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  #16  
Alt 05.10.2005, 10:06
AndreaM AndreaM ist offline
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Standard AW: Und nun?

Liebe Susanne,
liebe Andrea,

also das mit den Kindern.... ich selbst habe keine, ich hätte auch Schwierigkeiten, hier auf ein Kind zuzugehen, weil ich nicht wüsste, wie.... und würde auf Rat von der Mutter hoffen. Ich hoffe, Eure Kinder finden auch Halt bei Ihren Freunden - aber leiden werden sie trotzdem, das kann man garnicht verhindern.

Und diese Probleme, die einem in Anbetracht des eigenen Verlusts so nichtig erscheinen - die schienen einem früher selbst unüberwindlich. Jeder Mensch wächst mit seinen Aufgaben, und wenn er noch keine großen zu bewältigen hatte, dann erscheinen ihm die kleinen groß.

Warum Freunde die Situation nicht verstehen können, ist mir ein Rätsel. Man sucht sich doch den Partner aus, der einen selbst am besten ergänzt (jedenfalls im Idealfall) - sei es in den praktischen Dingen, sei es in der Sicht aufs Leben. Und wenn einem diese Ergänzung genommen wird, tut dieser Verlust sehr lange weh, und in vielen Situationen fehlt einem eben diese Ergänzung. Das Verständnis dafür erwarte ich doch nicht nur von Menschen, die einen ähnlichen Verlust hinzunehmen hatten, sondern auch von denen, die einfach eine Trennung durchlebt haben.


Susanne, ich denke, Du wirst Dich von Deinem Umfeld nicht verbiegen lassen.

Zitat:
Wie kann ich auch nur über meinen Mann reden und nicht heulen, sondern seinen Humor hervor heben?
Wie schön, dass Du das kannst! Wenn Du ihn mit den positiven Gefühlen im Herzen trägst, hast du einen großen Teil der Trauerarbeit schon geleistet.

Zitat:
Wie kann ich Ironie in manchen dieser traurigen Dinge entdecken?
Ironie zu verstehen setzt Intelligenz voraus...

Zitat:
Und ganz dreist, wie kann ich mich denn trauen zu sagen das es gut war das wir nur vier Monate mit der Diagnose hatten?
Hast du dieses Empfinden wirklich Deinem Umfeld gegenüber oder stellst du Dir diese Frage nicht gelegentlich selbst? (Ich schliesse hier von mir auf andere...)

Zitat:
Wenn ich wieder beide Teile vereinen kann, ...
Das musst Du nicht, denn schon Thomas Mann hat gesagt: Die Bande der Liebe werden durch den Tod nicht durchtrennt (oder so ähnlich).

Susanne, ich kann Dich nur virtuell drücken, aber das tue ich von ganzem Herzen.

Andrea
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  #17  
Alt 05.10.2005, 10:51
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Und nun?

Guten Morgen Andrea u.alle anderen

<<Warum Freunde die Situation nicht verstehen können, ist mir ein Rätsel<<

Weil man es wahrscheinlich tatsächlich nicht kann, bevor man es nicht fühlt. Ich selbst hatte mich immer für sehr einfühlsam empfunden, dachte, dass ich wirklich wüsste, was es bedeutet, z.B. als meine Freundin ihre Mama verloren hatte. Ich war fest davon überzeugt. Heute weiß ich, dass ich es nicht einmal erahnt habe, WIE WEH es tut. Wenn man sagt, die Zeit heilt die Wunden, ist wahrscheinlich auch damit gemeint, dass man im Laufe der Zeit, wenn man bereits einen gewissen Weg durch die Trauer hinter sich gebracht hat, den Blickwinkel verändern kann. Man lernt zu verstehen. Mit dem Annehmen kommt auch die Bereitschaft, dem Umfeld sein Handeln zu verzeihen, zu begreifen, dass sie gar nicht anders können.

Mein Mann war noch keine Woche beerdigt, das kam eine Verwandte, deren Ehemann sie gerade wegen einer Älteren (was natürlich noch mehr am Ego kratzt) verlassen hatte. Ich hatte den schmerzlichen Weg gerade erst begonnen, war im Wechsel zwischen Erstarren und Zusammenbruch. Und in diese Verzweiflung sagte sie zu mir: Ich wollte, mein Mann wäre tot. Dann wüsste ich wenigstens, wo er ist. Damals war es ein Schlag ins Gesicht, so heftig, dass ich nicht einmal reagieren konnte. Heute, mit Abstand, wenn ich diese Zeilen lese kann ich Dank meines Galgenhumors sogar darüber schmunzeln. Allerdings mischt sich auch ein wenige Verständnis darunter, denn ich glaube zu wissen, was sie meint. Ich hätte zwar lieber, mein Mann hätte eine Freundin, dann hätten wir beide wenigstens eine reelle Chance gehabt... Dennoch bleibt mir eines und das ist die Gewissheit, dass mein Mann mich geliebt hat, dass er mich nicht verlassen wollte und dass er noch heute bei mir wäre, hätte er die Wahl gehabt. Und dieses Wissen um seine Liebe, gibt mir einen gewissen Seelenfrieden. Das Schicksal nicht er hat es so gewollt wie es jetzt ist.

Das andere ist das Eingestehen, dass man selbst, würde der geliebte Mann noch leben, wohl auch nicht so reagieren würde, wie es vielleicht gut wäre für die Betroffene im Umfeld. Der Alltag holt einen ein, ich hätte keine Zeit, ständig nach meiner verwitweten Freundin zu fragen, denn da wäre mein Leben mit meiner Familie, mein Alltag, mein Mann, der meine Zuwendung und Aufmerksam bräuchte. Ich verstehe es, wirklich, aber noch nicht sehr lange. Außerdem ist es irgendwie auch gut und es sei jedem Noch - nicht -Betroffenen vergönnt, dass sich das Mitleiden in Grenzen hält. Man kann nicht die ganze Last der Welt auf den Schultern tragen, denn eines Tages, und darin steckt dann wieder ein wenig Gerechtigkeit, trifft das Schicksal jeden auf die ein oder andere Art, und dafür braucht man Kraft, sehr viel Kraft.

Mir ist es wichtig, Klarheit zu haben. Ich verurteile wirklich niemanden, der nicht kann wie es schön wäre, dass er könnte. Ich habe kein Problem mehr damit "auszusortieren" ohne nachtragend zu sein. Im konkreten Fall bei mir war es ein Ehepaar, von dem ich niemals gedacht hätte, dass es sich von mir zurückziehen würde. Ich war anfangs verletzt, dann änderten sich meine Gedanken wie oben beschrieben und ich fragte mich, ob es nicht doch auch an mir liegen könnte. Bin ich denn auf sie zugegangen und habe gesagt, wie es mir geht, und dass sie mir fehlen? Nein, das hab ich nicht. Ich habe erwartet. Deshalb habe ich sie nun eingeladen, den ersten Todestag mit uns zu verbringen, als Freunde. Ich habe formuliert: Ich hätte euch an diesem Abend gerne bei mir. Gestern kam die Absage, fadenscheiniger Grund. Aber es ist ok. Somit kann ich guten Gewissens einen Haken dran machen. Ich bin nicht böse, nicht einmal mehr entsetzt. Es ist ok aber nicht schlimm.

Und was das Begreifen der Worte, es ist gut, dass es so schnell gegangen ist, betrifft, so muss man einfach sehen, dass es nur der Egoismus anders sehen kann, nur meine Selbstsucht, mein inniger Wunsch, meinen Mann weiter bei mir zu haben könnte wollen, dass er so krank wie er nun einmal leider wurde, noch leben würde. Auch ich gönne es ihm. Auch ich bin heilfroh, dass sein letzter Weg relativ gut und vor allem gnadenvoll schnell zu Ende war. Nur die Menschen, die wirklich lieben, werden das jemals begreifen. ...

Mein Gott, ich bin wirklich eine richtige Quasseltante....und noch längst nicht durch....

LG
Andrea
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  #18  
Alt 05.10.2005, 15:26
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Lady Molly Lady Molly ist offline
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Standard AW: Und nun?

Hallo,

nun schreibt die nächste Quasseltante und ich habe endlich die Smilieseite entdeckt

Liebe AndreaS,

deine Satire gefällt mir, ich habe herzlich gelacht. Punkt 3 ist mit Abstand der beste. Vielen Dank!

Ich möchte dazu dann auch gleich die Frage von AndreaM (hallo, liebe Andrea) beantworten, gut das ihr beide noch ein Buchstabenanhängsel habt.

Ich habe keine Schuldgefühle, weil ich froh bin das mein Mann nicht länger mit der Krankheit hatte. Ohne Krankheit hätte ich ihn natürlich gerne behalten, aber mit? Er hatte seit April zunehmende Schmerzen. Mir sagte mal ein Arzt die Dosis Morphium die er nimmt würde mich sofort umbringen und unser Hausarzt "meckerte" über die hohe Dosierung, denn Leber, Nieren, keine Ahnung was alles könnten davon geschädigt werden. (Seht ihr die Ironie darin? Hausarzt macht sich bei Patient mit begrenzter Lebenserwartung Gedanken über die noch nicht beschädigten Organe und nimmt lieber in kauf das der Patient in den Wochen die ihm noch bleiben Schmerzen hat die den Patient an jeder Tätigkeit hindern und die Tränen in die Augen treiben. Also mein Mann und ich fanden das recht ironisch/witzig. Ich denke so manche Sprüche die wir ausgetauscht haben sind mehr als makaber gewesen. Heute meine ich, dass unser Hausarzt einfach mit dem rasanten Fortschreiten der Krankheit überfordert war, nicht in seiner Arztkunst, sondern menschlich. Wie sollte er uns gegenüber treten, wenn wir unangenehme Fragen stellen?)
Als die Schmerzen im Griff waren, kam die Atemnot, laufend das Punktieren. Es war eine Qual manchmal 5 Stunden unterwegs zu sein um 20 Minuten "Flüssigkeit abzulassen". Der Tag war gelaufen, mein Mann fix und fertig, ich auch. Ausserhalb der Wohnung ging schon lange alles nur mit Rollstuhl, in der Wohnung ging mein Mann nur zur Toilette und ins Bett.
Das alles mit dem Tod vor Augen. Ich wäre nicht traurig gewesen, wenn wir mit dem Auto einen Unfall gehabt hätten und alles zu Ende gewesen wäre.
Wir alle standen unter einer enormen Belastung. Die Kinder, die Angehörigen, mein Mann und ich, jeder auf seine Art und auch wenn man wirklich bis zum Ende im Herzen hofft das ein Wunder geschieht, sieht der Verstand was die Wirklichkeit ist. Wir haben unsere Sache gut gemacht, Kräfte entwickelt, alles wie es kam bewältigt und angenommen (mal besser, mal schlechter). Hier setzt wieder das Problem ein das viele Menschen mit Abwesenheit geglänzt haben und sie hinterher nicht verstehen warum es richtig war das genau der Tag der bestimmte Tag war. Es war genug, es war alles gesagt und getan, wir waren am Ende unserer Kräfte, es war Zeit. Ich bin nun noch dankbar dafür wie alles gepasst hat. Ich weiss nicht, ob Gott, das Schicksal oder mein Mann selbst etwas steuern konnte, aber ich weiss, das es gut so war.
Ich hätte mir gewünscht mein Mann darf entschlafen, so einfach wurde es uns nicht gemacht, aber auch diese letzten gemeinsamen Minuten waren uns genau so bestimmt. Woher ist das weiss? In dieser Zeit wollte jemand vom Hospizdienst uns kennen lernen und ich hatte das abgelehnt und auf einen anderen Termin verschoben, ohne wirklichen Grund, sondern weil ich innerlich wohl wusste heute ist es soweit.

Bin ich nun aber ganz vom Thema abgekommen. Zum Glück, denn da ist sie wieder meine Kraft. Das Sterben meines Mannes war eine wunderschöne Erfahrung für mich (denkt euch was ihr wollt bei den Worten) und ich glaube es sollte so sein wie es ist, auch wenn ich den Sinn dahinter nicht sehen kann. Jeder (in unserem Umfeld) hatte die Chance mit uns zu reifen oder wegzulaufen. Wir haben fremde Menschen mit unserem Schicksal berührt und ich bin arg bescheuert, wenn ich das nun alles vergessen habe.

Ich will die Lücke die mein Mann hinterlassen hat füllen, ob in meinem Herzen, bei den Kindern oder bei anderen Menschen. Natürlich kann ich das nicht oder nur in geringen Maßen, aber ich will es trotzdem so gut wie möglich, denn ich habe durch meinen Mann gelernt das es wichtig ist zu geben, ob durch handfeste Hilfe oder durch ein Gespräch. Er war oft für andere Menschen da und manchmal war ich böse darüber, denn die Zeit fehlte der Familie. Heute weiss ich das es seine Art war sein Leben sinnvoll zu leben und das ist doch das Wichtigste. Ausgefüllt zu leben. Man kann auch auf 90 Jahre zurück blicken und weniger Liebe und Freude erlebt haben als andere in 40 Jahren. Das wollte ich nicht und ich bin sehr sicher das es nach unserem Tod in einer besseren Form weiter geht.

Ihr habt auch Recht, denn wenn ich noch nie mit der Trauer in Berührung gekommen wäre, würde mir eine Witwe zwar sehr leid tun, aber ich konnte ihren Verlust nicht erfassen und würde ihr mit Sprachlosigkeit begegnen.
Aber trotzdem würde ich keine Ausrede erfinden, wenn sie Hilfe braucht.
Habe ich keine Lust, sage ich das auch. "Wie? Jetzt gleich? Ich habe jetzt keine Lust!" Je nachdem wie wichtig die Sache ist bewege ich mich dann doch oder bespreche einen Termin. Sage ich, ich habe keine Zeit zu dem Termin, habe ich wirklich keine Zeit und kann es auch nicht ändern.
Kann ich etwas nicht und soll trotzdem helfen, warum nicht? Kann doch nur lustig werden, ich habe doch vorher gewarnt das ich Unwissend bin.
So habe ich aber auch schon reagiert bevor mein Mann krank wurde und erwarte das mir gegenüber andere genauso ehrlich sind. Ich kann mit einem: "Draussen regnet es und ich habe keine Lust!" besser umgehen als mit einer langen Entschuldigungsrede die fadenscheinig ist.

Heute geht es mir besser, ich kann wieder akzeptieren warum Menschen so sind wie sie sind und auf mich und die Kinder schauen ohne mich über andere zu sehr zu ärgern. Leider löst das nicht alle Probleme, aber was ich die letzte Woche gefühlt habe, möchte ich nie wieder erleben. Sowas von Zerissenheit, einfach schlimm. War das so ein berühmtes, mir oft angekündigtes Trauerloch?

Heute ist mein Mann auch genau zwei Monate tot. Am 5.8. musste er gehen.
So vieles hat sich geändert und doch ist nichts passiert. Jeder Tag hat noch 24 Stunden die ausgefüllt werden, mal besser, mal schlechter. Ich bin wirklich gespannt an welchem Punkt ich in 10 Monaten stehe. Es ist wie eine Reise im Blindflug, denn mein Steuermann fehlt und kann nicht ersetzt werden.
Also muß ich selber steuern lernen.

Liebe Grüsse,
Susanne
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  #19  
Alt 05.10.2005, 15:54
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Und nun?

Hallo Susanne

beim Lesen deines Beitrages ist mir gerade wieder ein Text in den Sinn gekommen, weiß nicht mehr woher ich ihn habe, vielleicht sogar von hier, kann auch leider nicht sagen, von wem er ist, aber SO IST ES was die Lücke betrifft, du kannst sie nicht ausfüllen, niemals, versuch das erst gar nicht, aber ....

Der fehlende Ton

Man stelle sich ein Lied vor, das viele viele Töne hat. Das Lied ist wunderschön, weil jeder dieser Töne da ist und seinen Beitrag zur Melodie leistet. Manche Töne sind ganz kurz, andere dagegen ganz laaaaaaaaaang und dann gibt es noch welche die sind dazwischen – mittellang.

Aber zurück zu unserem Lied.

Plötzlich passiert etwas Unerwartetes mit dem Lied: Jemand lässt einen einzigen Ton herausfallen.

Plötzlich klingt die komplette Melodie anders. Es fehlt ein Ton und die anderen Töne, die auf ein Zusammenspiel mit ihm abgestimmt sind, müssen sich an eine leere Stelle in der Notenzeile gewöhnen. Immer wieder, lange Zeit wird das Lied dann ohne diesen bestimmten Ton gespielt – es gibt auch keinen Ersatz für diesen Ton, denn man kann einen Ton nicht so einfach ersetzen. An seiner Stelle steht einfach nichts. Die anderen Töne finden das komisch, dass dieser Platz von nun an ganz leer sein soll und sie entscheiden sich dazu dem verlorenen Ton ein Denkmal zu setzen.

Sie setzen ein Pausenzeichen um zu erinnern, dass an diesem Platz einmal ein besonderer Ton saß. Nach einer langen Zeit wird auch dieses Lied zu einem gern gehörten Lied. Es ist zwar anders war als das Lied vorher, aber auch die Melodie dieses Liedes klang nach einiger Zeit, als man sich mit der ungewohnten Pause ein wenig vertraut gemacht hatte, wunderschön - aber eben ganz anders!

(Autor mir unbekannt)


Andrea
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  #20  
Alt 05.10.2005, 19:29
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Petra_S Petra_S ist offline
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Standard AW: Und nun?

Hallo alle zusammen!

Heute möchte ich nach längerer Zeit auch mal wieder ein paar Gedanken los werden. In vielen dingen kann ich mich bei euch wieder finden und doch ... manchmal sträubt sich alles in mir, wenn ich lernen MUSS ohne meinen Liebsten zu leben... ich SOLLTE ohne ihn Freude zu haben, wohl möglich noch gern zu leben...??? Seit fast 7 Monaten bin ich ohne ihn, auch ich habe allen Grund der Welt dankbar für meine 3 wunderbaren Töchter zu sein, welche alle eine Ausbildungstelle haben, ein sehr gutes Verhältnis zu mir haben, ich habe eine Arbeit, meine Mutter lebt bei mir und doch frage ich mich jeden Morgen: Geht dieser Kram nun die nächsten 20-30 Jahre so weiter?

Oh, nun muss ich mal (kommt Besuch) schnell aufhören - melde mich morgen wieder!

Liebe Grüße Petra
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  #21  
Alt 05.10.2005, 22:09
Briele Briele ist offline
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Standard AW: Und nun?

Hallo, liebe Susanne,
Hallo an alle,

das läuft hier richtig gut, ich komm zwar kaum mit, habe nun noch einmal alles gelesen und dieser offene, lebendige Austausch ist, verzeiht mir, falls Euch das Wort unpassend erscheint – freudvoll.

Mir ist einiges durch den Kopf gegangen. Im neuen Forum kann man nicht mehr während dem Schreiben zurückscrollen, ich schreib nun einfach drauflos.

Susanne, Du, und auch andere schreiben über die Bemühungen das entstandene Loch zu stopfen. Dazu etwa von Dietrich Bonhoeffer:

.... es gibt nichts was die Abwesenheit eines lebenden Menschen ersetzen kann und man sollte es auch gar nicht versuchen, man muß es einfach aushalten und durchhalten. Das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein großer Trost, denn indem die Lücke unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden.
Es ist verkehrt, wenn man sagt, Gott füllt die Lücke aus. Er füllt sie gar nicht aus, sondern hält sie vielmehr gerade unausgefüllt und hilft uns dadurch unsere alte Gemeinschaft miteinander – wenn auch unter Schmerzen – zu bewahren.....

Ich weiß nicht ob er Recht hat, der Dietrich Bonhoeffer, aber ich finde, da ist was dran.

Du schreibst, dass Du versuchst Deinen Mann zu ersetzen, bei den Kindern, auch bei anderen Menschen, weil er oft für andere da war.
Vielleicht geht das, was ich mache, in dieselbe Richtung. Es war nicht geplant, es ist irgendwie von selbst gekommen, ohne große Anstrengung. Ich versuche den guten Eigenschaften meiner Eltern Leben zu verleihen, sie in und mit mir weiterleben zu lassen. Es gibt mir ein gutes Gefühl.

Andrea M. hat Dir einen mutigen Brief geschrieben. In Andreas thread hab ich Dir das erste Mal geschrieben, aber ich hab wirklich sehr oft an Dich gedacht. Mit viel Bewunderung aber auch mit einem kleinen, unguten Gefühl in mir, dass Du hier nicht nur zu wenig bekommst, sondern dass Du kaum je irgend etwas bekommst. Immer wieder bin ich Dir im Forum begegnet, nie schien es passend Dir zu schreiben.

Nun – von meinem Gefühl her – ist eine Balance hergestellt. Jetzt stellt sich mir die Frage, kann man das Geschehen hier im Forum vielleicht umsetzen in das wirkliche Leben, in das Leben, in dem Du bist? Du hast hier einen thread eröffnet, hast Dich geöffnet und PENG sind gleich Menschen herbeigesprungen. Hallo, liebe AndreaS,
ich habe nicht nur gehofft, entschuldige, ich habe gewusst, dass Du kommen wirst.

Die Trauer ist eine schwere Sache. Man könnte sagen ein trauernder Mensch ist ein trauernder Mensch. Nach Mamas Tod war ich manchmal ein wenig eingeschnappt wenn mir jemand zu verstehen gab, es sei viel schlimmer wenn der Partner gestorben ist. Da dacht ich immer es kommt doch auf die Beziehung an, auch dass man Trauer nicht zuteilen und bemessen kann. Der Meinung bin ich nach wie vor, aber seit einem halben Jahr lese ich hier und verstehe besser. Ich verstehe besser, weil ich mehr weiß, mehr gehört habe. Neben all der Trauer, dem Schmerz, der Sehnsucht, dem Verlust den jeder erleidet, ist bei Euch, die Ihr Euren Mann, den Vater Eurer Kinder verloren habt noch ein zusätzlicher Brocken obenauf gepackt:
Die Last, die Sorge, des täglichen Lebens.

Das hab ich erst in letzter Zeit verstanden. Es hat mir gezeigt, dass man nur verstehen kann was man selbst erlebt hat, oder sehr eindringlich, anschaulich beschrieben bekommt.

Und ist es nicht in fast allen Lebenssituationen so? Ich glaube und hoffe, nie ein gefühlsmäßiger Trampel gewesen zu sein, aber rückblickend betrachtet war ich nicht wirklich brauchbar, keine wirkliche Hilfe wenn jemand trauerte. Willig ja, aber leicht zu beruhigen, dass eh alles in Ordnung ist. Also so wirklich dahinter war ich nicht.

So war es bei mir auch als meine Freundinnen und Kolleginnen Mamas wurden, als wir zwischen 20 und 30 waren. Ich hab sie besucht, ei, ei gemacht, Geschenke gebracht, mich gewundert wie ungepflegt sie aussahen, war gelangweilt über die Kindergeschichten und hab mir gedacht wir haben uns überhaupt nichts mehr zu sagen.

Nun bin ich eine späte Tante geworden, eigentlich im Großtantenalter. Gott sei Dank erinnere ich meine Gedanken und versuche mich ein bisschen zurückzuhalten wenn ich über meine Neffen erzähle.

Jetzt komme ich zu, hallo liebe Birgit4, zu Birgit, die „die andere Seite“ präsentiert.
Was wissen wir von dieser Seite? In Wirklichkeit nichts. Wir waren und sind die, die an der Seite des Kranken sind, die im Sterben dabei waren und jetzt sind wir die Hinterbliebenen. Wir verstehen etwas von dieser Seite. Aber da ist es auch nur wieder unsere Erfahrung. Am besten kann ich mich mit jemanden austauschen, der schwer um seine Mutter trauert. In unserer Nachbarschaft gibt es einen thread, da schreibt eine Mutter, deren 18jähriger Sohn gestorben ist. Ich habe das mehrmals gelesen, ich denke darüber nach, ich bin zutiefst berührt, aber ich kann ihr nicht schreiben, ich habe keine Worte für dieses Leid. Es gibt zwei threads in denen ich öfter schreibe, in einem kam eine Mutter mit einem erkrankten Kind, im anderen ein Vater, dessen Sohn gestorben ist. Da konnte ich nicht ausweichen, mich nicht drücken. Jedes Wort das ich dort schreibe kommt mir unzureichend vor. Ich stehe diesem Leid hilf- und wortlos gegenüber.

Ich schweife ab. Ich weiß nicht, ob man das sagen kann, ich wäre gerne mitgestorben. Ich hätte nicht mit meiner Mama mitsterben wollen. Ich möchte mit niemandem mitsterben. Wäre es so, dass ich nur mit meinem Tod das Leben meines Neffen retten könnte, dann würde ich, so glaube ich, für ihn sterben.

Aber das sind alles Gespinste. Zu wissen, dass man sterben muß, alles hinter sich lassen muß, man den einen Schritt alleine machen muß, das hat eine Dimension die man, so glaube ich, nicht begreifen kann. Birgit, ich wünsche und hoffe, dass Du noch eine lange Zeit mit Deiner Familie hast.

Susanne, AndreaS, AndreaM, Euch kenn ich ja,
allen anderen auch
liebe Grüße, gute Wünsche
von Briele
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  #22  
Alt 05.10.2005, 23:25
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Lady Molly Lady Molly ist offline
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Standard AW: Und nun?

Ihr Lieben,

jedes hier geschriebene Wort, ob von mir oder von euch ist eine Hilfe für mich.
Das Lied von dir, AndreaS, besser kann man die Situation nicht schildern und ich hoffe ich werde dies eines Tages können:
Zitat:
Sie setzen ein Pausenzeichen um zu erinnern, dass an diesem Platz einmal ein besonderer Ton saß. Nach einer langen Zeit wird auch dieses Lied zu einem gern gehörten Lied. Es ist zwar anders war als das Lied vorher, aber auch die Melodie dieses Liedes klang nach einiger Zeit, als man sich mit der ungewohnten Pause ein wenig vertraut gemacht hatte, wunderschön - aber eben ganz anders!
Briele, ich mache mir das Forum oft in einem zweitem Fenster auf, damit ich ausreichend rückwärts lesen kann .
Ich freue mich das du dich wieder zu Wort gemeldest hast.

Ich möchte mal genauer erklären was ich mit dem Ersetzen meines Mannes meine. In meinem Herzen kann ich die Lücke nicht mit jemanden oder mit etwas füllen, will ich auch nicht. Aber ich kann Trauer mit schönen Gefühlen paaren, die Trauer manchmal auch ersetzen. Den Schmerz zur Seite schubsen und der Liebe den Raum geben. Eine wirkliche Lücke ist ja auch nicht da, sondern ein Platz für meinen Mann. Dieser Platz tut nur manchmal sehr weh und dann muß ich mir ganz bewusst positive Gedanken an diesen Ort packen.
Die Lücke im praktischen Leben ersetzen ist auch schwer und ich packe mir bestimmt nicht die ganze Welt auf meine Schultern. Aber z.B. war mein Mann für Playstation 2 Spiele zuständig. Unseren Jungs war die Frage sehr wichtig wer sie denn nun kauft. Hier kann ich meinen Mann ersetzen, ich kann schauen was passend für das Alter unserer Kids ist, sie beraten und wenn´s denn sein muß das Geld raus rücken. Ich kann nach meiner Schwiegermutter schauen, die doch auch erst seit 4 Monaten Witwe ist, mit seiner Oma telefonieren, die 3 Kinder und nun ihren ersten Enkelsohn an die Krankheit Krebs verloren hat.
Versteht ihr etwas besser was ich meine? Ich kann kein zweiter Mann, Vater, Sohn, Freund sein, aber manches kann ich davon und mache es gerne. Einmal für mich, ich schrieb es schon einmal, als eine Art der Trauerverarbeitung, zum zweiten für meinen Mann, denn wenn er noch Leben würde, würde ich mich doch auch mit um seine Familie sorgen, zum dritten, wie bei meinen Söhnen, gehört es nun einfach zu meiner Aufgabe manches zu machen was Papa vorher erledigt hat.

Vor zwei Tagen habe ich angefangen mich hier auszuschreiben, meine Gedanken so wie sie kommen festzuhalten. Ja, Briele, du hast zum Glück Recht behalten. Ich bekomme Hilfe. Leider klappt das nicht in der Familie, in der Nachbarschaft, im Freundeskreis, Beispiele kann man hier genug lesen und ich denke hier, im Forum treffen wir eher Menschen die entweder das Gleiche erlebt haben oder bereit sind sich wirklich auf die Gefühle, Verluste, Hoffnungen anderer einzulassen.

Meine Schwiegermutter, meine Nachbarin, eine Bekannte und ich sind in diesem Jahr Witwe geworden. Drei von uns haben ihren Mann an Lungenkrebs verloren, ein Mann hatte Nierenkrebs. Zwei von uns haben Kinder, die schon erwachsen sind, zwei noch Kinder unter 18. Nicht mit einer dieser Frauen kann ich mich so austauschen wie hier, nicht eine dieser Frauen tauscht sich so aus wie ich hier. Warum das so ist? Ich weiss es nicht. Ich weiss nur, das ich wirklich genau geschaut habe, das ich deutlich gemacht habe was mir fehlt und erst als ich hier anfing zu schreiben eine echte Reaktion kam.

Liebe Petra S,
Zitat:
Geht dieser Kram nun die nächsten 20-30 Jahre so weiter?
Diese Frage habe ich auch noch nicht beantwortet. Ich lese und sehe wie andere mit ihrem Leben umgehen, weiter kommen oder auch nicht. Selber finde ich es sehr erschreckend täglich so vor mich hinzukramen, also ich weiss genau was du meinst. Wir müssen wohl jede für sich selbst sehen wie ihr Lied nach einer Zeit klingen wird. Bei der einen geht es schneller, bei der anderen dauerts länger und manchmal mag ich die ganzen Noten hinschmeissen. Du siehst und hast sicher alles auch gelesen, eine universale Antwort gibt es nicht auf die Frage. Leider.

Ich wünsche euch allen eine gute Nacht!
Susanne
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  #23  
Alt 06.10.2005, 05:14
Liz und Willy Liz und Willy ist offline
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Standard AW: Und nun?

Meine liebe Susanne

Wenn du hier wärst oder wir bei dir du wüsstest was ich machen würde, dich ohne Worte in den Arm nehmen und nicht mehr loslassen. So wie wir am Gotthard beide unseren Tränen freien Lauf liessen.

Es tut unsweh, deine Not hier erst jetzt gefunden zu haben, sind aber fast nie im Hinterbliebenen Forum. Vielleicht aus Angst vor diesem Tor, dem Gang über diese Brücke.

Du hast uns eine Mail geschickt, darin hast du angedeutet ne erwähnt, dass e snicht so gut get, aber als wir dann verscuhten diesen Thread zu finden über die Suchhilfe des KK stiessen wir nur auf den Thread "Erfahrungsaustausch" im LK, alle anderen tauchen gar nicht auf - also gingen wir mal auf die Suche nahc dir und nun haben wir dich gefunden.

Deine gedanken verstehen wir serh gut auch die der anderen auch wenn sie sogar im gegenteiligen sind, schon komisch gell, nur wir glauben, dass es eine sehr zwiespältige Situation ist in der wir, als Betroffene, Angehörige und Hinterbliebene oder du als Angehörige und Hinterbliebene uns befinden.

Du sprichst eins sehr wichtiges Thema an - wieviel Hilfe sollte von anderen spontan kommen und wieviel muss man sich Erbeten oder gar Erbetteln. Genau das Erbetteln, also auf den Knien nach Hilfe rufen liegt uns nicht, heisst über den eigenen Schatten springen, denn wir alle sind es im grossen und ganzen nicht gewohnt nach Hilfe zu fragen. Du und ich, liebe Susanne sind uns sehr ähnlich wir geben viel, sind immer da auch wenn wir schon auf unseren Stockzähnen daher zu laufen kommen. Es fällt uns schwer nach Hilfe zu fragen oder uns selber auch einmal in den Mittelpunkt zu stellen.

Briele hat es mir erst vor ein paar Tagen deutlich gesagt, und sie hatte recht "War sie die einizge oder einer der wenigen die spürte, dass es dir nicht gut ging?" Offentsichtlich ja, denn wie es dir erging, ging es auch mir. Ich hoffte in der Familie oder im Freundeskreis, dass jemand nicht nur einfach oberflächlich die Standardfrage stellt "und wie geht es dir?" und man diese mit der gleichen Alltagsfloskel beantwortet "gut oder so lala!", sondern, ich hoffte innigst, dass sie ohne grosse Worte spürten es geht einfach besch...., aber es war nichts, komischerwieise nicht einmal von Willy, weil er so mit seiner eigenen Not und Ängsten zu tun hat.

Wir erwarten, so wie wir feinfühlig das Befinden anderer erspüren, dass sie dies auch können und unsere Not spüren, leider ist dem nicht so und das enttäuscht und schmerzt.

Das Verlieren der sogenannten Freunde ist ein Phänomen das bereits in kranken Tagen seinen beginn findet udn sich nach dem Tod fortsetzt und es hält nicht nur Einzug bei Freunden, sondern auch innerhalb der Familie.

Ich mag mich an die Zeit erinnern als Willys Eltern starben, innert 4 Wochen. Die ganze Familie war versammelt und hat Abschied genommen von ihrer Schwester oder Schwägerin, Tante oder Gotte oder dem Bruder, Schwager und Onkel. Die Welt ging für sie unter, nur niemand hat seither nachgefragt wie es dem einzigen Sohn geht der beide Eltern in so kurzen Abständen verlor und dazu noch bald darauf seine eigene Krebsdiagnose erhielt. Schon koommt kein Telefon mehr um nachzufragen, sie leben in ihrer Welt bestehend aus vielen kleinen und teilweise auch sehr grossen Sorgen, nicht in der Lage sich auf andere einzulassen.

Ich verstehe sehr gut was du damit meinst wenn man dich fragt wie es die Kids verkraften und es ihnen geht, die Frage ist wirklich wieso kann man die Kinde rnicht selber Fragen, weil man Angst hat sich mit einem trauerndem Kind auseinander zu setzen, weil man in der Gesellschaft es immer noch nicht gewohnt ist, dass auch Kinder trauern und sogar Anrecht zum Trauern haben. Lieber fragt man eine erwachsene Person oder gar nicht als etwas Falsches zu hören oder zu sagen. Es kommt der tag wo wir mit unserer Trauer resignieren udn nichts merh sagen dies gilt erst recht für Kinder, und ich glaube tief drin, spürst du genau das dies zu drohen scheint, nicht heute, aber vielleicht übermorgen, ein Schweigen mitten in der Trauerzeit - das ist ja verherrend oder?

Man hofft im stillen nach dem spontanen Nachfragen wie es einem geht - man will es nicht unter die Nase reiben müssen, aber statt dessen erfährt man solche Verletzungen wie es Andrea S so gut beschrieb mit ihrem "befreundetem Ehepaar" sie gab ihnen eine letzte Chance zu zeigen, dass sie als Freunde für sie da sind an diesem für Andrea so schweren Tag das Überstehen des 1. Todestages. Einmal mehr liessen sie Andrea im Stich, spürten nicht was sie mit der Einladung gebeten hatte, ein wenig Beistand diesen Tag zu überstehen. Nicht viel wollte sie, nur etwas Zeit für sie und ihren Gedanken und ihre Trauer. Statt dessen erhielt einen Korb und der schmerzt, auch wenn es wiederum eine andere Seite, ja gute Seite sogar aufzeigt - sie weiss nun wo sie steht und wie sie zu handeln oder reagieren hat.

Viele hier kennen uns wahrscheinlich nicht, wissen auch nicht, dass unser 21jähriger Sohn an Cystische Fibrose / Mukoviszidose leidet, auch eine tödlich verlaufende Krankheit die bereits im Babyalter sich manifestiert. Wir erhielten die Diagnose erst als er 3,5, Jahre alt war, bis dann kämpften wir gegen einen Mr. Nobody wie wir die Krankheit ohne Namen nannten. Meine damalige Freundin war da als ich nur 2 Stunden zuvor die Diagnose per Telefon erheilt, und doch kam sie nicht zurecht dass wir ums Leben von Pascal kämpften und sie 2 kerngesunde Kids hatte. Der Kontakt ist abgebrochen, hinterlassen hat es schöne gemeinsame Erinnerungen und viele Wunden die heute noch weh tun. Eine Szene im Verlauf von Pascals krankheit kommt mir immer wieder in den Sinn, ich musste einmal mehr wegen einer seiner Lungenentzündungen zum Kinderarzt, ich wartete inm Wartezimmer und musste zwangsläufig zuhören wie sich die anderen wartenden Mütter unterhielten. Sie jammerten udn beklagten sich wie ihr Kind/ihre Kinder schon wieder einen Schnupfen hatten, nach 3 Wochen schon wieder Ich sass da und dachte so leise vor mich hin wie schön wäre es wenn ich nur hier sitzen könnte ich muss zum KA weil mein Kind nur einen Schnupfen hat, wegen einem Schnupfen waren wir nie beim Doc. es war immer hart auf hart wenn wir gingen. Es wurde mir bewusst wie die Menschen um mich herum sich mit Banalitäten beschäftigten und diese für sich zu einer Tragödie werden liessen.

Ich sass da und kämpfte, um das Leben meines Sohnes, ich sitze heute da und kämpfe um das Leben von Willy und Pascal und nun auch um meines. Ich sitze da in mitten vieler Menschen und doch bin ich alleine, wie es hier schon so gut beschrieben wurde. Obwohl ich/wir Signale aussandten - wir möchten nicht alleine sein - sind wir doch alleine.

Vor ein paar Tagen habe ich mit einer Bekannten telefoniert deren Mann vor 10 Monaten an Lunegnkrebs gestorben ist, sie sagte mir, weisst du es tut weh wenn Menschen für mich eine Entscheidung treffen ohne mich überhaupt zu fragen, ein Beispiel war, sie erfuhr, dass ehemalige sehr gute Freunde von ihr ca. 3 Moante nahc dem Tod ihres Mannes an eine Konzert gingen das sie schon lange vor dem Tod ihres Mannes gemeinsam besuchen wollten und die Karten bereits geholt hatten,. Die Karten hatten die Freunde bei sich. Als der Tag X des Konzertes kam, war sie erstaunt als sich niemand gemeldet hatte um zu verienbaren wann sie sich treffen wollten. Es kam heraus, dass sie beide Karten einfach jemandem anderen übergeben hatten, obwohl unsere Bekannte sie schon längst bezahlt hatte, denn die besagten Freunde entschieden in ihrem Namen es sei zu früh nach dem Tod ihres Mannes an ein Konzert zu gehen. Sie wurde einfach übergangen. Auch wir haben es schon öfters erlebt, dass wir "übergangen-ausgeschlossen" werden. Willy antwortet dann immer wieder "er lebe noch" ne sogar noch krasser sgat er es " er sei noch nicht gestorben und denke auch nicht nur wegen ihnen dies zu tun" das gleiche gilt aber auch für Hinterbliebene "sie leben auch noch".

Wir haben viele Freunde verloren, aber auch viele andere neue, bessere gewonnen, das ist im ganzen Krebsleiden nebst der neuen, anderen udn intensiveren Beziehung zum Partner eines der wenigen positiven Aspekte der Krankheit. Viele dieser neuen Freunde haben wir nicht einfach so kennen gelernt sondern hier im KK oder in der Selbsthilfegruppe.

Darüber sind wir froh und es hilft enorm über die schmerzende Erfahrungen im normalen Freundeskreis hinweg zu sehen und zu kommen.

Nun gehe ich mal in ie Heja Gute Nacht zusammen eure Liz und Willy im Doppelpack
__________________
***

Willy 54 J. LK Pancoast Tumor Adeno. ES 8/02 ED 11/02, Radio-Chemo, Op. 2/03 seither Teilgelähmt, O2-abhängig
Liz MS im Rolli. Gebärm.ca. 8/05
Mami 10.4.1934 - 7.9.2009
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  #24  
Alt 06.10.2005, 09:50
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AndreaS AndreaS ist offline
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Zitat:
Zitat von Lady Molly
Eine wirkliche Lücke ist ja auch nicht da, sondern ein Platz für meinen Mann. Dieser Platz tut nur manchmal sehr weh und dann muß ich mir ganz bewusst positive Gedanken an diesen Ort packen.
das hast du wunderbar formuliert.

Zitat:
Nicht mit einer dieser Frauen kann ich mich so austauschen wie hier, nicht eine dieser Frauen tauscht sich so aus wie ich hier. Warum das so ist
weißt du Susanne. Dieses Forum ist eine riesengroße Chance für uns. Hier findet irgendwie eine "Auswahl" statt. Hier treffen sich die, die reden wollen, reden müssen, um den Druck abzubauen. Es ist unsere Art, mit unserem Schmerz umzugehen. Mein Mann z.B. nie im Leben glaube ich, dass er hier geschrieben hätte, dass er so viel gesprochen hätte. Gut, ganz sicher bin ich nicht, weiß man doch selten im voraus, wie man in einer Ausnahmesituation reagiert. Aber Claus hätte wahrscheinlich kein so großes Bedürfnis gehabt, sich mitzuteilen. Anfangs hatte ich auch Bedenken: Findet er das jetzt gut, dass ich hier öffentlich über ihn, seine Krankheit und sein Sterben erzähle? Ist es nicht so intim, dass es niemanden angeht? Heut bin ich sicher, dass es ok ist, auch für ihn, denn er weiß, wie sehr es mir hilft und er wird wollen, dass es mir irgendwie "besser" geht.

Zitat:
Viele dieser neuen Freunde haben wir nicht einfach so kennen gelernt sondern hier im KK oder in der Selbsthilfegruppe.
Liz sagt es. Ich fühle hier soviel Verbundenheit, echte Zuneigung durch diesen offenen und ehrlichen Austausch über Gefühle, Enttäuschungen, Hoffnungen, Verzweiflung. Hier hat irgendwie niemand eine "Maske" auf, ich habe das Gefühl, wer sich hier mit mir austauscht ist ehrlich, eine Grundvoraussetzung für richtige Freundschaft.
Und so macht mein Herz häufig einen kleinen "Freudenhüpfer" wenn ich sehe, dass z.B. Briele geschrieben hat. Ein Mensch, der mir viel bedeutet, obwohl ich weder ihre Stimme kenne, noch weiß, wie sie aussieht und dennoch das Gefühl habe, einen Blick auf ihre Seele geworfen zu haben, sie zu kennen.
Und mit dir Susanne geht es mir nach diesen wenigen Tagen, da wir miteinander quatschen ebenso. Dein Humor, dein Temprament, das ich durch die Zeilen spüren kann, ich denke "das passt", ich glaube, wir beide wären ein gutes Team im richtigen Leben.
Seit Ende letzten Jahres habe ich regen e-mail Kontakt zu einer anderen Hinterbliebenen, deren Mann auch an Nierenkrebs gestorben ist. Nach kurzer Zeit entdeckten wir so viele Gemeinsamkeiten in unserer beider Leben, dass es schon fast unheimlich ist. Wir wären uns im "richtigen" Leben niemals begegnet, wohnt sie in der Schweiz und ich im Saarland. Und dennoch hat das Schicksal und dieses Forum zusammengeführt. Und wir haben voneinander gelernt, vor allem haben wir gemeinsam gelacht. Und das ist so wichtig - und auch hier eben die Berührungsängste der Umwelt - darf man lachen, wenn man trauert? Ich denke JA. Und jedes Lachen, jedes von Herzen Lachen hat meinen Schmerz für einen Augenblick zur Seite geschoben und Platz geschaffen für die Gefühle, die dich "leben" lassen, die man auf unserem Weg so wenig spürt.

Zitat:
manchmal sträubt sich alles in mir, wenn ich lernen MUSS ohne meinen Liebsten zu leben... ich SOLLTE ohne ihn Freude zu haben, wohl möglich noch gern zu leben..
oh ja, DAS kann ich auch nicht mehr ertragen, macht mich sogar richtig wild. Als ob wir nicht selbst wüssten, was wir MÜSSEN, nur keiner dieser ach so gescheiten Trauerratgeber sagt uns WIE.

Liebe Liz,
was soll ich sagen? Wieviel Leid kann ein Mensch ertragen? Vor allem, wie kann er es ertragen?
Zitat:
Spezielles - lieben uns über alles .....!!!! .
wahrscheinlich ist das der Schlüssel zu allem.
Ich fände es schön, wenn auch du weiterhin hier mit uns schreiben würdest und auch uns ein wenig teilhaben lässt an eurem Leben.

Ich wünsche uns allen einen erträglichen Tag und hoffe, dass ihr für ein paar Freudenhüpfer meines Herzen sorgen werdet, indem ihr schreibt.
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  #25  
Alt 06.10.2005, 11:26
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Liebe AndreaS

Ja das ist der Schlüssel, ohne das geht gar nichts, diese Liebe beschränkt sich nicht nur auf eine partnerschaftliche Liebe - sprich Ehe etc., sondern kann, wenn man es zulässt ausgeweitet werden. Immer auf eine besondere andere Art aber trotzdem sehr fruchtbar und schön auf andere Beziehungen übertragbar. Ich sage immer wenn in einer Freundschaft keine Liebe zu den Freunden besteht, dann kann sie auch nicht bestehen und wachsen, vor allem halten. Nur es muss immer von beiden Seiten - es ist wie eine Blume solange die Blume da ist braucht sie Licht und wasser, fehlt ihr das eine oder andere verkümmert sie.

Das gleiche gilt wenn keine Liebe zu den Schwiegereltern besteht, sondern nur eine schwiegerelterliche Beziehung, dann kann sie nicht zum schönsten auf Erden werden, nämlich einer Familie. Ich liebte meine Schwiegereltern wie meine eigene Eltern udn vermisse sie heute unheimlich. Ich bin auch stolz, wenn ich sage ich hatte die besten Schwiegereltern die man sich wünschen kann, klar gab es mal die eine oder andere Diskussion, aber wir waren IMMER für uns gegenseitig da. Nicht einfach finanziell ein Zustupf geben, sondern dann auch wo es hiess bis ans intimste des anderen herangehen zu müssen und sie vor dem nahenden Tod zu wahren in dem wir die Pflege übernahmen (sie hätte damals nicht übelebt hätten wir sie ganz der Klinik anvertraut). Liebe geht aber auch mich Respektieren, Schätzen, Tolerieren und Achten einher und ohne das droht sie wahrscheinlich zu scheitern.

Sie waren wunderbare Menschen - ich werde sie nie vergessen und bin froh dass sie ein Teil meines Lebens waren, ein Teil meines eigeenn Lebenspuzzles das mich zu dem gemacht hat was ich heute bin. Das gilt auch für einige weitere Menschen verwandt und nicht verwandt, und doch gibt es von beiden Seiten (Verwandt und nicht verwandt) solche von denen ein teil der gemeinsamen Zeit nie vergessen werden kann aber sie nicht mehr den Platz im Herzen einnehmen, weil es wie eine Blume ohne wasser oder Sonne, war - das gewisse Etwas hat gefehlt, nämlich Liebe.

Ja liebe Andrea ich werde sicher hier bleiben - es ist ein fruchtbarer Thread, nicht nur ein trauriger, sondern ein Tragender. Nicht zu letzt ist uns Susanne sehr wichtig geworden, wir durften etwas einmaliges gemeinsam erleben was wir gerne anderen auch gegönnt hätten. Es verbindet zusätzlich. Es sind Erinnerungen und Gefühle die schwer zu teilen sind, deswegen habe ich es noch nicht geschafft alles so nieder zu schreiben für den Thread öffentliche Tagebücher wie ich es möchte. Aber der Bericht wächst und du wirst es dann verstehen was ich meine. Ich bin geehrt und froh Susanne begegnet zu sein.

Wir werden auch bleiben auch wenn Willy noch lebt und es nicht einfach ist schon über das was kommen wird sich Gedanken zu machen, aber ich habe in meinem Leben, wie auch Willy, schon viele liebe Menschen gehen lassen müssen - wir sind auch Hinterbliebene.

Susanne dir eine spezielle Umarmung heute, einfach weil es heute ist und nicht schon morgen!

Andrea, du hast geschrieben, dass dein Mann vor einem Jahr verstorben ist, du hast aber nicht geschrieben wann, darf man dich danach fragen?

Liebe Grüsse von der dritten Qausseltante im Bunde Liz mit Willy im Doppelpack
__________________
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Willy 54 J. LK Pancoast Tumor Adeno. ES 8/02 ED 11/02, Radio-Chemo, Op. 2/03 seither Teilgelähmt, O2-abhängig
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  #26  
Alt 06.10.2005, 14:04
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Und nun?

Liebe Liz,

mein Gott, hier kommt ganz schön was in Gang, bei mir zumindest, immer wenn ich euch zuhöre, fällt mir etwas auf, etwas, was ich zwar fühle aber noch nicht "begriffen" hatte.

Was du über die Liebe schreibst. Ich kann dir 100 %ig zustimmen. Nun versuche ich etwas auszudrücken, was etwas schwierig, da vielleicht noch nicht ganz richtig formuliert.

Mit dem Tod meines Mannes ist auch meine Fähigkeit gewachsen, zu lieben. Ihn habe ich immer geliebt, ohne wenn und aber seit ich 16 Jahre alt war. Meine Kinder ebenso. Wie war das nun mit den anderen? Gemocht habe ich einige von ihnen, aber dieses wärmende Gefühl, das ich für Mann und Kinder spüre?

Seit Claus nicht mehr lebt, hat sich etwas verändert. Obwohl es vor Trauer so schwer ist, scheint mein Herz größer geworden zu sein. Das wärmende Gefühl in mir, gilt heute auch fremden Menschen, meinen wirklichen Freunden z.B. . Pe Werner singt in einem Lied: Man kann auf viele Weisen lieben, ohne Moralapostelei. Heute verstehe ich diese Zeilen. Vielleicht ist es so, weil ich mich heute nicht mehr auf meinen Mann konzentrieren (muss), es war mir so wichtig (Gott sei Dank) möglichst viel gemeinsame Zeit mit ihm zu verbringen, wann sollte ich mich noch auf andere einlassen, richtig einlassen, so wie ich es heute kann. Oder trage ich nun auch seinen Teil Liebe in mir, die Liebe, die er für mich und die Kinder fühlt? Ob es richtig rüber kommt, was ich sagen wollte?

Um deine Frage zu beantworten, liebe Liz, Claus ist am 08. Oktober um 19.30 Uhr gestorben. Am Samstag ist es ein Jahr her und ich habe tatsächlich das Gefühl, dass in meinem ganzen Leben noch niemals ein Jahr so schnell vergangen ist. Und das ist etwas, was ich überhaupt nicht begreife....
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  #27  
Alt 06.10.2005, 14:10
AndreaM AndreaM ist offline
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Standard AW: Und nun?

Hallo zusammen,

hier nur ein kleiner Kommentar zwischendurch: Natürlich bekommt man in einem solchen Forum mehr Hilfe als im richtigen Leben. Hier kann man sich entweder hinter Anonymität verstecken (ich treffe gelegentlich nicht den richtigen Ton, da bin ich froh dass keiner kommt und mir die verdiente Ohrfeige verpasst).

Ausserdem kann man "dosieren" wieviel Schicksal man an sich heranlässt. Man kann Absatzweise lesen, man läuft nicht in die Gefahr, dass das Gegenüber einfach weinend zusammenbricht und man selbst sich so unglaublich hilflos fühlt.

Wenn man die Grenze dessen, was man tragen kann, gelesen hat, kann man einfach das Fenster schliessen und den Rest in ein paar Stunden lesen - diese Chance hat man im wirklichen Leben nicht. Wer kann zu seinem Gegenüber sagen "hör auf - ich kann nichts mehr hören"? Ich kann es nicht, das weiss ich.

Für "kurz zwischendurch" auch wieder ganz schön lang...

Liebe Grüße
Andrea
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  #28  
Alt 06.10.2005, 14:36
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Lady Molly Lady Molly ist offline
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Standard AW: Und nun?

Liebe Liz und lieber Willy,

ich schrieb euch mir geht´s nicht so gut und das ich im Forum mehr dazu geschrieben habe, ihr eilt her und nehmt teil. Das macht euch zu besonderen Menschen, genauso wie alle anderen die hier schreiben. Manchmal kommt es überhaupt nicht darauf an was geschrieben wird, obwohl ich für eure Worte sehr, sehr dankbar bin, sondern das man, ich, meine momentane Gefühle so angenommen werden wie es gerade ist. Von euch beiden habe ich viel gelernt, viel Kraft erhalten, ich habe mit euch eines der schönsten und traurigsten Erlebnisse meines Lebens geteilt. Ich weiß das ihr einen Packen zu tragen habt, ihr befindet euch auch auf der anderen Seite und trotzdem geht ihr Schulter an Schulter mit mir, wie auf den Berg hinauf. Gleichzeitig kommt da der fade Gedanke, warum können das die Menschen nicht, die mich hier greifbar erleben? Ja, manchmal zieht man eine Maske auf, davon will ich mich nicht frei sprechen, aber ich komme sehr oft, meist ohne aus. Liz und Willy, ihr wisst wie es ist, wenn man einsam ist, genauso wie ich. Daraus wird auch unser Hilfsbedürfnis geboren, denke ich. Im Moment halte ich mich hier im Forum zurück, lese nur diesen Thread möglichst. Genauso halte ich es im "realen" Leben, ich brauche diese Pause. Aber lange wird sie nicht anhalten, denn ich muß herbei springen wenn ich sehe das jemand sein Leid postet und niemand antwortet, das jemand Hilfe sucht und keine findet. Gerade weil ich weiss wie schlimm es ist in die Runde zu rufen und niemand nimmt es wahr.

AndresS und ihr habt Beispiele genannt, andere hier auch. Wir finden Menschen, mit denen wir die berühmten Pferde stehlen können und andere Menschen verschwinden dafür aus unserem Leben. Ich bin wohl noch zu empfindlich um denen die nicht mehr zu mir passen nicht hinterher zu weinen, ihnen manchmal gar böse zu sein. Eben kam mir der Gedanke das doch das ganze Leben so ist. Mütter horten sich mit Mütter zusammen, Fußballfans mit anderen Fußballfans, junge Menschen mit anderen in ihrem Alter und alle haben ihren Treffpunkt. Die Mütter auf dem Spielplatz, die Fußballfans im Stadion, die jungen Menschen in ihrem Tanzschuppen. Auch hier gibt es Ausnahmen, ich weiß, aber so wie man eine Mutter nicht mit einem Fußballfan in den Tanzschuppen stecken sollte, so können wir nur mit bestimmten Menschen zusammen sein und unser Treffpunkt ist hier. Wie AndreaS schreibt "es passt".

Die Liebe ist wichtig. DIE LIEBE! Als ich auf dem St. Gotthard war und auch einige Zeit danach, hatte ich nur Kraft und Liebe für die ganze Welt, wirklich für alle, in mir. Tränen der Liebe liefen auch, nicht nur der Trauer und ich hätte alle und alles umarmen können. Ist der Alltag wirklich so zermürbend? Oder bin ich selber schuld wenn ich mir dieses schöne Gefühl habe nehmen lassen?

Dazu möchte ich noch erzählen wie Mitfühlend doch die lieben Verwandten sein können. Das mein Mann nun seit acht Wochen nicht mehr lebt wisst ihr. Der grösste Teil der Familie lebt hier nicht allzu weit verstreut. Ein Onkel und eine Tante von mir ca. 100 km weiter. Sie konnten nicht an der Beerdigung teilnehmen, weil ich zu knapp Bescheid gesagt hatte, einen Tag vorher. Ich weiss auch nicht was ich in den Tagen zwischen dem Tod und der Beerdigung gemacht habe, vielleicht, aber nur ganz vielleicht gab es 1000 Dinge zu regeln und zu bedenken und ab und zu ein Tränchen zu weinen? Gestern bekam ich einen Brief von Onkelchen und Tantchen, die Kinder strömten neugierig herbei. "Wer denn schreibt?" Die Neugier hielt an bis ich den Brief aufgemacht hatte und eine Trauerkarte heraus fiel. Schlagartig leerte sich der Raum und ich konnte verdrehte Augen auf manchen Gesicht sehen. <--- in dieser Art. Auch mir sind die Gesichtszüge entgleist --->
Zu lesen war "das Übliche" und am besten fand ich die Bitte um meine Bankverbindung, damit man doch Geld überweisen könnte.

Wisst ihr, manchmal begegnen mir Menschen die uns nicht so nahe standen und wissen nicht was passiert ist. Man sieht richtig wie sie zurück schrecken, wenn sie es erfahren, aber sich dann sammeln und die Beileidworte murmeln. Das ist ok. Aber auch, wenn Verwandte vielleicht nur zufällig mit uns verwandt sind, nach acht Wochen eine Karte? Kurz nach dem Tod habe ich mich über jede Karte gefreut, war sie ein Zeichen der Anteilnahme, ein Zeichen dafür wie beliebt mein Mann gewesen ist. Gestern die Karte war wie ein Schlag ins Gesicht, wir stehen nicht mehr auf dieser Stufe, wir sind weiter gezogen und werden durch sowas zurück geworfen. Sehr schön konnte ich das an den Kindern sehen, sie wollen weiter gehen und waren nur noch genervt, weil sie durch die Karte wieder an einen Punkt gebracht wurden der hinter ihnen liegt. Und könnt ihr euch vorstellen wie doof ich mir vorkommen würde, wenn ich meine Bankverbindung versenden würde? Ich kann verstehen das man der Post nicht traut und trotzdem...

Liebe AndreaM,

sehe dein Posting gerade, weil ich in der "Vorschau" bin. Ganz so sehe ich es nicht, denn ich wäre froh, wenn ihr alle gleich um die Ecke wohnen würdet. Ich würde mich mit euch zu einem Kaffeeklatsch treffen und es wäre für uns einfacher die Unterhaltung zu führen. Als ich zu Liz und Willy unterwegs war hatte ich natürlich auch bedenken, wird es "passen"? Es hat gepasst und würde bestimmt mit uns allen hier passen.

Im Gespräch sagen wir unserem Gegenüber selten das wir die Nase voll haben, das stimmt, aber durch unsere Körpersprache zeigen wir es nur zu deutlich.

Ich mag das Internet sehr gerne, nicht weil ich hier anonym sein kann, sondern, weil ich Menschen aus aller Welt kennen lernen kann, mich mit ihnen austauschen kann. Mag ich nicht (mehr) schalte ich den PC aus, im realen Leben gehe ich heim, wenn ich keine Lust mehr habe.

Das mit dem richtigen Ton ist natürlich ein großes Problem, gerade bei den sensibelen Themen. Auch ich befürchte oft das mein Geschriebenes falsch aufgefasst werden könnte. Augen zu und durch und wenn ein Mißverständnis auf kommen sollte, in die Tasten hauen und richtig stellen.
Mehr bleibt wohl nicht übrig...

Euch allen noch einen schönen Nachmittag!
Susanne - die fertig gequasselt hat.... vorläufig...
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  #29  
Alt 06.10.2005, 14:51
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Ach je, schaue ich schon in der Vorschau auf Postings vor mir und übersehe dich, liebe AndreaS.

Ganz kurz, bevor´s wieder ... naja, etwas, nur ein wenig zu lang wird.

Ja, du hast "vorher" deine Liebe mit Claus geteilt und ganz auf ihn und die Kinder gerichtet. Nun trägst du aber nicht nur diese Liebe in dir und in die Welt, sondern wir haben uns verändert. Wir haben verstanden das das Leben ein Schatz ist und wollen diesen Schatz trotz unserer Trauer nutzen und ihn anderen Nahe bringen und Liebe ist doch ein guter Weg dafür, oder?

Susanne
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  #30  
Alt 06.10.2005, 15:30
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Hallo alle zusammen!

Ja, nun bin ich wieder da und ich habe gestern auch wieder brav das „normale Leben praktiziert“, weil - man muss ja auch sehen, dass man sich nicht zu sehr hängen lässt …usw. Ich weiß nicht WIE es gehen soll, jedenfalls scheinen wir wohl dem Leben verpflichtet zu sein unseren Lieben wegen. Natürlich hat das Leben auch jetzt noch schöne Stunden und Erlebnisse und doch frage ich mich wie würde mein Liebster im umgekehrten Fall durchs Leben gehen? Ich weiß, er war unendlich traurig gehen zu müssen und auch Bitterkeit war in ihm, da er wirklich ein sehr schweres Leben hatte und gerade dabei war sich mit seinem Leben anzufreunden und es mit uns leben zu wollen. Immer wieder denke ich an den Satz:“… dann erinnert ihr euch vielleicht an den Typ der mal ein paar Jahre bei euch war…!“ Ich weiß, dass das nur die Bitterkeit war, er doch sehr genau wusste was er mir/ uns bedeutet hat. Aber es stimmt doch auch nicht so ganz, wenn wir sagen „…er hätte sich gewünscht, dass wir weiter machen und wieder glücklich werden…“ Ich will nicht wieder „glücklich werden“ - er war meine Zukunft und wenn er - von wo er auch ist, sehen würde sie macht einfach so weiter und er müsste denken… - ….ach ich weiß nicht was!(heul-schnief) Aber es ist nicht so, ich lebe weiter, es sieht vielleicht so aus als „funktioniere“ ich wie immer – aber ich WILL dieses „neue Leben“ so auch nicht annehmen – das darf ich aber so nicht sagen, denn ich MUSS ja dankbar sein, dass ich noch leben DARF! Ich habe kein schlechtes Gewissen, dass ich noch leben DARF, ich bin unendlich wütend auf das Leben, weil es uns nicht mal in Ruhe lässt, immerzu irgendwelche Katastrophen und damit meine ich nicht ein gebrochenes Bein. Ich bin froh über meine Töchter, aber gleichzeitig erwarte ich nichts Gutes mehr vom Leben, ich weiß nicht was es sich noch ausdenkt – die Gefahr dass diese schlimmen Dinge meinen Töchtern und deren späteren Familien auch noch zustoßen… Mein Mann hat meine Töchter mit mir durch so schwere Zeiten begleitet und hat alles gegeben, mehr hätte ein leiblicher Vater auch nicht tun können. Er hat sie geliebt und nun, da sie „flügge“ sind, darf er nicht mehr erleben was seine Zuwendung bewirkt hat, wie sie sich auch durch sein „Vorleben“ bewähren in ihrem Leben!

An dieser Stelle frage ich mich immer, wie es Menschen anstellen, die schon viele liebe Menschen aus ihrer Familie an den zu frühen Tod, sei es durch Krankheit oder Unfall verloren haben?! WIE stellt man das an, NICHT verbittert zu werden, NICHt zu resignieren und trotzdem das Leben „SCHÖN“ zu finden? Mir gelingt es nicht. Ich bin nun 40 Jahre und meine Mädchen sind groß, ich arbeite und funktioniere, aber ich will meinen Mann nicht aus unserem gemeinsamen Leben verabschieden und doch weiß ich, ich MUSS, ich SOLLTE mich nicht sinnloser Weise aufführen wie ein bockiges Kind, es wird mir nichts nützen! Ich WILL nicht, dass er nur ein Kapitel in unserem Leben war! Er ist meine große Liebe – endlich hatten wir uns gefunden – für kurze Zeit – zu kurz…ich SOLLTE dankbar sein…!

Irgendwie bin ich schon wieder versucht mich zu entschuldigen, für diese Gefühle und dass ich sie auch noch niederschreibe und euch die Ohren voll jammere, habt ihr doch alle euer eigenes schweres Leid zu tragen…. Aber ich entschuldige mich jetzt mal nicht – es steht ja jedem frei von diesen Zeilen und von mir zu halten was er will…


>>>> das war mein Brief bis hier hin, im Word vorgeschrieben, bevor ich die Zuschriften von heute gelesen habe. Also irgenwie komme ich mir nach euren Zeilen doch total falsch vor, irgendwas muss ich verpasst oder nicht begriffen haben, ich habe nicht diese dankbare Einsicht und diesen Frieden mit dem "Schicksal".

Viele Grüße Petra
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