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Alt 20.02.2008, 14:56
biggi48 biggi48 ist offline
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Beiträge: 19
Standard Meine Mutter lässt meinen schwerkranken Vater nur alleine

Ich möchte heute auch mal wieder einen Beitrag hier verfassen, weil ich mit dem Verhalten meiner Mutter meinem schwerkranken Vater gegenüber nicht mehr klar komme.
Kurz zum Krankheitsbild:
Mein Vater ist vor ca. 2 Jahren an Lungenkrebs erkrankt - eine OP mit Entfernung zweier Lungenlappen, anschl. Chemo und Bestrahlung konnte die Erkrankung zum Stoppen bringen. 14 Monate später nach Eintritt des Ersttumors ein Rezediv am unteren dritten Lungenlappen - eine OP schied aus - stattdessen wurde mein Vater zur weiteren Behandlung an einen Onkologen überwiesen. 2 Hammer-Chemos mit Doraxell hat er hinter sich gebracht - die Nebenwirkungen waren schlimm. Vor Einsatz der Chemos ist er allerdings auch noch an Blasenkrebs erkrankt. Sein Augenlicht ist sehr schlecht, er kann nur noch Umrisse erkennen, weil die ganzen Einweisungen in KH und sein schlechter Zustand bisher keine Zeit für den Augenarzt erübrigten. Vor zwei Wochen stand die dritte Chemo an, die er aber nicht wahrnehmen konnte, da er innerhalb von 14 Tagen zweimal mit dem Notarzt ins KH gebracht werden musste. Der Tumor schnürt inzwischen die Atmung so ein, dass er panikartige Luftnöte bekommt, und Angst hat zu Ersticken - besonders Nachts, weshalb wir dann auch 2 x den Notarzt holten. IM KH konnte ihm stets schnell geholfen werden, allerdings atmet er so schwer, das man meint, ein rasselnder Motor wäre eingestellt.

Nun zu meiner Mutter, 74!, bisher noch mitten im Berufsleben 5 Tage die Woche, nun seit 1.2. nur noch 2 Tage voll die Woche. Es war für mich schon die ganze Zeit eine große Belastung mit anzusehen, wie sie jeden Tag arbeiten ging, erst spät zurück kam, und mein armer Papa - er wird übrigens 75- dann auch erst gegen 17 Uhr sein "Mittagessen" (Mitbringsel vom Metzger, Frikadellen etc..) zu essen bekam. Statt ihn freudig zu begrüßen, wird er sogar beschimpft, weil er Tabletten vergessen hatte, nicht genug getrunken hatte, da gekleckert und da irgendwas gemacht hatte. Was meine Mutter ärztlich wissen wollen, holt sie sich grundsätzlich zunächst analog einer Obersekretärin per Telefon ein, bzw. verlangte Termine nach ihrem "Feierabend". Egal was man ihr sagte, wir hatten Situationen, da war Papa so verwirrt von der Chemo, dass er auf den Flur lief, um sein Bett zu suchen, sie ging und ging jeden Tag in ihr Heißgeliebtes Büro. Die Zeit, die übrig blieb, widmete sie mal gut, mal schlecht gelaunt meinem Vater, holte sich den ein oder anderen Rat bei ihren Töchtern. Die Situation eskalierte im Januar, als meine Schwester meiner Mutter endlich mal sagte, wie herzlos sie sich ihrem Mann gegenüber benimmt. Seitdem gibt es die neue Version, ich muss arbeiten, um die Krankenrechnungen eures Vaters zu bezahlen. Meine Eltern erhalten übrigens neben dem dritten Verdienst zwei Renten, und wohnen in einer kostengünstigen Gegend. Sie haben immer auf großem Fuß gelebt und sogar im letzten Jahr zwei sehr teure Reisen gemacht, die meinem Vater von der Luft her, nicht gut getan haben.

Mein Vater ist allerdings Privatpatient und hat in verschiedenen Bereichen Selbstbehalte zu zahlen, und an Arztrechnungen ist schon eine Menge mit der Zeit angelaufen. Also betont sie ihr "Muss zum Arbeiten" nun auch vor meinem Vater..nach dem Motto, muss für Deine Rechnungen arbeiten gehen - der Arme kann ja nur noch abnicken.

Mein Vater liegt nun akut wieder im Krankenhaus, hat dort aber eine weitere Chemo mit einem Zusatzpräperat zum Doraxell bekommen. Der Tumor muss angegriffen werden, sonst hat er keine Chance mehr.
Die Ärzte sagen noch schlimmere Nebenwirkungen voraus, wollten ihn aber eigentlich heute entlassen, weil sie nichts mehr tun können. Meine Mutter hat dann gestern Mittag in einem Gespräch alles umgeworfen, nun "darf" Papa bis Freitag bleiben. Mama muss nämlich morgen arbeiten.
Aber was ist nächste Woche Montag und Di, sie wieder meinen Vater alleine lässt, wo sie weiß, was auf ihn zukommen kann, wo sie weiß, dass seine Prognosen sehr schlecht sind, wo sie weiß, dass er wieder Atemnot bekommen kann. Wie kann sie arbeiten mit dem Gefühl, ihr Mann hat kein richtiges Mittagessen, ihr Mann sitzt 10 Stunden ganz alleine zuhause, ohne Ansprache, nimmt vielleicht seine lebenswichtigen Pillen wieder nicht, weil er es einfach vergisst. Ich komme mit dieser erbärmlichen Situation nicht klar - leider sind wir, meine Schwester und ich auch beide vollbeschäftigt und können unter der Woche nur in der Ausnahme einspringen. Viele vermuten jetzt, meine Mutter sucht in der Arbeit Verdrängung, aber sie hat immer gearbeitet, und meinen Vater früher, wenn es sein musste auch bis 20.30 alleine gelassen, um auf ihrem geliebten Stuhl zu sitzen.

Ich habe das Thema Pflegedienst angesprochen, aber davon will sie nichts wissen. "Ich betreue den Papa, und kein anderer!" Aber ihre Art grenzt für mich schon leider an unterlassener Hilfe eines Schwerkranken. Ich weiß nicht mehr, wie ich mit ihr umgehen soll - ich verachte ihr Verhalten, aber das hilft ja Papa nicht. Ich denke es, lass es mir nicht vor ihm anmerken, denn er braucht selbst Kraft und keinen Streit.

Hoffentlich schafft es mein Papa trotzdem.
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