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Alt 14.03.2007, 09:30
Ole_Blankenburg Ole_Blankenburg ist offline
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Standard Gehirntumor

Hallo an euch Alle !

Bei meinem Vater (55 Jahre) wurde letztes Jahr im Juni ein Gehirntumor diagnostiziert. Er klagte einige Wochen über starke Kopfschmerzen und Schwindelgefühl. Im Juli wurde er dann 2 x am Kopf operiert. Bereits nach der ersten OP konnte er nicht mehr sprechen und der rechte Arm und das rechte Beim waren gelähmt. Bei der ersten OP wurde eine Gewebeprobe entnommen und eine Teilsektion vorgenommen. Das Ergebnis war, dass es sich hierbei um einen sehr seltenen Tumor handelt, der sowohl die Hirnhaut befallen als auch einen nicht unerheblichen Teil Gehirnmasse in Mitleidenschaft genommen hatte – und das dies ein Tumor sei, der immer wieder komme – es sei keine Frage, ob er wiederkommt, sondern wann er wiederkommt. Man entschied sich zu einer weiteren OP, bei der 4/5 des Tumors entfernt wurde. Hierfür wurde von 2 Seiten (links hinter dem Ohr und auf dem Schädeldach) operiert. Während der anschließenden Chemotheraphie bekam er die komplette Bandbreite der möglichen Nebenwirkungen der Chemo zu spüren. Neben andauerndem hohen Fieber bekam er spastische Anfälle, Erbrechen, Appetitlosigkeit – bis zur künstlichen Ernährung, die 3 Wochen anhielt, Thrombose. Bis Anfang Dezember lag er dann so im Krankenhaus. Im Anschluss daran wurde bis Ende Januar ambulant eine Bestrahlungstherapie vorgenommen. Vor einigen Wochen kam er dann erneut in die „Röhre“ – es gab hierbei kein eindeutiges Ergebnis – entweder ist dort noch ein Resttumor oder aber vernarbtes Gewebe. Die Ärzte lehnen jedoch eine weitere OP ab, mit dem O-Ton „Wir würden ihm so noch den letzten Rest Lebensqualität nehmen – bei den letzten OP’s ist ein Drittel des Gehirns unwiderruflich beschädigt worden.“ Seit Beginn der Chemo hat mein Vater sowohl physisch als auch psychisch abgebaut – die Behandlungen des Logopäden und der Bewegungstherapeuten zeigen keinerlei Wirkungen mehr – die Erfolge der Behandlungen direkt nach den OP’s sind nicht mehr vorhanden. Mein Vater scheint immer mehr in eine andere Welt abzudriften. Er wird immer schwächer, schläft immer mehr, er isst wie ein „Spatz“, ist längere Zeit geistig abwesend. Es schmerzt so sehr, einen Menschen so hilflos zu sehen, der noch vor weniger als einem Jahr so ein lebensfroher Mensch war. Das schlimmste ist jedoch, dass man nicht mit ihm reden kann. Man möchte sich so gerne mit ihm austauschen, - man merkt, dass er was sagen will – aber er bekommt es nicht heraus. Schreiben kann er es nicht. Direkt nach der 2. OP hatte der Logopäde versucht, ihm das Schreiben mit der linken Hand beizubringen – aber nun ist er zu schwach und kann auch die Buchstaben nicht mehr auseinander halten.

Mittlerweile ist meine Mutter ebenfalls psychisch erkrankt und befindet sich in ambulanter Behandlung. Die Ungewissheit, wie alles weitergeht, wann es endet, macht sie fertig. Sie will auf der einen Seite natürlich für meinen Vater da sein und ihm die bestmögliche Pflege geben und auf der anderen Seite hat sie Existenzängste – wenn Sie Ihren Beruf aufgibt und nur noch meinen Vater pflegt, wird Sie später nie wieder Arbeit bekommen. Ich selber bin vor 4 Jahren 250km weggezogen, 5 Tage nach der ersten OP wurde unsere erste Tochter geboren. Seit der Zeit im Krankenhaus bin ich jedes Wochenende zu meinem Vater gefahren und jedes 2. Wochenende war meine Frau und unsere Tochter dabei. Ich rufe Sie jeden Tag an und versuche Ihr Trost zu geben, wobei ich ihr auch keinen Rat geben kann, was nun das Beste ist. Mein Vater befindet sich nun in der Reha, die spätestens in 2 Wochen endet. Dann bleibt die Last der Pflege wieder auf den Schultern meiner Mutter. Eine Pflege durch uns hier lehnt sie ab.

Ich finde, es ist irgendwie alles ein absoluter Horror; man ertappt sich bei so vielen unmöglichen Gedanken, die man wahrscheinlich früher gar nicht für möglich gehalten hätte:

„Warum er ? Er hat doch nie einer Fliege was getan!“ – „Warum nicht der Penner von der Ecke, der sich seit Jahrzehnten täglich den Kopf zudröhnt ?“ - „Warum gerade jetzt – wo doch sein grösster Wunsch: „ein Enkelkind“ in Erfüllung gegangen ist ?“ – „Warum kann keiner helfen?“ – „Warum sagt niemand, was man tun soll?“ – „Wann wird er erlöst ?“ – „Wie soll es bloss weitergehen ?“

Das sind diese Fragen, die einem ständig im Kopf herumschwirren. Man befindet sich irgendwie zwischen 2 Stühlen – auf der einen Seite sagen einem die Leute „Du musst Abschied nehmen – du musst an dich denken!“ und auf der anderen Seite ist man selbst noch nicht bereit diesen Schritt zu gehen – da ist einmal die Sache des Mitleids und auch ein Fünkchen Hoffnung. Da klammert man sich an Aussagen der Ärzte, die sagen: „Eine Aphasie ist durch viel Training zu kompensieren.“

Mittlerweile sind nun 8 Monate vergangen – 8 Monate die für mich persönlich ein Wechselbad der Gefühle waren – auf der einen Seite die Geburt und Heranwachsen unserer Tochter und auf der anderen Seite die 8 Monate Angst, dass der eigene Vater von einer Minute auf die anderen nicht mehr da sein könnte. Angst ans Telefon zu gehen, wenn es klingelt. Angst vor dem nächsten Krankenhausbesuch. Angst vor der nächsten Diagnose. Einfach nur Angst.

Ich bin nicht bereit, die Tatsache zu akzeptieren, dass mein Vater stirbt!

Ole
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