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Alt 03.03.2004, 14:24
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Beiträge: n/a
Standard Schwiegermutter im Endstadium, Gefühle sortieren

Hallo zusammen,

bin eben eher zufällig auf dieses offenbar ganz gut laufende Forum gestoßen und hoffe, dass ihr mir ein wenig beim Sortieren meiner Gefühle und Gedanken helfen könnt.

Schwiegermutter ist Mitte 70, deutlich dement und hatte vor zwei Jahren ein Karzinom im Vaginalbereich, das operiert und dann auch bestrahlt wurde. Seit der Zeit hat sie in Bezug auf Demenz und allgemeinen körperlichen Zustand ständig abgebaut (aß und trank zum Schluss nur noch, wenn man dabei blieb) und vor einigen Wochen wurde ein Rezidiv festgestellt, welches zunächst operiert werden sollte. Dann überschlugen sich die Ereignisse mit drohendem Nierenversagen (unklar ob durch neues Karzinom oder als Folge der Bestrahlung), welches durch Einlagen in den Harnleitern mit mäßigem Erfolg in den Griff zu bekommen war, dann nach KH-Entlassung mit massiven Bauchschmerzen, die zur erneuten Einweisung mit Not-OP, Anus Praeter und der Diagnose inoperabler diffuser Karzinomsituation im gesamten Unterbauch führte. Seit gestern haben wir die Prognose "Wochen bis wenige Monate" und Freitag steht KH-Entlassung nach Hause an.

Meine Frau ist aufgrund frühen Verlustes des Vaters offenbar nie über eine kindliche Mutterliebe hinausgekommen und hat schon in den letzten beiden Jahren alles daran gesetzt "Hauptsache Mutter ist zuhause und lebt möglichst lange", ich müsste hinzufügen "egal wie".

Seit dem ersten Krebsbefund dreht sich alles nur noch um die Mutter, wir haben überhaupt kein Privatleben mehr, Urlaube werden hinter meinem Rücken gestrichen, ... Die so gewonnene Zeit wird in eine unglaublich schlechte Minimalpflege investiert, die zwar sicher von ganz viel Liebe, aber dafür um so weniger Sachverstand getrieben ist und dem tatsächlichen Pflegebedarf in keinster Weise gerecht wird. Ich unterstütze meine Frau zwar wo es geht, aber da wir beide nicht gerade eine 40-Stundenwoche haben (meine Frau hat ein öffentliches Amt mit vielen Abend- und Wochenendterminen, ich bin Freiberufler), reicht es wirklich nur für wenige Minuten am Tag und von regelmäßiger Körperpflege bei Schwiegermutter etc. kann überhaupt keine Rede sein. In letzter Zeit wurde dann eben noch früher aufgestanden, um ihr eine Scheibe Brot und einen Becher Fresubin zu verabreichen, mittags noch als zusätzlicher Stress ein Weg nach Hause eingeschoben um noch mal einen Becher zu verabreichen, Abends nach der letzten Sitzung dito und dann schnell ins Bett, weil es ja am nächsten Tag wieder weitergeht. Alle Versuche, ob mit Hinweis auf fehlendes Privatleben oder mangelhafte Versorgung von Schwiegermutter mal das Thema Pflegedienst, Tagespflege, Heimunterbrechung anzusprechen werden höchst agressiv zurückgewiesen, und erst unmittelbar vor dem Nierenversagen hatte ich selbst dann einen Termin mit einem Arzt vereinbart, dem ich alles berichtet habe, und der dann Schwiegermutter sofort an eine Infusion gehängt hat (dafür kam dann jetzt genau eine Woche lang ein Pflegedienst), meiner Frau den Kopf gewaschen hat, ...
Trotzdem liegt der Antrag auf Pflegeleistung (obwohl von mir bereits vorausgefüllt) immer noch auf dem Schreibtisch, und nachdem es in den letzten Wochen teilweise wirklich auf Messers Schneide stand und wir schon viel getrauert haben, ist meine Frau jetzt (in Kenntnis der Prognose) wieder ganz obenauf und freut sich einfach, dass es ihrer Mutter "wieder besser" geht und sie Freitag nach Hause kommen soll.
Vorgestern gab es mal wieder einen Riesenstreit, weil ich erneut den Komplex Privatleben/Unterversorgung angeschnitten habe und ihr ein wenig die Flausen über den weiteren Lauf der Dinge ausgetrieben habe und ganz deutlich gesagt habe, dass wir in der Endphase Schwiegermutter einfach jetzt nicht mehr halbe bis ganze Tage werden allein lassen können und das ein Pflegedienst, der maximal dreimal am Tag kurz reinschaut auch für einen totkranken Menschen keine ausreichende Versorgung ist und es nicht damit getan ist, Mutters Bett anders hin zu stellen, damit man besser an sie ran kommt. Wie sich die Situation einer stundenlang allein gelassenen Demenzkranken mit Anus Praeter im Endstadium ihres Krebsleidens hier in den nächsten Wochen entwickeln wird, wage ich mir gar nicht auszumalen.

Alle Freunde, Bekannte und fachlich Qualifizierte geben mir doppelt Recht damit, dass meine Frau sich so an ihrer Mutter versündigt und unsere Ehe gleichzeitig auch noch ruiniert, aber sie reagiert auf entsprechende Hinweise Dritter immer nur pberflächlich einsichtig (damit man sie in Ruhe lässt), handelt aber weiterhin vollkommen uneinsichtig. Ich möchte ihr natürlich einerseits so weit es geht helfen, kann aber andererseits auch die Verantwortung für dieses Handeln nicht übernehmen (insbesondere in der Zeit in der ich alleine mit Schwiegermutter im Haus bin, aber eben nicht zur Pflege, sondern weil ich mein Büro in einem weit entfernten Teil des Hauses habe) und merke auch, dass ich nach zwei Jahren "Vernachlässigung" auch langsam vor die Hunde gehe. Und wenn mir dann beim Anschneiden des Themas immer nur eigennützige Motive vorgeworfen werden, hebt das meine Stimmung auch nicht gerade. Bin ich wirklich zu egoistisch, wenn ich sehe, dass eine der Situation angemessene professionelle Pflege für Schwiegermutter auch für unser Privatleben entlastend wäre?

Gruß

Christian
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