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  #1  
Alt 23.02.2017, 13:28
Clea Clea ist offline
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Standard Ma´s Sonne ist untergegangen

Seit Sonntag bin ich nun auch Hinterbliebene.
Meine Ma hat sich ganz still davongemacht.
Wir waren den ganzen Morgen bei ihr, mein Papa, mein Bruder und ich.
Mittags kam noch ihre Freundin aus Schulzeiten, die immer wieder da war.
Am Donnerstag saß sie noch lange auf der Bettkante bei der Physiotherapie.
Danach hat sie noch etwas gefrühstückt, aber sie kam mit dem Brötchen nicht mehr klar, so dass sie schließlich meine Scheibe Weißbrot aß.
Wir hatten das Mittagessen schon seit ein paar Tagen als Passiertes bestellt.
Danach war sie müde und schlief lange. Abends hat sie dann das zurückgestellte Mittagessen komplett gegessen.
Am nächsten Morgen, freitags, hat mein Papa mich abgefangen, als ich kam. Die Oberärztin hatte ihm gerade gesagt, dass es nun nicht mehr lange dauern würde.
Da wäre nachts Blut im Stuhl gewesen, das wäre ein untrügliches Zeichen.
Wir hatten dann vereinbart, dass wir das Antibiotikum absetzen würden und nur noch das Novalgin als Flüssigkeitszufuhr halten würden.
Nachdem wir uns beruhigt hatten, sind wir dann zu ihr gegangen, aber sie schlief. Die Atmung war schon röchelnd, die Atemzüge sehr tief.
Zwischendurch war sie immer mal wach, hat auch leise geantwortet, aber sehr schwach. Die Schwester brachte uns eine kleine Sprühflasche, in die wir alles reintun könnten, was sie gerne hatte, Tee, Saft, Bier, ganz egal.
Also wurde mein Bruder angerufen, Bier zu bringen. Er hatte sich zwei Tage Urlaub genommen und räumte gerade Omas Wohnung leer. Das Bier kam sehr gut an, da hat sie nochmal richtig den Mund aufgemacht, obwohl Essen und Trinken ja nur noch widerwillig ging.
Ab dieser Nacht blieb mein Papa Tag und Nacht bei ihr, ich löste ihn morgens zum Duschen ab und dann kam er wieder.
Am Samstag war sie fast gar nicht ansprechbar. Die Schwestern sagten, sie würden sie weitgehend in Ruhe lassen, nur das nötigste machen. Die Urinausscheidung war von Freitag auf Samstag nur bei 400ml, aber von der Hautfarbe her sah sie noch gut aus, sie war ein rotbrauner Typ, den konnte kaum etwas entstellen...
Am Sonntag hatte sie dann ein Munddreieck und war insgesamt grauer im
Gesicht. Als Papa duschen vor, krabbelte ich ihr die Waden, das hatte sie so gern. Wir hatten ein Massageöl bekommen, so dass sich das Ganze schließlich zu einer Lymphdrainage entwickelte, denn sie hatte dicke Knöchel von der fehlenden Ausscheidung, und hinterher konnte man die Knöchel ihrer ansonsten schmalen Fesseln wieder erkennen.
Die Schwester fragte nach Grundpflege, und wir wuschen sie dann und zogen ihr ein sauberes Oberteil an. Die Windel liessen wir am Samstag schon aus und legten sie stattdessen auf zwei große Unterlagen, die sich im Fall der Fälle schnell hätten entfernen lassen.
Ich wollte sie nicht in einen Herzchenschlafanzug stecken und zog ihr stattdessen ein taubenblaues Oberteill an.
Als ich mittgas ging, ging ihre Freundin mit mir und sie fragte mich dann nach meiner Einschätzung. Ich sagte ihr, momentan sähe sie noch stabil aus aber das wird sich sicherlich innerhalb der nächsten zwei, drei Tage ändern.
Es sollten nur noch zwei Stunden sein...
Mein Bruder war noch etwa eine halbe Stunde länger geblieben.
Um 13.45 kam der Anruf von meinem Bruder, Papa habe angerufen, es geht zu Ende, er führe jetzt hin.
Bei uns im Dorf war Karneval, und so standen mein Sohn und ich gerade gestiefelt und gespornt im Flur, als das Handy schellte.
Mein Mann kam direkt an und übernahm, während ich meinem Sohn erklärte, dass ich zu meiner Mama fahren muss, wenn es ihr schlecht geht und dass ich hoffe, dass er das auch einmal machen würde, wenn es seiner Mama, nämlich mir, nicht gut geht. Da war die Szene, die er mir machen wollte, vergessen, er drückte mich kurz und sagte, ich solle dann jetzt fahren.
Der Weg war sehr zäh, er dauert einfach eine halbe Stunde, egal wie sehr du drängelst.
Als ich die Tür zur Palliativstation öffnete, sah ich schon die Kerzen vor Zimmer 11 brennen. Es konnte kein anderes Zimmer sein. Im Flur hatte ich schon die Jacke aus. Im Zimmer schmiss ich alles nur noch hin.
Sie hatten sie bereits gebettet, es brannten Kerzen auf dem Nachttisch und auch auf dem Beistelltisch und es waren Rosenblätter um sie herum verteilt.
Sie war so friedlich, das angestrengte Röcheln war weg.
Wir blieben dann noch zwei Stunden bei ihr. Die Schwesten sagten, wir könnten so lange bleiben, wie wir wollten an dem Tag.
Dann sind wir zu Papa gefahren. An dem Tag war ich erst spät Zuhause, normalerweise habe ich nur die Vormittage dort verbracht.
Warum?
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  #2  
Alt 23.02.2017, 19:57
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Saerdna Saerdna ist offline
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Standard AW: Ma´s Sonne ist untergegangen

Mein herzliches Beileid, Clea!

Leider kann man als Außenstehender nicht viel machen u. sagen.

Zum Glück gibt es bei Dir Familie, die zusammen halten kann jetzt.
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  #3  
Alt 23.02.2017, 20:04
Nichtaufgeben! Nichtaufgeben! ist offline
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Standard AW: Ma´s Sonne ist untergegangen

Liebe Clea,
es tut mir sehr sehr leid.
Nina
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  #4  
Alt 23.02.2017, 21:38
LiebesHerz LiebesHerz ist offline
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Standard AW: Ma´s Sonne ist untergegangen

Liebe Clea,
es tut mir so leid....

Auch meine Mutter ist gegangen, als ich nicht da war und ich konnte mir das lange nicht verzeihen. Ich glaube aber, dass jeder Mensch den Zeitpunkt zu gehen auch ein bisschen selber bestimmt. Zu meiner Mama hat das still und alleine gehen einfach gepasst, sie wollte immer, dass es uns gut geht und niemanden belasten. Also habe ich es einfach als ihren Weg akzeptiert.

Ich wünsche Dir in den kommenden Wochen und Monaten viel Kraft und viele Menschen, die Dich mit ihrer Liebe tragen und unterstützen.

Alles Liebe Für Dich!

Jana
__________________
Meine Mutter:
Pankreas-Ca ED 7/2014
verstorben am 3.11.15

Immer in meinem Herzen...
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  #5  
Alt 24.02.2017, 19:50
Clea Clea ist offline
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Standard AW: Ma´s Sonne ist untergegangen

Danke für eure Anteilnahme, das tut wirklich gut.
Ich habe auchviel Anteilnahme von Seiten meiner Kollegen erfahren
und auch die Muttis aus demKindergarten waren wirklich nett.
Die Betreuungsfrage stellte sich mir auch nicht bei den anstehenden Terminen.
Die Beerdigung meiner Oma, der Termin jetzt mit dem Pastor, dem Beerdigungsinstitut und der Grabsuche waren direkt Freiwillige da, die meinen Sohn dann mitnahmen und betreuten. Das hilft schon ungemein.
Momentan ist es auch so, dass ich nicht mitspielen mag, ich sitze lieber rum und starre vor mich hin. Auch den Haushalt habe ich noch nicht wieder im Griff. Der hat seit Weihnachten arg gelitten. Und wenn das diese Woche auch so bleibt, ist mir das noch total egal.
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  #6  
Alt 25.02.2017, 00:18
Verlassen Verlassen ist offline
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Standard AW: Ma´s Sonne ist untergegangen

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  #7  
Alt 10.09.2018, 16:30
Positiv_Denken Positiv_Denken ist offline
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Standard AW: Meine Ma...

Liebe Clea. Deine Geschichte ist meiner wirklich sehr ähnlich. Auch bei Euch ging es fassungslos schnell. Man hatte keinerlei Zeit sich mit dem Sterben zu beschäftigen. Gerade noch voller Hoffnung....und schon ist es vorbei.
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  #8  
Alt 21.09.2018, 22:39
Clea Clea ist offline
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Standard AW: Ma´s Sonne ist untergegangen

Ja, es ging so verdammt schnell.
Und auf der anderen Seite gibt es Menschen, denen bleibt gar keine Zeit,
sich mit einer Diagnose abzufinden, da wird der Angehörige einfach aus dem Leben gerissen.
Oder man bekommt eine Diagnose, und dann kommt eine Komplikation, die alles rasant verkürzt.
Trotzdem...
Am Montag hatte meine Ma Geburtstag. 61 wäre sie geworden.
Mein Vater ist zur Kur, also traf ich mich mit meinem Bruder, wir wollten entweder zu "ihrem" Jugoslawen oder zu "ihrem" Italiener.
Wir entschieden uns für den Jugoslawen. Und dann hatte der Ruhetag.
Der Italiener aber hatte geöffnet. So war es wohl die Fügung, oder die Mutti, die uns dort landen liessen.
Und es war richtig lecker und ein sehr schöner Abend.
So spinnefeind wir uns zu Kinderzeiten manchmal waren, so eng ist es jetzt.
Wenn man etwas positives aus dem ganzen Schlamassel ziehen will, dann das,
mein Bruder und ich haben zueinander gefunden. Das war früher nicht so.
Wir verbringen Zeit miteinander, auch wenn uns 50km trennen.
Und das ist schön.
Wir vermissen sie beide unendlich, da reden wir auch sonst mit fast niemandem mehr drüber, aber miteinander können wir das. Und auch das ist schön.
Ich bin froh, dass es ihn gibt. Und ich werde ihn nicht mehr aus den Augen lassen, so fahrlässig man das manchmal macht, wenn ja sonst nebenbei das normale Leben über einen hereinbricht. So wie es bei Mutti war. Viel zu selten haben wir uns gesehen.
In den letzten 7 Wochen war alles viel intensiver. Fast täglich war ich da.
Warum muss man erst mit dem Holzhammer gezeigt bekommen, dass man die Menschen doch liebt und nicht verlassen will?
Da war es doch schon zu spät.
__________________
Meine Ma
17.9.1957-19.2.2017, 59 Jahre, Lungenkrebs mit Hirnmetastasen
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  #9  
Alt 25.09.2018, 12:52
Positiv_Denken Positiv_Denken ist offline
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Standard AW: Ma´s Sonne ist untergegangen

Ach wie schön dass Du Deinem Bruder wieder näher gekommen bist. Deine Mutter freut sich darüber sicher sehr.

Meine Geschwister und ich hatten schon zuvor ein gutes Verhältnis. Trotzdem sind auch wir noch näher aneinandergerückt.
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  #10  
Alt 30.10.2018, 11:58
Clea Clea ist offline
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Standard AW: Ma´s Sonne ist untergegangen

Übermorgen habe ich Geburtstag. Mein zweiter ohne meine Mama. Mein Mann wird 50, so feiern wir diesmal in einem Raum ausserhalb. Für mich könnten die beiden Tage gern schon vorbei sein.
Was nutzt mir die Verwandtschaft, wenn die wichtigste Person fehlt?
Im Alltag habe ich noch die ein oder andere kleine Aufgabe in der Schule meines Sohnes übernommen.
Das bringt mich im Winter manchmal für die ein oder andere Stunde aus dem Haus.
Momentan planen wir eine neue Küche.
Ich bin, wie bei allem anderen auch, nicht richtig bei der Sache. Eigentlich ist das ja ein recht großer Einschnitt, nach 18 Jahren das alte rauszuwerfen und neuem Platz zu machen. Irgendwie will sich bei mir die Vorfreude nicht recht einstellen.
Ich hoffe, das wird bald besser.
__________________
Meine Ma
17.9.1957-19.2.2017, 59 Jahre, Lungenkrebs mit Hirnmetastasen
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  #11  
Alt 27.12.2018, 09:53
Clea Clea ist offline
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Standard AW: Ma´s Sonne ist untergegangen

Weihnachten ist vorbei, heute vor zwei Jahren bin ich mit meiner Ma ins Krankenhaus gefahren. Sie hat es nicht eingesehen, sie dachte, wir wollen ihr was andichten. Ich weiß noch wie heute, wie die Ärztin es nach dem CT aussprach: “da ist ein Tumor im Kopf und er ist riesengroß.“
Diese wahnsinnige Angst.
Von heute an blieben uns noch sieben Wochen und fünf Tage.
__________________
Meine Ma
17.9.1957-19.2.2017, 59 Jahre, Lungenkrebs mit Hirnmetastasen
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