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  #1  
Alt 03.04.2009, 10:22
Schneekugel Schneekugel ist offline
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Registriert seit: 10.07.2007
Beiträge: 86
Standard Papa hat Flügel bekommen...

Mein über alles geliebter Papi hat vor genau 48 Stunden und 10 Minuten Flügel bekommen. Er ist friedlich eingeschlafen und hat uns verlassen...

Während ich dies schreibe, fließen mir die Tränen in Strömen, weil ich sehe WAS ich schreibe und ich weiß, dass es wahr ist. Gott hat meinen Papa zu sich geholt. Das Wetter war schön und ich hoffe, dass die helle Sonne und der klare Himmel es ihm leichter gemacht haben den Weg zu seinen Eltern, Freunden und allen anderen, die wir im Laufe der Jahre verloren haben, zu finden.

Einen Tag vorher noch - also am Dienstag - habe ich wortwörtlich zu Mama gesagt: "Ich wünschte Gott würde ihn tot umfallen lassen, damit ihm all das Elend und Leiden, was ihn erwartet, erspart bleibt." In meinem Herzen habe ich Gott gebeten ihn vor dem großen Leiden zu sich zu holen...unwissend dass dies leine 12 Stunden später sein würde.

Es tut mir leid, wenn ich verwirrt schreibe, aber momentan kann ich all das was um mich herum geschieht nicht fassen. Ich kann es nicht greifen. Es ist unrealistisch und kommt mir fast lächerlich vor. Mein Papa...er MUSS doch im seinem Bett liegen. Er saß die letzten Monate nie mit uns am Tisch. Er lag fast immer im Bett, also muss er doch auch jetzt da liegen. Ich habe aber nachgesehen und er ist nicht da. Ich habe sogar mehrfach nachgesehen, sogar unter der Bettdecke. Ich dachte, weil er ja so dünn ist, könnte ich ihn vielleicht nur nicht sehen. Er hat mich tatsächlich verlassen...Ich konnte ihn nämlich nirgendwo finden.

In der Nacht rief Mama mich an. Ich war bei meinem Freund. Papa ist aus dem Bett gefallen und kam selbst nicht mehr hoch. Sie war verwirrt und panisch, dass sie die Nummer vom Rettungsdienst nicht mehr wusste. Sie rief dort aber dann an und sie nahmen in mit ins Krankenhaus. Alles hörte sich ganz undramatisch an. Um 7:00 rief Mama mich dann an. Ich kann mich nicht bewusst an das Gespräch erinnern. Ich hörte Worte wie: Schlaganfall, Lähmung, Beatmung, Intensivstation, Kabel, wird es nicht schaffen, PATIENTENVERFÜGUNG. Moment! Patientenverfügung??? Ich wusste was das heißt und habe mich angezogen so schnell ich nur konnte. Beinahe habe ich mich in meiner Hysterie übergeben. Ich weiß noch, dass ich geschrien habe: „Mein Papa stirbt, mein Papa stirbt!“
Damals bei meinem Opa war ich zu feige bei ihm zu sein. Im Auto –auf dem Weg zum Krankenhaus- habe ich mich sagen hören, dass ich diesmal ins Zimmer gehe. Nicht wieder diese Vorwürfe, die ich mir bis heute mache.
Dann ging alles ganz schnell. Wir haben die neurologische Intensivstation nicht gefunden. Also rief ich Mama an und fragte: Lebt er noch?“ Und sie sagte: „Ich weiß es nicht. Nicht wirklich! Es gibt noch Reflexe!“ Drei Minuten später waren wir endlich da und es ging Knall auf Fall. Die Ärztin holte mich von der Tür der Intensivstation ab. Ich habe nichts mehr gedacht. Nichts mehr gefühlt. Ich hatte keine Angst, keine Bedenken. Einfach Leere. Ehe ich mich versah, saß ich an seinem Bett und hielt seine Hand. Er war tot. Er atmete nicht. Er war nicht mehr verkabelt. Er lag da. Ganz ruhig. Ich habe so gehofft, dass er sich bewegt, aber er tat es nicht. Die ganzen 2,5 Stunden –in denen ich bei ihm saß- nicht. Und ich habe es nicht rechtzeitig geschafft. Aber ich bin erfüllt vom festen Glauben daran, dass er gesehen hat, dass ich bei ihm war und mich verabschiedet habe. Ich…ICH…hab die Hand meines toten Vaters gehalten. Noch jetzt ist dies unfassbar für mich. Ich hatte solch eine Angst vor dem Tod, dass ich nicht nur glaube, sondern weiß, dass Gott mir beistand. Aus eigener Kraft hätte ich das nicht schaffen können.

Mein großer, tapferer Papa. Er hat mich verlassen. Für immer.

Es fiel mir schwer ihn loszulassen und aus dem Zimmer zu gehen, weil ich wusste, dass das das letzte Mal sein würde, dass ich ihn sehe. Die Ärztin hat uns aber versichert, dass dies das Beste war, was meinem passieren konnte. Das große Leiden WÄRE gekommen. Er wäre ein Pflegefall geworden, ohne die geringste Aussicht auf Heilung. Wir hätten vielleicht noch ½ Jahr gehabt. Ein ½ Jahr mit großem Leid. Gott hat mich erhört und meinem Papa geholfen. Er hat es nicht gemerkt. Jedenfalls nicht aus medizinischer Sicht.
An diesem Tag musste ich zum 1.Mal in meinem Leben eine Urne aussuchen. Wir haben uns für eine dunkelblaue mit Monden, Sonnen und Sternen entschieden. Sie sah irgendwie hoffnungsspendend aus.

Nun nach zwei Tagen, wird mir langsam bewusst, dass kein Mensch so lange träumt. Es muss WIRKLICH passiert sein…
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  #2  
Alt 03.04.2009, 11:26
Ela4811 Ela4811 ist offline
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Registriert seit: 10.12.2007
Ort: Hannover
Beiträge: 2.031
Standard AW: Papa hat Flügel bekommen...

Liebe Schneekugel,

es tut mir sehr leid, dass du deinen Papa verloren hast.

Es mag jetzt dir kein Trost sein, aber deinem Papa ist viel Leiden erspart geblieben. Aber es wird die Zeit kommen, da wird dir diesen Wissen helfen.
Die Zeit des Begreifens wird kommen. Es dauert seine Zeit, um zu kapieren, dass das alles passiert ist und sich alles ändern wird. Nimm dir die Zeit der Trauer und höre auf deine innere Stimme.

Ich wünsche dir und deiner Familie viel Kraft für die kommende Zeit

Ela
__________________
Mam
* 18.06.1949 + 08.01.2008

Wenn wir Dir auch die Ruhe gönnen,
ist voller Trauer unser Herz;
Dich leiden sehen und nicht helfen können,
das war unser größter Schmerz.

Ich werde Dich ewig lieben!!!
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  #3  
Alt 03.04.2009, 11:51
AntoniaC AntoniaC ist offline
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Registriert seit: 13.09.2008
Beiträge: 24
Standard AW: Papa hat Flügel bekommen...

Liebe Schneekugel,
auch von mir ein herzliches Beileid zum Tode deines Vaters.
Wenn ich deine Geschichte lese, kommen meine Erinnerungen unwillkürlich zurück, auf einen Tag vor fünf Wochen. An diesem Tag habe ich meinen über alles geliebten Papa verloren. Auch für ihn war es eine Erlösung, wenn auch sehr plötzlich wie bei euch. Auch wir kamen in letzter Minute im KH an, um uns noch verabschieden zu können. Auch ich saß mehrer Stunden an seinem Totenbett und dachte, gleich wacht er wieder auf. Dann die ganzen Formalitäten und die Urne, die es auszusuchen galt.... Wahnsinn!! Auch heute noch, weiß ich nicht, wie ich diese Zeit überstanden hab. Ich konnte auch meine verstorbenen Großeltern nicht sehen und bei meinem Vater wollte ich es aber unbedingt. Auch wenn ich noch nie solch eine Angst in meinem ganzen Leben hatte...
Nimm dir Zeit für dich, denn die wirst du brauchen. Die Verarbeitung der Trauer und das Begreifen dauert lange. Ich wünsche dir Menschen, die dich auffangen und die mit dir gemeinsam die schönen Erinnerungen an deinen Vater teilen. Viel Kraft für deinen Weg,
Antonia
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  #4  
Alt 03.04.2009, 12:44
Benutzerbild von Juliaaa
Juliaaa Juliaaa ist offline
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Registriert seit: 21.02.2009
Ort: Tirschenreuth
Beiträge: 822
Standard AW: Papa hat Flügel bekommen...

Liebe Schneekugel,

ich kann es nicht fassen, was ich hier lese. Mein herzliches Beileid.

Ich zünde eine Kerze für Deinen Papa an.

Ich hoffe Du überstehst die nächste Zeit, ich sende Dir und Deiner Familie ganz viel Kraft.

Sei gedrückt,
Julia
__________________
Unser Herz will Dich halten
Unsere Liebe Dich umfangen
Unser Verstand muss Dich gehen lassen
Denn Deine Kraft war zu Ende.

Ich werde Dich immer lieben - Papa
24.07.1947 - 23.10.2012

Er ist und bleibt mein Superheld, der beste Papa auf der Welt!
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  #5  
Alt 03.04.2009, 14:01
dani33 dani33 ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 25.11.2007
Ort: Berlin
Beiträge: 2.374
Standard AW: Papa hat Flügel bekommen...

Auch ich möchte Dir mein Beileid aussprechen,
nimm Dich in den Arm und wünsche Dir viel Kraft für die kommende Zeit!
Alles Liebe
Dani
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  #6  
Alt 03.04.2009, 14:45
Benutzerbild von Mosi
Mosi Mosi ist offline
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Registriert seit: 17.10.2005
Ort: Nähe Halle/Leipzig
Beiträge: 19
Standard AW: Papa hat Flügel bekommen...

liebe Schneekugel,

ich weiß wie Du dich fühlst,man kann es nicht beschreiben. trotzem möchte ich Dir meine aufrichtige Anteilnahme aussprechen. Auch ich habe am 24.03.09
mein Vati verloren,an Darmkrebs. ich kann das Wort nicht mehr hören. Er lag die letzte zeit nur im Bett, wurde von Tag zu Tag schwächer und dünner. trotzdem wollten wir es nicht wahr haben, dass es zu ende geht. jeden Tag habe ich gehofft das wird schon wieder. fast 6 Jahre hat er gekämpft und verloren. Wir kamen zu spät in Krankenhaus, er war schon tot. Ich kann es bis heute nicht glauben. Immer denke ich, er kommt irgendwann wieder und wir können mit Ihn reden. Wenn ich Bilder ansehe, glaube ich nicht, das für immer weg ist. Wenn ich an sein Grab stehe, glaube ich, das es nur ein Alptraum ist. Aber der Alptraum geht nicht zu Ende.Es wird jeden Tag schlimmer, da mir immer mehr bewußt wird. es ist Realität. Wenn die Leute reden, es ist besser für ihn gewesen, er musss nicht mehr leiden, ich kann es nicht mehr hören, warum er??? Diese Frage stelle ich mir immer wieder. Denke an vergangene Zeiten. Mein Mann und ich betreiben mit meinen Eltern ein Landwirtschaftsbetrieb. Mein Vati hat bis Anfang januar mit im Büro gewesen.
Jetzt können wir ihn nicht mehr um Rat fragen Manche leute quatschen schon rum, das der betrieb jetzt auseinanderbricht oder fragen mein Mann, ob er jetzt mit zwei Weibern zurechtkommt. Ein andere erzählt im Dorf rum, jetzt knackt ich die Firma. Ich ktätlos die Leute sind.önnte wütend werden wie piotätlos die Leute sind, einfach widerlich

Ich wünsche dir viel Kraft, mir fehlt sie zur Zeit.

Kathrin
__________________
Mein geliebter Vati
geb.31.05.1943 - gest. 24.03.2009
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