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  #1  
Alt 11.03.2006, 12:15
Peggy_WI Peggy_WI ist offline
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Standard Hirnmetastasen - wie sage ich es ihm?

Liebe Forenmitglieder,

bei meinem Vater (56) wurden im Januar nach fürchterlichen Kopfschmerzen multiple Hirnmetastasen festgestellt. Der entsprechende Primärtumor soll wohl in der Lunge liegen, aber die Ärzte schweigen sich irgendwie darüber aus. Ich weiß nicht warum. Behandelt wird die Lunge wohl nicht (mehr). Mein Vater wurde jedenfalls Ende Februar operiert, wo ihm 2 von 4 Metastasen aus dem Kopf entfernt wurden. Eine davon drückte auf das Sehzentrum, so daß man gehofft hatte, daß sich seine Sehkraft wieder bessert. Aber ohne Erfolg. Er ist nun völlig blind...
Nach einem offenen Gespräch mit dem Arzt, welche die Lebensgefährtin meines Vaters führte, bestätigte dieser, daß die Lebenerwartung bei meinem Vater wohl nur noch max. 10 Monate mit Bestrahlungstherapie betragen würde.
Ich war darüber bestürzt, aber hatte so etwas schon die ganze Zeit vermutet. Auch dank dieses Forums, das mir bisher als stillem Mitleser sehr sehr hilfreiche Informationen geliefert hat, konnte ich mich im vorhinein bereits einige Zeit damit auseinandersetzen, daß es wohl keine Heilung geben wird.
Es ist unglaublich schwer für mich, damit umzugehen, obgleich ich weiß, daß wir uns in diesem Fall wohl dem Schicksal ergeben müssen. Ich habe meine Mutter vor 10 Jahren an Darmkrebs verloren und weiß deshalb, was auf mich zukommt. Ich habe Angst davor, aber was mir noch viel viel größere Sorgen bereitet ist die Tatsache, daß mein Vater nicht weiß, daß er sterben wird. Er ist so unglaublich tapfer. Er kann nichts mehr sehen, obwohl er doch so gerne am Computer gearbeitet hat. Programmierung war sein Leben. Er hat täglich mehr als 10 Stunden an meinen Projekten mitgearbeitet (ich bin Webdesignerin) und nun ist alles von heut auf morgen nicht mehr machbar. Er kann auch nicht lesen und nicht fernsehen. Nur Radio hören. Er ist Gott sei Dank nicht allein - seine Freundin kümmert sich rührend um ihn... und ich wohne 500 km weit weg...

Gestern hatte er solche Ausfallerscheinungen, daß plötzlich seine rechte Hand taub wurde und das Gesicht von der rechten Augenbraue an irgendwie "eingeschlafen" ist. So hat er das beschrieben. Er hat Angst bekommen und den Arzt gerufen. Im Krankenhaus hat man ihm nicht die Wahrheit gesagt und ihm verschiedene Therapieansätze gezeigt - der Arzt, der gestern kam, war entsetzt und meinte, man müsse doch Klartext mit ihm sprechen. Man könne ihm doch nichts vormachen. Und aus seiner Sicht wäre die Krankheit schon so weit fortgeschritten, daß es keine 6 Monate mehr dauern würde...

Jetzt bin ich völlig verunsichert. Jeder um ihn herum weiß, daß mein Vater bald sterben wird. Er hat sich entschieden, die Wohnung aufzulösen und zu seiner Freundin zu ziehen. Er hat sein Auto abgemeldet, weil er ja ohnehin nicht mehr fahren kann. Er kündigt alle Versicherungen etc. Ich weiß nicht mehr weiter. Wenn ich mit ihm telefoniere, reden wir immer um den heißen Brei herum. Keiner spricht von "Heilung" oder der "Zeit danach". Keiner traut sich, irgendwas in der Richtung zu sagen. Mir ist letztens nur der Satz rausgerutscht "Papa, ich mach mir Sorgen um Dich". Dabei hab ich mir gleich wieder auf die Zunge gebissen. Ich kanns ihm nicht sagen, aber ich muß es doch rauslassen, daß ich vor Angst nachts nicht mehr schlafen kann. Ich kann doch meinen Vater nicht so belügen. Ich weiß aber, daß er es nicht verkraften würde, wenn er die Wahrheit erfährt. Er würde allen Lebensmut verlieren. Ich hab Angst, ihn so dahin siechen zu sehen. Ich hätte ihm noch so vieles zu sagen, aber ich traue mich nicht. Ich will ihm noch sagen, daß er trotz einiger Schwierigkeiten immer ein guter Vater war und ich stolz auf ihn bin, was er alles für uns getan hat. Aber auch da hab ich Angst, daß er etwas merkt. Wie soll man normal weitermachen, wenn nichts mehr "normal" ist, wenn die ganze Welt aus den Fugen gerät?
Ich will ihn beschützen, ich will ihm seine Schmerzen nehmen - ich will, daß er einfach nur einschläft und nicht wieder aufwacht. Ist das makaber? Wir wissen doch alle, daß er nicht mehr lange leben darf - ist es falsch zu hoffen, daß er schnell und friedlich ins Licht geht, ohne leiden zu müssen? Hab ich ihn aufgegeben noch bevor er tot ist?
Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Ich weiß nicht mehr was richtig ist...

Vielleicht kann mir jemand von euch was dazu sagen? Wie war es bei euch - habt ihr offen über den Tod gesprochen? Wenn nein - habt ihr das hinterher bereut?

Bitte entschuldigt, daß mein Betrag vielleicht etwas durcheinander klingt.

Peggy
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  #2  
Alt 11.03.2006, 12:23
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iris1506 iris1506 ist offline
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Standard AW: Hirnmetastasen - wie sage ich es ihm?

hallo peggy

es tut mir leid, wie es um deinen papa steht. mein papa hat auch hirnmetas, wir haben es ihm nicht gesagt.
näheres findest du unter HIRNTUMOR unter der rubrik HIRNMETASTASEN, WER HAt ERFAHRUNG??
dort tausche ich mich mit mehreren betroffenen aus, wäre schön dich dort begrüßen zu können, auch wenn der anlass leider ein sehr trauriger ist.

viel kraft und liebe grüße

iris

Geändert von iris1506 (11.03.2006 um 13:15 Uhr)
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  #3  
Alt 11.03.2006, 14:21
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Karin B. Karin B. ist offline
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Standard AW: Hirnmetastasen - wie sage ich es ihm?

hallo peggy,
ich kann gut nachvollziehen, was in dir vorgeht, nur kenne ich diese situation gerade andersherum. es ging um den lebensgefährten meiner mutter. er hatte darmkrebs. uns wurde von der ärzten gesagt, dass er höchstens noch 6 monate zu leben hat. wir haben versucht ihm das vorsichtig beizubringen, aber er hat abgeblockt. er und unheilbarer darmkrebs - niemals.
er hat sich mit seinem stoma abgefunden, auch mit den schmerzpflastern, aber sterben, nein sterben würde er noch lange nicht.
dabei waren noch so viele dinge zu regelen, doch meine mutter und ich sind in der beziehung nicht an ihn herangekommen.
umso mehr der zeitpunkt an diese 6 monatsfrist herankam und er merkte, dass ihm die anfängliche schmerzdosis nicht mehr reichte, kamen ihm doch bedenken, aber ausgesprochen hat er sie nie.
das einzigste was für ihn wichtig war, dass er nicht ins krankenhaus muß.
fast 5 monate ging es ihm verhältnismäßig gut, mit den schmerzpflastern eben, doch dann begann es rapide abwärts zu gehen. er konnte nicht mehr aus dem haus, auch sein morgentlicher frühschoppen konnte er nicht mehr wahrnehmen.
ich habe dann den notar ins haus bestellt, damit er wenigstens seine sachen regeln konnte und das auch nur wiederwillig.
markaber war, dass er genau 6 monate nach seiner darm op gestorben ist. die ärzte hatten leider recht behalten.
was mich beruhigt hat, war die tatsache, dass ich ihn beim sterben begleiten konnte, trotz dass ich auch brustkrebs habe/hatte und ihm nicht versprechen konnte, ihn zu hause zu lassen.
für meine mutter war es jedoch nicht ok so, denn sie blieb zurück, mit vielen fragen ohne antworten und viele dinge die sie ihm gerne noch gesagt hätte, aber nicht konnte, da er abgeblockt hat.
ich denke, für ihn war es der richtige weg, er hat sich dafür entschieden, so zu gehen, ohne großes trara um seine krankheit zu machen.
doch er hatte die wahl.
was ich damit sagen will, ich weiß nicht was für ein mensch dein papa ist.
doch denke ich, ihm gar nichts zu sagen ist vielleicht auch nicht der rechte weg.
aber das ist meine meinung.
du wirst hier sicher einige zuschriften bekommen und jeder kann nur seine meinung dazu sagen.
im endeffekt mußt du, oder die freundin deines papas entscheiden, ob es richtig ist, ihm die ganze wahrheit zu sagen.
aus deiner sicht heraus kann ich nur hoffen, dass er es erfährt, denn es ist schlimm sich von einem lieben menschen nicht richtig verabschieden zu können.
mein vater hatte einen sekundentot und es gab keine gelegenheit abschied zu nehmen und daran knabbere ich heute noch herum, obwohl es schon mehrere jahre her ist.
entscheide vom bauch heraus und nach dem gefühl in deinem herzen.

ich wünsche dir, egal wie du dich auch entscheiden solltest, viel kraft.
alles liebe
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  #4  
Alt 11.03.2006, 17:51
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iris1506 iris1506 ist offline
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Standard AW: Hirnmetastasen - wie sage ich es ihm?

hallo karin und peggy

man ist in einem zwiespalt, soll man die harte tatsache dem patienten mitteilen, oder nicht.
nach langem hin und her haben wir(auch mit den ärzten) entschieden, es meinem papa nur dann zu sagen, wenn er danach fragt.
durch die hirnmetastasen gerät der eigentliche tumor in den hintergrund, da der verlauf jetzt von den metastasen bestimmt wird.
mein papa weiß, das er an seiner krankheit sterben wird, er weiß aber nicht das es die hirnmetas sind.

vor 10 tagen als wir wußten, das man nicht mehr behandelt, habe ich ihn in einem schlechten allgemeinzustand nach hause bringen lassen.
er war sehr verwirrt, hat viel geweint und viel geschlafen. nach zwei tagen hat sich sein zustand so gebessert. heute nach 10 tagen, isst er alles, ist überhaupt nicht mehr verwirrt und nimmt uns und seine umgebung voll wahr.

kurz gesagt, er fühlt sich wohl, scherzt und lacht mit uns und seinen enkeln.

jeder tag, an dem es ihm so gut geht, ist für uns alle ein geschenkter tag, an dem wir uns mit ihm freuen.

eine lebenserwartung bei hirnmetastasen kann keiner sagen, auch nicht die ärzte. es kann heute schon soweit sein, in ein paar wochen und mit ganz viel glück und gotteswille ein paar monate.

soll ich ihm seine freude, die er mit uns und wir mit ihm haben jetzt nehmen??
das bringe ich nicht übers herz. es ist für mich als tochter verdammt schwer, zu wissen, was sich da in seinem hirn abspielt. was mag dann in ihm vorgehen, welche ängste vor dem was kommt, wenn er die ganze tragweite weiß??

vor 4 wochen ist der bruder meines papas an leberkrebs verstorben. bis zum schluß wußte er auch nicht wie es um ihn steht. er ist montags ins koma gefallen und dienstags ganz ruhig und friedlich im kreise seiner familie eingeschlafen.

aber wie du schon schreibst, karin. jeder sollte für sich entscheiden und aus dem bauch heraus.
wir glauben fest, das richtige getan zu haben und freuen uns über jeden morgen, an dem wir unseren papa noch haben, er ist doch auch erst 68.

liebe grüße

iris
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  #5  
Alt 11.03.2006, 18:07
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iris1506 iris1506 ist offline
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Standard AW: Hirnmetastasen - wie sage ich es ihm?

hallo peggy

das mein papa friedlich einschläft, wünsche ich mir auch, vor allem, das er nicht leiden muß.
mein papa bekommt drei mal täglich 8 mg cortison, das hemmt die symptome und verhindert die schnelle ödembildung im hirn.
die ärzte meines papas sind sehr offen und immer für ein gespräch bereit.
sie sagten, wir brauchen keine angst haben vor einem leidvollen ende, er wird irgendwann eindämmern.
lähmung und ausfallerscheinungen im rechten arm hat mein papa auch, kommt von den metastasen. immer unterschiedlich, wo sie gerade drücken.
bekommt dein papa auch cortison?
einem kranken nicht die ganze tragweite zu sagen, ist keine lüge. es ist ein abwägen, kann er es ertragen oder nicht. schade das du so weit entfernt von ihm bist, das macht für dich die situation auch nicht leichter.
wir wohnen gemeinsam in einem haus, weil ich auch papa und mama pflege.
meine mama hat alzheimer im 2.ten stadion. sie bekommt von alldem gar nichts mit.

entscheide aus dem bauch, du tust bestimmt das richtige.

ich wünsche dir ganz viel kraft

liebe grüße

iris
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  #6  
Alt 12.03.2006, 13:00
Maruschka Maruschka ist offline
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Standard AW: Hirnmetastasen - wie sage ich es ihm?

Hallo an Alle,

ich möchte mich zu der Thematik "soll man dem Patienten die ganze Tragweite sagen, oder nicht" äußern. Ich denke, der Patient weiß am Besten, wie es um ihn steht, ob ihr es ihnen nun sagt, oder nicht. Jeder kennt seinen Körper doch ganz genau. Wir haben unserem Vater auch nicht immer alles gesagt, was uns die Ärzte mitgeteilt haben. Aber wir haben gespürt, dass er genau wusste, wie es um ihn steht.

Alles Liebe und Gute für euch.

Viele Grüße
Maruschka
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