. War aber gar nicht so. Kurz nach ihrem Tod war sie für mich "weg". Deswegen ist mir auch egal, wo sie bestattet ist. Für mich ist sie immer "hier" - da, wo wir zusammen gelebt haben.
Das Gefühl kenne ich auch. Mir ging es genauso, als ich sie nach ihrem Tod noch einmal sah. Das, was da lag, war nicht mehr meine Frau. Es war nur eine Hülle, wie ein abgelegtes Kleid. Auch ich brauche nicht den Friedhof, das Grab. Wenn ich traurig bin, dann hier in unserem Haus bzw. da, wo ich gerade bin. Und wenn ich sie in meiner Nähe spüre, dann ist das nicht auf dem Friedhof.

Habe dich fest in meiner Seele,
Ich trag dich bei mir, bis der Vorhang fällt!
(Grönemeyer)


Alles Liebe

Helmut

Was vergessen: Wow, Stefan, eine wunderschöne Katze, ein herrlisches Tier.
__________________
Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
http://www.krebs-kompass.org/howthread.php?t=31376
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Geändert von HelmutL (14.01.2010 um 19:57 Uhr) Grund: was vergessen
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  #3  
Alt 14.01.2010, 20:47
Benutzerbild von Morgana
Morgana Morgana ist offline
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Standard AW: Ein Jahr...

Also wirklich: Das ist eine wunderschöne Katze!!!

Ach Birgit...so, wie ich eure Geschichte kenne denke ich es war genau so richtig - es ging wirklich nicht anders als Deinen Mann ins Krankenhaus zu geben. Du bist keine Verräterin; Du hast alles menschenmöglich für ihn getan.
Mein Mann kam ja von Intensiv nicht mehr runter, war ja leider jeden Tag aufs Neue dramatisch...die Bilder kommen mir immer mal wieder vor Augen (aufgeschwemmt wie ein Michelinmännchen)...doch es ist seltener geworden. Öfter sind da die Bilder von einem fröhlichen Chaoten, der sonntagsmorgens mit Blick zum Himmel sagte: "Mopped fahren!!!" während ich mir die Decke über den Kopf zog und murmelte: "Du spinnst...bestimmt regnet es noch".

Ich sehe es ähnlich wie Stefan - und auch Helmut wird mir Recht geben: Lieber Mann gut versorgt und ich habe noch Nerven übrig, ihn zu sehen, ihn zu knuddeln und wertvolle Zeit mit ihm zu verbringen ohne ständig die Angst, er könnte ersticken...
Freunde oder Verwandte standen nicht zur Verfügung...alleine hätte ich es nicht schaffen können.
Als er gestorben war, da war er weg...das war nicht mehr mein Mann...ich brauchte kaum Zeit an seinem Bett zum Abschied nehmen. Begraben wurde sein Körper...für mich ist es nicht ER, der da unter dem Rasen liegt. Zuhause, da kann ich an ihn denken, mal eine Kerze anzünden, mit einem guten Glas Rotwein ihm gedanklich zuprosten...den Miezen von ihm erzählen...die haben eine Engelsgeduld, wenn ich immer das selbe erzähle...

Stefan: Ich mußte herzhaft lachen als ich die Story mit dem Urnenpaket las - das ist wirklich schwarzer Humor - paßt zu Dir!
Ja, das Leben ist manchmal wirklich so viel mehr als funktionieren.

Ich wünsche euch noch einen guten Abend.

LG
Morgana
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Die Seele hätte keinen Regenbogen, wenn die Augen nicht weinen könnten.
[Indianische Weisheit]
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  #4  
Alt 17.01.2010, 22:44
Benutzerbild von Morgana
Morgana Morgana ist offline
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Ort: NRW
Beiträge: 1.436
Standard AW: Ein Jahr...

Hallo Birgit,

für ihn war es Südtirol...schön die Kurven nehmen...
Er hatte 4 Motorräder...und da ich nie und nimmer gefahren wäre...durfte ich sie alle verkaufen...hat bis Juni 2009 gedauert.
Über Motorradfahren kann man bestimmt auch hinter dem Regenbogen fachsimpeln...
Seine Freunde haben sich...zurückgehalten...wollten nicht stören: Waren überfordert!
Sein Bruder hat ihn ein Mal im Krankenhaus besucht...als er gestorben war meinte er: "Ich dachte der packt das". Nö...hat er nicht "gepackt" wäre auch irgendwann kaum möglich gewesen. Seit der Beerdigung haben wir uns nicht mehr gesehen/gesprochen.

Mannomann...da war die Familie Deines Mannes ja auch nicht gerade hilfreich.
Hmmm...ich glaube, es war gut, dass ihr "sicher" im Krankenhaus ward und in Ruhe Abschied nehmen konntet.
Jaa...mir tut es auch gut hin und wieder zu schreiben; beim Schreiben kann man wieder ein bißchen weiter sortieren, was da so passiert ist.

Ich wünsche Dir eine angenehme Nachtruhe


LG
Morgana
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