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  #1  
Alt 23.10.2012, 10:16
sabbimaus sabbimaus ist offline
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Unglücklich Woher Hilfe? An wen wenden?

Hallo zusammen,

vor ca. 2,5 Jahren ist meine Mutter an Leberkrebs gestorben. Es ging alles so schnell :-(
Sie und mein Vater waren 45 Jahre verheiratet und unzertrennlich.
Seit dem ihrem Tod geht es mit meinem Vater nur noch bergab.
Er verwahrlost, isst kaum noch etwas, im Haus sieht es bald so aus wie bei Messis, er pflegt sich nicht und liegt den ganzen Tag im Bett!
Der Hund kommt auch kaum noch raus :-(
Wir versuchen mit ihm zu reden aber er blockt alles ab. Er sagt wir sollen ihn in Ruhe lassen. Seinen Rentenantrag möchte er auch nicht stellen, weil er auf nichts Bock hat!
Aber das kann doch nicht sein? Man kann doch nicht einfach drüber hinweg sehen? Er lässt sich nicht helfen ...

Hat jemand ähnliches erlebt oder ist in einer solchen Situation und kann mir sagen an wen ich mich da am besten wenden kann? Wenn er einen Arzt sieht dann blockt er erst richtig ab...

Danke und LG
Sabbi
__________________
"Genieße das Leben!!!" (by Mum *24.08.1951 +03.02.2010)
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  #2  
Alt 23.10.2012, 11:20
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Woher Hilfe? An wen wenden?

Liebe Sabbi,

oje, das ist eine ganz schwierige Situation, in der du dich da befindest... Du hast deine Mutter verloren und nun musst du hilflos zusehen, wie dein Vater jeden Weg zurück ins Leben blockiert. Das muss sehr schlimm für dich sein...

Mit der Hilfe ist es schwierig, denn ich denke, dein Vater muss diese Hilfe zumindest zulassen können und wenn er nicht einmal eure Hilfe annehmen mag, dann wird es noch komplizierter sein, von außen Hilfe anzunehmen. Zumal man in der Regel ja selbst hinausgehen muss in die Außenwelt (z.B. zu einer Trauergruppe, zum arzt etc.).

Deine Sorge kann ich allerdings mehr als nachvollziehen, da du schreibst, dass der Tod deiner Mama 2,5 Jahre zurückliegt. Nun wid es dann doch Zeit für deinen Vater, sich ganz langsam wieder einen Weg zurück ins Leben zu bahnen. Natürlich sind für einen Trauernden auch 2,5 Jahre keine Zeit, doch es klingt, als bestünde die Gefahr, dass er sich komplett aufgibt... Kannst du mit deinem Vater offen sprechen, hört er dir dann zu? Redet er mit dir oder jemand anderem über seine Trauer, hat er die Möglichkeit, über seine Frau zu erzählen? Wenn du da einen Weg zu ihm finden kannst, besteht ja vielleicht auch die Hoffnung, dass er an den Gedanken gewöhnen kann, wieder am Leben teil zu haben. Es ist ein Leben ohne seine geliebte Frau, aber deine Mama hätte sicherlich nicht gewollt, dass er sich für immer abkapselt und niemanden mehr an sich heran lässt.

Ich wünsche dir viel Kraft und zuversicht!
Alle Liebe
Miriam
__________________
Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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  #3  
Alt 23.10.2012, 11:20
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Monika Rasch Monika Rasch ist offline
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Standard AW: Woher Hilfe? An wen wenden?

Zitat:
Er verwahrlost, isst kaum noch etwas, im Haus sieht es bald so aus wie bei Messis, er pflegt sich nicht und liegt den ganzen Tag im Bett!
Der Hund kommt auch kaum noch raus :-(
Wir versuchen mit ihm zu reden aber er blockt alles ab. Er sagt wir sollen ihn in Ruhe lassen. Seinen Rentenantrag möchte er auch nicht stellen, weil er auf nichts Bock hat!
Aber das kann doch nicht sein? Man kann doch nicht einfach drüber hinweg sehen? Er lässt sich nicht helfen ...
Für mich hört sich das nach einer echten Depression an, nicht nur nach großer Traurigkeit.
Wenn es mein Vater wäre................
ich würde mich auf jeden Fall mit dem Hausarzt in Verbindung setzen, ein Gespräch und einen Hausbesuch wünschen.
AUCH WENN ER DAS NICHT WILL.
Selbstbestimmung hin oder her- manchmal braucht man einen Schubs in eine andere Richtung.
Und wenn er sich nicht helfen lassen will (mein Vater wäre genauso! )- den Krach würde ich riskieren.

Meiner Meinung nach muss Dein Vater mal einige Zeit von zu Hause weg, und er braucht Hilfe im täglichen Leben.

Notfalls muss man das auch über seinen Kopf weg organisieren.

Und Rente beantragen muss er natürlich, ruf mal einen Rentenberater an
und frag was man da machen soll.


Gute Nerven wünsch ich Dir.
__________________
Mein Ehemann Georg+36jährig+1988(NHL)
Mein Liebster Joachim+42jährig+1997 (kleinzell. Bronchial Ca.)
Ich : 2002 DCIS re.Mamma, operiert, bestrahlt, AHT
Meine Schwester Heike +2011(Bronchialca)
Unsere Mama +2013(operiertes Glioblastom, Nierenversagen bei Temodal Therapie)
Meine Schwester Sandra(45),TN mamma Ca.metastasiert, +21.11.2015
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  #4  
Alt 23.10.2012, 16:43
thomasrtl thomasrtl ist offline
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Standard AW: Woher Hilfe? An wen wenden?

Hallo Sabbi

ich habe leider leider meinen guten Vater selber vor 3 Wochen verloren, und ich vermisse ihn sehr, genau wie meine Mutter sicher auch.

Vielleicht muss man sich selber, oder in deinem Falle Dein Vater, fragen was unsere Lieben denn von und wollen.

Das ist vielleicht einfacher gesagt als getan, das weiss ich selber, ich mein Vater will doch nicht dass ich mir das Leben schwer mache und versaue.

Euch alles Liebe und Gottes Segen!

Thomas
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  #5  
Alt 25.10.2012, 16:23
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Cellkeeper Cellkeeper ist offline
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Standard AW: Woher Hilfe? An wen wenden?

Ich habe zZ ein Ähnliches Problem mit meinem Papa, er lässt sich auch perdu nicht helfen von Außen und es ist sehr schwierig an ihn heranzukommen. Ich hab einige kleine Zwischenlösungen:

1. Ihn beschäftigen: Ich gebe ihm Aufgaben zB Boden verlegen, Tür machen, Klamotten von Mama aussortieren, etc das hält ihn auf Trap und lässt ihn die Trauer in den Hintergrund rücken.
2. So gut es geht mit ihm reden bis er sich öffnet - also nicht locker lassen und ihm zB auch sagen: "Mama hätte bestimmt nicht gewollt, dass du dich so hängen lässt"
3. ihm zeigen, dass man auch so traurig ist und das Leben aber weitergehen muss und er nicht allein ist und er auch mit Tochter/ und oder Sohn etc was unternehmen kann.

Wenn du seine Freunde kennst könntest du auch diese bitten dass sie ein wenig auf ihn einreden oder etwas planen um ihn aus der Reserve zu locken, dass hab ich zB mit Gartennachbarn versucht. Diese haben ihn dann zB auch Aufgaben gegeben wie zB beim Umzug eines Freunde zu helfen oder mit ihm gemeinsam in eine Therme zu fahren
__________________
Zweifle nie ohne Hoffnung, hoffe nie ohne Zweifel

Mama (BK, Lungen- und Bauchfellmetastasen)
12.12.1955 - 06.07.2012 - Love u 4-ever
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  #6  
Alt 25.10.2012, 18:39
lyra lyra ist offline
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Standard AW: Woher Hilfe? An wen wenden?

Hallo Sabbi,
ich habe das Gefühl, Dein Vater will einfach nicht mehr ohne Deine Mutter.
Ich weiß nicht, wie eng deren Beziehung war- aber sicher sehr eng- Du schreibst "unzertrennlich".
Seelenverwandte? Wie die Papageien, die man nur als Pärchen halten kann? Ja, kann ich mir vorstellen.
Wer will ihm nun vorschreiben, wie er sich zu fühlen bzw. zu verhalten hat?
Wer sagt eigentlich, dass man gern leben muss und einfach "weiter im Text" machen sollte, besonders nach solch einem Schicksalsschlag?

Wenn mir jemand käme, der mir erzählte: "Das Leben muss weiter gehen"
und mir mit Beschäftigungstherapie und Erpressung a la: der/ die Verstorbene hätte es auch nicht so gewollt...
auf die Pelle rücken würde-
ich würde ihn achtkantig raus werfen.

Trauer verläuft ganz unterschiedlich, für viele wird es nach 2,5 Jahren erträglicher, es gibt aber auch Menschen, für die es immer unerträglicher wird.
Daher gibt es kein Patentrezept.

Ich würde Dir, Sabbi, nur raten, für Deinen Vater da zu sein, Dich ganz regelmäßig blicken zu lassen, auch mal mit dem Hausarzt zu reden oder jemandem vom Hospizverein/ Abt. Trauerbegleitung, die haben Erfahrung-
aber bitte bevormunde ihn keinesfalls-
und ohne der lieben und hilfreichen Community zu nahe treten zu wollen-
ich empfinde alle gut gemeinten Ratschläge hier als Bevormundung.
Liebe Grüße
Lyra

Geändert von lyra (25.10.2012 um 18:43 Uhr)
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  #7  
Alt 25.10.2012, 19:19
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Petra_S Petra_S ist offline
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Standard AW: Woher Hilfe? An wen wenden?

Guten Abend,

DANKE Lyra, DANKE - für deinen Mut das mal so auszusprechen. Mir geht es ähnlich, ich frage mich oft warum die Welt so erpicht darauf ist, dass man immer "weiter machen muss"....?! Natürlich dreht sich die Welt weiter, aber vielleicht geht sie für einen einzelnen Menschen unter... seine/ ihre Welt...
"Man darf das doch nicht an einer Person festmachen - das Leben kann trotzdem schööön sein!!!" - Ja "KANN", aber "MUSS" sie das??? Keiner kann in einen anderen Menschen hineinsehen, keiner sollte bestimmen wollen oder manipulieren, dass der andere sich verpflichtet fühlt weiter leben zu "müssen".

Wie Lyra sagt, DA SEIN - vielleicht helfen dass die finanziellen "Überlebensmöglichkeiten" da sind. Warum wird man nicht gefragt - auch die "verbotenen Fragen", wie "Hast du gar keine Kraft und Lust mehr ohne Mama zu leben?", "Du möchtest sicher lieber bei ihr sein, da wo sie jetzt ist...?!" ? Immer soll alles "wieder gut werden"... Warum sind die Menschen drum herum so wild darauf? Was würde passieren, wenn man die Möglichkeit in Betracht zieht, dass es nicht "wieder gut" werden könnte?

Ich weiß, dass mein Lebensgefährte nicht ohne mich hätte weiter leben wollen. Er hätte sich nicht selbst das Leben genommen, sich aber völlig von der Welt zurückgezogen, zu müde vom ewigen Kampf... zu viele schon verloren, zu viel Leid erlebt und immer wieder aufgestanden.... Wir haben oft darüber gesprochen. WER weiß schon wann eines anderen Menschen Lebenswillen erschöpft ist? Sicher, wenn man den Menschen wirklich braucht, es ihn in Liebe wissen lässt... aber "Beschäftigungstherapie" ist für mich schon etwas beleidigendes.... Ich weiß - alle meinen es "nur gut" - aber WAS ist "GUT" und für wen und woher wissen das andere? Was wenn das Leben nur noch eine Quälerei ist? Kann nicht sein, weil die Blumen so schön blühen??? Weil es anders nicht sein darf???

Nachdenkliche Grüße
Petra
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  #8  
Alt 25.10.2012, 23:34
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HeikesFreundin HeikesFreundin ist offline
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Standard AW: Woher Hilfe? An wen wenden?

Ja, Petra - Du hast in all dem recht ...

Aber was soll man machen?
Einfach zusehen?
Man kann aus dieser tiefen Depression auch wieder rauskommen ...
aber oftmals muss man erstmal wieder in einen "Zustand" kommen, wo man
empfänglich dafür ist, dass das eigene Leben nicht zuende sein muss.
Und DAS sollte man wenigstens versuchen - auch als Angehörige.

Wir haben das grad auch ähnlich durch:
am 24.5.2010 starb Heike,
am 4.8.2011 erhängte sich Uwe, weil er mit
ihrem Tod usw nicht zurecht kam.

Sicher hat jeder Mensch ein Recht auf Selbsttötung,
sein Selbstbestimmungsrecht - denn die Würde des Menschen ist
unantastbar oder sollte es zumindest sein.

Man KANN als Kind und auch als Freund nicht einfach zusehen, wie jemand
sich selbst "aufgibt" - wie soll man auch selbst dann weitermachen, wenn
man in einem solchen Fall nichts tut?

Macht man sich nicht auch mitschuldig, wenn man sieht, dass der Mensch
nicht mehr kann ... und irgendwann den Weg geht, den er vielleicht nicht gehen
würde, wenn er Hilfe hätte, die auch greift?

Offen reden ist oft gut, aber auch nicht immer.

Man darf aber sicher sagen: Ich habe Angst dass ich dich auch noch verliere.
Zitat:
"Hast du gar keine Kraft und Lust mehr ohne Mama zu leben?",
unterschreibe ich sofort, aber:
Zitat:
Du möchtest sicher lieber bei ihr sein, da wo sie jetzt ist...?!"
halte ich persönlich bei jedem für zu gefährlich ... ich würde nicht noch jemanden
auf den Gedanken bringen, dass es vielleicht schön sein könnte ...

Es gibt auch eine Phase im Leben, da ist nur ATMEN eine größte Anstrengung -
den Tag "überleben" - ganz passiv.

Eine tiefe Depression mit Suizidalität im 2007 hat mich das spüren lassen.
Ich wäre ohne Hilfe da nie mehr rausgekommen ... der sozialpsychiatrische Dienst, den es
in jeder Stadt gibt hat nach Anruf einer Freundin
von mir alles geregelt (nicht FÜR mich, aber MIT mir!)

HEUTE bin ich froh, noch da zu sein und lebe wieder gerne,
was ich mir damals überhaupt nicht vorstellen konnte.

Ich war einfach nur des Lebens müde, völlig emotionslos und leer ...
wie ein Nichts und gar nicht da.

Selbst der Gedanke dass meine Kinder mich noch brauchen bedeutete mir
damals so gar nichts - es war mir alles gleichgültig.

Was ich sagen will:
ich denke, der Mann braucht dringendst Hilfe!

Und wenn er dann irgendwann immer noch entscheidet nicht mehr zu wollen,
dann wird er eh seinen Weg gehen, so wie er ihn für sich entscheidet.

Und JETZT ist er nach meinem Eindruck nicht mehr in einem Zustand realistisch
zu entscheiden, was dran ist oder nicht oder richtig oder falsch ...

Mit lieben und auch nachdenklichen Grüßen,
Angie
(nach langer Zeit Antidepressiva und 3 monatigem Reha-Aufenthalt wieder topfit)
__________________
... meine Freundin Heike ist am 24. Mai 2010 mit 48 J ganz friedlich für immer eingeschlafen ...

... meine liebe Freundin Lilli44 - auch Du hast für immer Deinen Platz in meinem Herzen ...


... I`ll see you when the sun sets!!!

Geändert von HeikesFreundin (25.10.2012 um 23:36 Uhr)
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  #9  
Alt 26.10.2012, 09:31
Benutzerbild von Petra_S
Petra_S Petra_S ist offline
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Standard AW: Woher Hilfe? An wen wenden?

Liebe Angie und alle anderen,

erst einmal viiiiielen Dank, dass du so ruhig geblieben bist und nicht auf mich losgegangen bist! Mir war bewusst, dass ich ein heisses Eisen anfasse. Allerdings ist jetzt ist genau das passiert, was passiert, wenn man in der „man“ Form versucht zu schreiben… es verallgemeinert sich. Dadurch, dass ich nicht direkt den Vater ins „Visier“ nehmen wollte, habe ich eine allgemeine Aussage getroffen, die eben doch ggf. nicht in der Konsequenz bei jungen Leuten so ohne weiteres anwendbar ist. Gerade wenn hilfsbedürftige andere Menschen zu Schaden kommen, dann ist das sicher mit Vorsicht zu behandeln. Kinder, die abhängig sind von ihren Eltern, die dann auch seelischen Schaden nehmen…

Trotzdem sehe ich das Problem etwas anders. Ich habe mit der „professionellen Hilfe“ nur bedingt gute Erfahrungen machen können. Erst einmal ist es fast immer (wohl gemerkt das sind nur MEINE Erfahrungswerte!) so, dass man kaum das Problem unter Tränen beschrieben hat, wird sofort das Rezept ausgeschrieben. Ich habe das Gefühl…“nur schnell WAS MACHEN, dass sie aufhört zu heulen…“ – selbst in der ambulanten Psychotherapie wird oft drauf hingewiesen, dass man dies ohne Antidepressiva „NICHT SCHAFFEN KANN!“ – oh Gott was für eine Bankroterklärung der Gesellschaft…. Meine Mutter als Vierjährige, auf der Flucht an der Hand ihrer Mutter, im Handwagen die sterbende Oma, wurde an Leichen vorbei geführt … Den Geruch - dement wie sie ist - hat sie heute noch in der Nase…, nichts hat man sich von ihr erzählen lassen – nichts hat man ihr erklärt - damals nicht und heute auch nicht. Psychopharmaka und die Alpträume über Monate wurden ins unerträgliche gesteigert… Dosis erhöht, Pille gewechselt…was soll man sonst machen? „Dann geben sie sie doch ins Heim!“ das war der letzte Tipp der Psychologin, bevor ich wütend die Tür zu schmiss… Bei mir lief es nicht sooo viel anders, über das Erlebte wurde kaum gesprochen, es hieß „Immer nur nach vorn sehen, mit "positiven Dingen" ablenken(zudecken?), mit Pillen dämpfen, das Leben ist trotzdem lebenswert – das wird schon wieder!“ Auf Biegen und Brechen – das Leben IST schön! (Hat schön zu sein verdammt!) Mit den Pillen habe ich wieder funktioniert, mich teilweise nicht mehr gefühlt, es hat den Start in den Alltag wieder möglich gemacht, aber ich war ein braver Soldat. Ich bin Morgens aufgestanden „Startknopf“ an und los…machen was die Gesellschaft erwartet. „Oh, DUUU siehst aber guuuut aus! Schön, dass es dir wieder besser geht!“ (Neiiiin, es geht mir nicht besser – ich tu nur so, zeige euch das Bild was euch beruhigt, funktioniere wieder!) Nicht viele wollten/ wollen wissen wie es wirklich aussieht. „Das können sie niiie ohne Pillen schaffen!“ – doch ich kann… ich habe noch in der Klinik aufgehört sie zu nehmen. Ich stehe nicht mehr neben mir und wundere mich wer da warum lacht…, ich funktioniere nur noch bedingt wie man es gern hätte… ich bemühe mich mit allen psychologischen Tricks das Leben schön zu finden. Jooo, es geht, es gibt ganz schöne Momente, aber im Verhältnis zu dem täglichen Kampf… und dem Vermissen meines geliebten Weggefährten und UNSERER Zukunft....
…und wenn ich dann lese „ich gebe ihm Aufgaben, die die Trauer in den Hintergrund treten lassen“ … „Mamas Klamotten aussortieren“ … tut mir leid, da könnte ich den Schreikrampf kriegen… Beschäftigungen, die die Trauer in den Hintergrund treten lassen… wie lange muss man darüber nachdenken um diese Beschäftigung als gute Therapie zu empfinden?
Zitat:
Klamotten von Mama aussortieren, etc das hält ihn auf Trap und lässt ihn die Trauer in den Hintergrund rücken.
Wenn das schon „gut“ für den Trauernden sein soll, wie gut kann dann eine aufgezwungene Therapie, usw. sein? Ja, es gibt Leute, die bringen sich um… und sicher muss man sich in gewisser Weise kümmern. Doch da kommen wir zur nächsten “heissen Sache“. WAS IST KÜMMERN? Und die Frage ist, kümmert man sich wirklich weil man glaubt, dass das Leben noch lebenswert sein kann? Oder geht es darum, dass man selbst es nicht ertragen würde hilflos zusehen zu müssen und damit weiterleben zu müssen? Aber beruhigt es schon das Gewissen, wenn man “Fachleute“ ruft? Geht es um das eigene Gewissen? Glaubst du wirklich der Mann, der nur noch „dahinvegetiert“, sich gehen lässt, ist tatsächlich noch nicht auf die Idee gekommen, wo er lieber wäre??? Du meinst wirklich, die Frage dürfte man lieber nicht stellen um ihn nicht auf „dumme Ideen“ zu bringen? (werden unsere Kinder nicht süchtig nach irgendwas, schwanger… wenn wir nicht mit ihnen drüber sprechen?) Oder ist das Gespräch für den Frager unangenehm? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass über Selbstmord reden oder nur erst mal über den legitimen Wunsch nicht mehr leben zu müssen, dem Problem schon mal den Druck nimmt. Es NICHT aussprechen zu dürfen, aus Angst, dass man dem Angehörigen damit Probleme bereitet und dass man gleich „in die Psychatrie gesteckt und mit Tabletten unfähig zum denken und fühlen“ gemacht wird, diese Angst und die Einsamkeit in diesem Schweigen verstärkt den Druck viel mehr, als das Reden darüber. Jedoch ist es für den Gesprächspartner viel „gefährlicher“, denn er übernimmt Verantwortung, weil er „es ja gewusst hat“ – WENN dann doch was passiert! Wenn wir uns einreden den Menschen nicht durch solche Gespräche „auf die Idee“ gebracht zu haben, dann haben wir auch keine Schuld. Ich bin der Meinung diese Gespräche während eines Spazierganges, sind wesentlich erleichternder für beide Seiten. Nur Spaziergänge mit den erwachsenen Kindern, Besuche oder Rasen mähen beim Nachbarn sind nette Begebenheiten, aber ein „Papagei „ der allein ist, der das Liebste und Wichtigste – das was sein Leben ausgemacht hat, die BEZIEHUNG verloren hat – das ist ein mühsamer Versuch… Es geht nicht um Beschäftigung, es geht um BEZIEHUNG, die alle Lebensbereiche infiltriert, die DAS LEBEN in der Form überhaupt ausmacht. Da sind Haushalt, Pflichten und was man sonst so treibt am Tag doch nur Nebensache. So traurig das für die Angehörigen ist, was sind 60 „schön gemachte“ Minuten am Tag gegen die lange Zeit der Unsinnigkeit. Kennt ihr die Geschichte von dem Bauern und den Glücksbohnen? (wer sich so lange mit dem Thema wirklich beschäftigen möchte kann es googeln) Das versuche ich zur Zeit, sicher - es klappt um über den Tag, die Woche, vielleicht mein restliches Leben zu kommen. Und doch, was glaubt ihr wie viele Bohnen ein Trauernder tauschen müsste/ wollte wenn er dafür sein Leben wieder bekommen würde…??? Es gibt wahrscheinlich nicht DIE Lösung, AUCH MEINE GEDANKENGÄNGE ERHEBEN NICHT DEN ANSPRUCH AUF DIE ABSOLUTE WAHRHEIT; DENNOCH halte es für falsch, die Verantwortung immer auf „Fachleute“ und „Pillen“ zu verschieben… EHRLICHKEIT - auch unangenehme Dingen aussprechen, sich überwinden und sich auch anhören was einem selbst Angst macht, es stehen lassen können ohne in hektische Aktivität zu verfallen = BEZIEHUNG und Zeit füreinander, das ist für mich das was am ehesten heilt… doch eine GARANTIE ist das auch nicht! Aber was glaubst du wie viele den Text bis hier her gelesen haben? So wichtig war das Thema dann vielleicht doch nicht…
[QUOTE]Ich denke der Mann braucht dringenst Hilfe[/QUOTE …ja, das glaube ich auch.

...auch mal hilflose Grüße
Petra
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  #10  
Alt 26.10.2012, 09:40
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Petra_S Petra_S ist offline
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Standard AW: Woher Hilfe? An wen wenden?

Liebe Angie,

diesen kleinen Satz von dir, den hab ich fast überlesen, dennoch denke ich er könnte die Antwort sein:

Zitat:
von mir alles geregelt (nicht FÜR mich, aber MIT mir!)
Kann es für den Betroffenen noch ein "MIT" geben?
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  #11  
Alt 26.10.2012, 16:38
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HeikesFreundin HeikesFreundin ist offline
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Standard AW: Woher Hilfe? An wen wenden?

Hallo Petra,


bin in Eile, daher nur kurz:

Du hast grundsätzlich in allem recht, was Du schreibst - absolut.

Auch die Ängste offen ansprechen kann sinnvoll sein -> Betonung liegt auf "kann".
Aber weder Du noch ich kennen diesen Menschen, über den wir hier lesen, schreiben und uns Gedanken machen.
Daher denke ich, das die es abwägen müssen, die den Mann wirklich kennen.

Es gibt so viele "teure Parkuhren" unter den professionellen Psychologen
(habe ich auch kennengelernt), aber auch viele Hobbypsychologen unter den Unausgebildeten -
beides ist gefährlich und fahrlässig.

so offene Gespräche zu führen liegt leider nicht jedem und nicht jeder hat jemanden ...
Ich kann offen ÜBER ALLES sprechen, Du scheinbar auch, aber es gibt eben leider nicht so viele die das können.
Dennoch muss man nun ja irgendwo einen Ansatz finden - Du würdest doch sicher auch nicht
tatenlos zusehen, wie Dein Vater - sich selbst aufgebend -
auf sein Lebensende wartet, hm?

Ich habe auch schon schlechte Erfahrungen mit Psychologie gemacht,
aber danach - als ich fast nicht mehr am Leben war - dann doch GUTE und genau das hat die Wende gebracht.

Und nein: meine Gefühle waren durch die Medikation nicht abgeschaltet, ich kam dadurch erst
wieder in einen Zustand in dem ich erkennen konnte, wie es mir überhaupt geht - und DASS es mir überhaupt "irgendwie" geht.

P.S. ... geht auch alles OHNE "Psychiatrische Klinik" - da war ich noch nie drin.

Zitat:
Kann es für den Betroffenen noch ein "MIT" geben?
Ich glaube schon, aber nicht, wenn er da so liegen bleibt (liegengelassen wird), wie er da eben in
der obigen Beschreibung liegt ... und verstorben ist.
Und vor allem nicht, wenn man es nicht wenigstens VERSUCHT!

Jeder Mensch ist ein Individuum und da kann es keine Allgemeingültigkeit geben.

Aber vielleicht Anlauf-Tipps für den Fragensteller, der dann eh allein entscheiden muss, was er für den
Vater für richtig hält, was er tut oder unterläßt.



Liebe Grüße,
Angie
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... meine Freundin Heike ist am 24. Mai 2010 mit 48 J ganz friedlich für immer eingeschlafen ...

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  #12  
Alt 26.10.2012, 19:15
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Petra_S Petra_S ist offline
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Standard AW: Woher Hilfe? An wen wenden?

Hallo zusammen, nur einmal noch

Ich möchte doch nicht meine Meinung als "muss" hier stehen haben, ich habe sie nur geäußert und gegenteilige Gedanken formuliert. Und sabbimaus irgendwelche Fahrtrouten vorgeben will ich schon gar nicht. Im Grunde habe ich sogar eher den Ratgebern nach dem sabbimaus Text geantwortet.

Vorab, ich habe meinem Vater geholfen so weit er mich gelassen hat, ab einem bestimmten Punkt hat er auch geblockt, dann musste ich nur noch zusehen, habe ihn begleitet, akzeptiert was er wie wollte und was nicht, ab und an noch mal einen Vorschlag gemacht, ihm meine Ängste und Gefühle gesagt und seine Meinung akzeptiere müssen. Er ist nicht an seiner Trauer verstorben, sondern hat sich seiner Krankheit ergeben, die gute Chancen zur Heilung hatte...als ich 24 Jahre alt war und drei kleine Kinder hatte. Wir hatten ein gutes Verhältnis, er fehlt mir auch heute noch und ich hätte es mir anders gewünscht, aber es war nicht meine Entscheidung und ich kann damit leben.

Sabbiamaus hat natürlich die schwere Wahl für sich heraus zu fnden, womit sie leben kann. Ich habe übrigens nicht gesagt, dass man ihn nur "liegen lassen" soll, versuchen schon - die Frage ist nur WAS versucht man.

Ich möchte jetzt gar keine Schlauheiten mehr von mir geben, sondern würde euch gern von meiner besten Freundin erzählen... Sie hat schon sehr viel mit mir mit gemacht, sie weiß schon gar nicht mehr was sie zu meinem Leben sagen soll. Nachdem mein zweiter Lebensgefährte "aus heiterem Himmel" verstorben ist, ist sie über ein Jahr lang zuverlässig jede Woche einmal zu mir gekommen um nach mir zu sehen. Sie hat sich bedankt dass ich sie reinlasse, weil sie wußte ich wollte lieber niemand sehen, sie hat mir, als ich wieder arbeiten ging, öfter 5 kleine Sachen gebracht für jeden Tag der Arbeitswoche eine (Tee, Mandarinen....), sie hat sich manche Dinge sicher 100 mal angehört, hat mir nie Ratschläge gegeben, immer nur gefragt um zu verstehen wo ich stehe und was ich fühle, sie hat nie bei mir versucht aufzuräumen -sie wußte das hätte in mir das Gefühl der Unzulänglichkeit und des Versagens verstärkt, es war angesichts des großen Schmerzes eh egal wie es um mich aussieht. Sie hat mir Spaziergänge angeboten, mich aber nie gedrängt. Sie hat mir oft mit Tränen in den Augen die Hand gehalten, mir gesagt - weinend gesagt, dass sie mir nichts Schlaues sagen kann, mir nicht helfen kann und tat es damit schon!!! Sie hat in meinen Trümmern mit mir gesessen und MEINE WIRKLICHKEIT MIT MIR GELEBT UND AUSGEHALTEN! Kein "du solltest", kein "willst du nicht mal", keine fingierten "Hilfsgesuche" - sie hat mich am Boden ankommen lassen und dort mit mir gewartet was passiert. Und ohne dass sie es selbst weiß, hat sie das einzig Richtige getan, sie hat mich in allem was ich machte angenommen und sich NUR MIR zugewendet, liebevoll und mit Verständnis und mit viel Zeit. Und dafür muss ich euch danken, denn genau das werde ich ihr mal in aller Ausführlichkeit sagen, denn es war wiedereinmal eine riesen "Leistung" von ihr! (...und ich war auch nicht immer einfach und nett!)

Euch allen alles Gute, jedem mit seiner Entscheidung, jeder wie er kann!
Petra

Geändert von Petra_S (27.10.2012 um 12:14 Uhr) Grund: schmerzende Rechtschreibfehler
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  #13  
Alt 26.10.2012, 22:32
lyra lyra ist offline
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Hallo Sabbimaus,
jetzt habe ich mal "zurück geblättert" und gesehen, dass wir ja schon damals, als Deine Ma erkrankt war, im Leberkrebs-Forum miteinander geschrieben haben-
irgendwie hatte ich mich an Deinen "Nick" erinnert-
auch wenn ich mich Petra`s und auch Angies`s Meinung voll anschließe-
wie geht`s Dir denn damit? Hoffentlich fühlst Du Dich nicht überrolllt-
ganz sicher wollte keiner Deinen Beitrag crashen...obwohl- so im Überschwang der Emotionen- kann das schon geschehen, ich würde mich selbst auch nicht frei davon sprechen...
momentan scheint Dir aber die Grundsatzdiskussion nicht viel zu helfen und droht, an Deinem Anliegen vorbei zu gehen...
melde Dich bitte- auch per PN- oder per Blitz- und Donner- Beschwerde in Deinem Threat...
Liebe Grüße
Lyra

Geändert von lyra (26.10.2012 um 22:45 Uhr) Grund: Schreibfehler
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  #14  
Alt 27.10.2012, 15:27
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Woher Hilfe? An wen wenden?

Hallo Sabbi,

ich finde, alle Postings bis jetzt können dir sehr hilfreich sein. Es spielt dabei keine Rolle, ob du mit deren Inhalt einverstanden bist oder nicht. Das ist gar keine Frage, denn eins können sie: dich zum Nachdenken bringen. Es wurden sehr viele Aspekte menschlicher Beziehung und Zwänge in Notsituationen angesprochen. Such dir das aus, was für dich am besten passt.

Was du bis jetzt versucht hast bei deinem Vater finde ich absolut in Ordnung. Das ist keine Bevormundung. Dein Vater steckt so tief in seiner Trauer, dass er die Verantwortung für sich selbst nicht mehr oder kaum noch tragen kann, geschweige denn die Verantwortung für seinen Hund. Seine Trauer als Depression zu bezeichnen empfinde ich als Blödsinn. Ganz sicher gibt es sehr viele Parallelen, das ist aber auch schon alles. Letztens las ich von dem Bestreben, dass, wer seine Trauer nach 2 Wochen nicht im Griff hat, als depressiv einzustufen ist. Geht es noch? Die Lobbyisten lassen grüßen.

Du als Tochter musst versuchen, deinem Vater zu helfen. Schon aus Eigeninteresse. Wie sollst du damit klar kommen, es nicht zu tun? Außerdem liebst du ihn. So, wie du es beschreibst, scheint es deinem Vater unmöglich zu sein (Messie, Hund, Körperpflege, Ernährung) von selbst aus seinem Tief heraus zu kommen. Du bist aktiv geworden und hast es richtig gemacht bisher. Du gibst ihm Aufgaben. Das ist richtig und hat absolut nichts mit Verdrängen zu tun. Es könnte ja sein, dass er Freude an diesen Aufgaben findet und damit sein Lebensmut wieder geweckt wird. Ganz wichtig ist Reden. Auch über dich. Was du fühlst, wenn du ihm zuschaust.

"Das Leben muss schön sein." Quatsch mit Sauce. Das Leben ist wie es ist. Ich sagte damals: "Ich lasse mir mein Leben nicht schön reden." Auch mir hatte man psychologische Hilfe angeboten und ich lehnte sie ab. Hätte ich gewusst, wie schwer es wird, ich hätte vielleicht anders gedacht. Dieser Weg geht durch die Hölle und so manches Mal schlitterte ich nur um Haaresbreite am Abgrund vorbei. Petra und Angie haben es sehr gut beschrieben. Dank guter Freunde habe ich es geschafft bis heute. Ohne sie? Vielleicht nicht. Keine Ahnung.

Was du tust ist keine Bevormundung oder Entmündigung. Es ist Hilfe zur Selbsthilfe. Denn alle wichtigen Entscheidungen trifft dein Vater selbst. Auch keine Entscheidung treffen zu wollen ist letztendlich eine Entscheidung. Seine Entscheidung, mit der er leben oder eben ... naja, das will ich nicht hoffen. Du selber kannst dann schlimmstenfalls sagen, du hast es versucht und dein Bestes gegeben. Das ist für dich sehr wichtig.

Du kannst dir Hilfe holen. Das muss kein Psychologe sein. Es gibt auch andere und die verschreiben keine rosa Pillen. Ein guter psychologischer Berater oder ein Trauerberater z.B. bietet 'nur' Hilfe zur Selbsthilfe. Auch auf dem Umweg über dich. Leider übernimmt die Kasse da keine Kosten. Vielleicht hat die Kirche da was zu bieten oder andere soziale Träger.

Versuche, deinem Vater zu helfen. Sein Leben ist es wert. Er ist es wert. Ihr seit es wert. Gib dein Bestes und du machst nichts falsch. Denk darüber nach.


Ich drücke euch die Daumen,

Helmut


PS: So ein kleiner, wohldosierter Tritt in den Hintern zur richtigen Zeit kann manchmal Wunder wirken. Dein Vater ist bestimmt nicht aus Zucker. Ich habe viele solcher Tritte erhalten.
__________________
Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
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Geändert von HelmutL (27.10.2012 um 15:51 Uhr) Grund: PS
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  #15  
Alt 24.11.2012, 14:20
Liloe Liloe ist offline
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Standard AW: Woher Hilfe? An wen wenden?

Hallo Petra_S,

zunächst einmal VIELEN DANK für deine Beiträge!

Sie sind sehr ausgewogen und beleuchten „beide Seiten“, die des Trauernden UND die des Angehörigen, der dem nur allzu oft hilflos gegenübersteht.

Du sprichst ein großes Tabu in unserer schnelllebigen Spaß- und Wegwerfgesellschaft offen aus: Die Frage nach dem Sinn des Lebens, die Frage, OB das Leben überhaupt immer als lebenswert empfunden werden muss und ob und inwieweit man ehrlich mit diesen Gefühlen umgehen kann, anstatt mittels Psychopharmaka, „Beschäftigungstherapien“ etc. eine Rückkehr in eben jene Spaßgesellschaft „erzwingen“ zu wollen.

Genauso wie du stehe ich der „professionellen Hilfe“ ebenfalls skeptisch gegenüber. Das heißt ebenfalls nicht, dass ich sie komplett ablehne. Aber ich würde – würde ich selbst mich in solche Hände begeben – keinesfalls meinen Verstand an der Türklinke zum Psychologen abgeben. Da halte ich´s wie mit allen anderen Ärzten und KH´s auch, wo ich ebenfalls versuche, ein mündiger Patient bzw. Angehöriger zu bleiben. Immer hinterfrage, mich informiere und ggf. auch Maßnahmen ablehne.

Kurz zu meiner Situation:

Ich bin Angehörige. Meine Mutter ist verwitwet, mein Vater verstarb Ende 2009.
Meine Mutter nun verhält sich gänzlich anders als der Vater der TE. Ihr Haushalt ist perfekt, sie geht ihrer Arbeit nach. Sie hat ein sehr gepflegtes Erscheinungsbild und von außen betrachtet würde sicher jeder denken: Super, sie ist drüber weg! Sie ist ins Leben zurückgekehrt.

Dass es nicht so ist, versucht sie vor aller Welt zu verbergen. Schaut man unter diese „perfekte Fassade“, sieht man Einsamkeit, Trauer und… leider auch eine gewisse Sinnentleertheit. Damit meine ich, dass sie ihrem Leben keinen rechten Sinn zu entnehmen scheint. Sie kapselt sich von ihrer Umwelt ab, pflegt neben ihrer Arbeit keinerlei Freundschaften, geht keinen Hobbys nach, verweigert gemeinsame Unternehmungen etc.

Besonders in der Anfangszeit ihrer Trauer äußerte sie – offen und verschlüsselt – Suizidgedanken („Was soll ich hier eigentlich noch?“ „Wäre ich doch auch gestorben!“ etc.). Momentan sind sie wohl weniger konkret, mehr abstrakt („Sollte ich mal schwer krank und/oder pflegebedürftig werden, werde ich mich beseitigen. Auf keinen Fall will ich ein Pflegefall werden“ usw.). Ich muss sagen, ich bin solchen Gedanken bisher recht hilflos gegenübergestanden und habe nicht gewusst, wie ich damit umgehen soll. Psychologische Hilfe lehnt sie konsequent ab. Sie hält nicht viel von den „Seelenklemptnern“, für sie ist das alles nur „Geldschneiderei“.

Ich finde jedenfalls den Ansatz interessant, dass man evtl. suizidale Äußerungen nicht im Keim erstickt, sondern GEMEINSAM den Gedanken zulässt und weiterspinnt. Ich würde dann als Tochter wohl entgegnen, dass mich ein solcher Schritt – so er tatsächlich vollzogen wird – unheimlich belasten würde. Dass mir meine Mutter als Mensch sehr wichtig ist, dass ich sie brauche (obwohl ich schon erwachsen bin), dass sie mir unheimlich fehlen würde. Und dass ich viell. auch zeitlebens Probleme hätte mit der Art, WIE sie aus dem Leben gegangen ist. Dass ich mir wünschen würde, dass meine zukünftigen Kinder ihre Oma persönlich kennen lernen und nicht „nur“ von Bildern. Dass sie durch diesen Schritt mich auf die Position der Trauernden, Verzweifelten „werfen“ würde. Da bin ich in gewisser Weise auch jetzt schon (denn auch mir fehlt mein Vater), aber so müsste ich dann beide Eltern beweinen. Momentan betrauere ich „nur“ einen Elternteil und bin soooo froh, dass der andere noch hier bei mir ist. Das alles würde ich versuchen, möglichst frei von Vorwürfen zu formulieren. Aber dennoch auszusprechen, was ich darüber denke. Denn das muss dann wiederum von ihr „ausgehalten“ werden, so wie ich ja auch ihre Gedanken und Gefühle „aushalten“ muss.

Das sind meine Gedanken dazu. Etwas wirr, ich weiß. Sorry, ich kann das grad nicht besser formulieren, weil ich beim Schreiben merke, WIE SEHR mich dieses Thema aufwühlt.

Ein großes Problem ist auch ein anderer Punkt, den du ansprichst:
Beziehung bzw. die Tatsache, dass 60 schön gemachte Minuten am Tag den Rest des Tages, der in Einsamkeit verbracht wird, nicht aufwiegen können. Da hast du absolut Recht. Ich stehe diesem Problem aber ganz hilflos gegenüber. Denn ich habe selbst Verpflichtungen (Arbeit, Ehemann, viele Haustiere, großer Garten), so dass ich an manchen Tagen am Rotieren bin. Dazu kommt, dass meine Mutter nicht gerade „um die Ecke“ wohnt. Gerade viele ältere Leute wünschen sich den intensiven Kontakt zu ihren Kindern, das weiß ich wohl. Am liebsten wäre vielen von ihnen das klassische Mehrgenerationenhaus, wie es früher Gang und Gäbe war. Das weiß ich auch von meinen Schwiegereltern (gleicher Wunsch, andere Region). Aber „Halbieren“ und uns zwischen beiden Schwiegerfamilien aufteilen, können wir uns nun mal nicht. Will ich auch gar nicht – um mal ganz ehrlich zu sein… Ich genieße meine/unsere Autonomie und brauche einen gewissen „Sicherheitsabstand“ zur Verwandtschaft.

Die Kehrseite ist natürlich, dass die Eltern und Schwiegereltern nur wenig an unserem Alltagsleben teilhaben können und sich den Großteil des Tages selbst gestalten u. beschäftigen müssen. Was gerade für verwitwete Elternteile sehr schwer zu sein scheint. Ja, und hier schließt sich dann der „Teufelskreis“…

Ach, alles nicht so einfach…

Dennoch vielen Dank für die wertvollen Gedankenanstöße in diesem Thread. Ich werde mal schauen, was ich für meine/unsere Situation davon rausziehen und anwenden kann.



@ Sabbimaus,

die Situation ist echt total vertrackt!

Du siehst, ich habe leider auch keine Lösung. Bin selbst am Überlegen, wie man dem verwaisten Elternteil am besten helfen kann.

Ich hätte nur eine einzige Anregung: Die Sache mit dem Hund (Hund kommt kaum noch raus). Dieses Problem hatten wir bei meiner Oma zu lösen. Bei ihr war der Grund nicht Trauer / Depression, sondern körperl. Einschränkung (86 Jahre alt). Wir haben im Supermarkt Aushänge gemacht, dass wir jemanden suchen, der gegen ein kleines Taschengeld regelmäßig den Hund ausführt. Es hat sich eine ganz liebe Schülerin gemeldet, die das nun übernommen hat. Angenehmer Nebeneffekt: Sie bleibt nach dem Gassigehen ganz gerne mal bei meiner Oma sitzen (die sehr gut backen kann ) und leistet ihr ein wenig Gesellschaft. Wir sind sehr froh über diese Entwicklung, es ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.


Viele Grüße
Liloe
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