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  #1  
Alt 06.05.2002, 21:43
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Standard Hinterbliebene ...

... ist so ein schrecklicher Ausdruck und dennoch so passend. Ich habe meine Mutter verloren und bin jetzt auf der Suche nach Menschen die in einer ähnlichen Lage sind. Menschen, die nicht irgendwelche Floskeln verwenden, eben weil sie unwissend sind - nicht mit Krebs konfrontiert wurden.
Ist vielleicht jemand da, der Leid, Gedanken und alles drumherum mitteilen will? Nicht um Mitleid zu erhaschen, sondern um sich zurecht zu finden - alleine hier...
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  #2  
Alt 07.05.2002, 10:07
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Beiträge: n/a
Standard Hinterbliebene ...

Hallo lieber Gast,
Worte zu finden für jemanden, der in Trauer ist, ist sehr schwer. Denn jeder trauert auf seine ganz persönliche Weise, und es ist ein Prozess, welcher manchmal länger dauert, manchmal weniger lang.
Ich kann Dir nur von mir selbst erzählen, als meine Mutter damals vor fünfzehn Jahren starb. Sie hatte zwei Jahre mit Leukämie gekämpft, hatte alle Hochs und Tief ihrer Chemotherapien durchgemacht. Sie war damals gerade 59 Jahre alt! Trotz Haarverlust und quälender Sorge war sie in dem Krankenhaus, in welchem sie lag, die aufgestellteste, fröhlichste Patientin! Wenn ihr langweilig war, stopfte sie sich ihr Kopfkissen unter ihr Nachthemd und besuchte die anderen Patienten in ihren Zimmern mit der fröhlichen, witzigen Botschaft: "He, seht mal! Ich bin schwanger!"

Sie war aber keine einfache Frau. Als Tochter hatte ich so ziemliche Mühe mit ihr. Sie hatte mich viel geschlagen, als ich ein Kind war. Es war eine Hass-Liebe, die ich für sie empfand.
Trotzdem hat man ja im Leben nur EINE Mutter, hm? Ich konnte damals auch nicht damit umgehen, zu wissen, dass meine Mutter Krebs hat und vielleicht bald sterben wird. Ich hatte es verdrängt. Aber irgendwann setzte ich mich hin und schrieb ihr einen Brief. Ich wusste, wenn ich IHR endlich verzeihen könnte, dann wäre auch meine Wut auf sie vorbei. Also verzieh ich ihr in dem Brief. Ich war schliesslich auch keine bequeme Tochter. - Genau sieben Tage später starb sie. Sie hatte meinen Brief noch gelesen.
Und ich stellte mir die Frage: Hatte sie bloss darauf gewartet, dass ihr jemand verzieh?
Und meine Wut auf sie war hinterher tatsächlich vorbei!

Sie war damals aus der Kirche ausgetreten. Also gab es keinen üblichen Trauergottesdienst. Trotzdem kam jemand, welcher wie ein Pfarrer aussah, um seine letzten Worte an sie und uns Hinterbliebene zu richten. Es klang so trostlos: "Wir kommen aus dem Nichts, wir gehen ins Nichts!" Damit konnte ich nichts anfangen! Nicht in jenem Moment.
Ich weiss noch, dass eine dicke Fliege durch die Stuhlreihen bei der Trauerzeremonie flog. Die Fliege fing wirklich in der vordersten Reihe an und summte dann von einer Stuhlreihe zur anderen bei allen Leuten vor der Nase vorbei. Ich fragte mich verrückterweise: Ist das jetzt meine Mutter? Verwandelt in eine Fliege, um allen noch schnell Lebewohl zu sagen?
Komisch war schon, dass genau die ähnliche Fliege am nächsten Tag bei mir in der Wohnung herum schwirrte und dann spurlos verschwand! Und meine Schwester, welche damals in Holland lebte, hatte wiederum einen Tag später eine solche dicke Fliege bei sich im Haus ...!

Ich war damals völlig verwirrt. Meine Mutter war der erste Todesfall in meinem Leben, der mir Nahe ging. Ich hatte die verrücktesten Ideen, was nach dem Tode alles geschehen könnte. Ich war gezwungen dazu, mich mit dem Tode auseinander zu setzen, und meine Phantasie gaukelte mir tröstende Ideen vor. Ich fragte nach der Lebenssinn-Frage für meine Mutter, für mich, für alle Menschen überhaupt. Ich fragte nahestehende Menschen, was für SIE denn der Sinn ihres Lebens sei. Aber darauf bekam ich keine einzige tröstende Antwort. - Es hat lange gedauert, bis ich den Tod meiner Mutter akzeptieren konnte. Bis ich überhaupt akzeptieren konnte, dass halt jeder irgendwann sterben muss und dass es ein Teil unseres Lebens ist.
Damals war ich erst 26 Jahre alt.

Liebe Grüsse und eine dicke Umarmung
von Brigitte
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  #3  
Alt 08.05.2002, 16:28
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Standard Hinterbliebene ...

danke Brigitte,
natürlich hast du recht indem was du sagst. Du hast ja auch schon ähnliche Erfahrungen gemacht.
Ich bin nur etwas älter als du, als deine Mutter starb. Das Verhältnis zu meiner Mutter war immer perfekt - sie war meine beste Freundin - mein ganzer Halt.
Jetzt ist sie nicht mehr da, sie wollte doch no so lange leben, sie war so stark, so voller Liebe. Es ist immer noch unvorstellbar für mich, weiter ohne sie zu sein. Natürlich habe ich noch eine "Familie". Jedoch leiden sie auch derart, dass sie nicht wirklich helfen können, oder sie leiden soooo sehr, dass sie sich lieber garnicht mehr melden (entschuldigen den Zynismus). Kurzum, ich bin alleine, und ich denke das ist auch gut so. Vielleicht will ich ja auch gar keine Hilfe annehemen. Ich weiss es auch nicht so genau.
Der Kopf ist leer, man selbst agiert nur noch, ohne wirklichen Sinn.
Auch wenn der Tod ein Teil unseres Lebens ist, warum eine Frau, die so wunderbar war wie sie, so jung. Wo gibt es einen Sinn? Ihr Tod hat nichts bezweckt, das ist Fakt.

Liebe Grüsse
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  #4  
Alt 09.05.2002, 11:01
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Beiträge: n/a
Standard Hinterbliebene ...

Hallo Gast,

die Frage nach dem WARUM gerade meine Mutter ist glaube ich nicht zu beantworten. Ob bei Diagnose oder Tod man stellt sie sich gern, eigentlich weiss man doch aber ganz genau das man sich mit dieser Frage nur tiefer in Depressionen oder Ängste verwickelt. Ich glaube kein Mensch hat es verdient ob guter oder schlechter Mensch damit diagnostiziert zu werden, es wird zum Glück auch nicht danach entschieden. Ob die ganze Sache sinn macht habe ich mir auch schon oft überlegt, so pervers wie es klingt aber mir wurde seit dem erst richtig bewusst wie wenig ich dankbar war für die Dinge die doch imer so selbstverständlich sind. Lieben zu können, geliebt zu werden, gesund zu sein ist für uns selbstverständlich, Dankbarkeit dafür oder dadurch erreichte Zufriendheit sind eher selten. Die Frage ist eher warum braucht es solcher tragischen Vorfälle um uns wachzurütteln, uns auf die wesentlichen Dinge im Leben zu konzentrieren. Was heute so schön ist aber von uns ignoriert wird beziehungsweise als lapidar selbstverständlcih angesehen wird kann morgen vorbei sein. Reue ist dann überflüssig, ach hätten wir doch alles anders gemacht..........
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